Lokales

„Mir fehlt nichts gegenüber dem Verbrenner“

Zwei ganz verschiedene reine Elektrofahrzeuge mit zwei hochzufriedenen Fahrern

Rein elektrisch betriebene Autos sind nach wie vor Exoten. Doch es gibt sie auch hier im Landkreis. Wie unterschiedlich die Fahrzeugkonzepte sind, zeigt ein Besuch bei Gerd Schauer in Köngen und Wolfgang Merke in Kirchheim. Einer fährt einen 420 PS starken Tesla Model S, der andere den Winzling Renault Twizy.

Das Premiummodell Tesla Model S von Gerd Schauer aus Köngen: Die Batterien sind unter dem Boden angebracht, vorne gibt es ein zu

Das Premiummodell Tesla Model S von Gerd Schauer aus Köngen: Die Batterien sind unter dem Boden angebracht, vorne gibt es ein zusätzliches Gepäckfach, hier mit Tochter Victoria und Katze Mikey.

Kreis Esslingen. Mindestens zwei Dinge haben die ungleichen Autos gemeinsam: Sie fahren elektrisch, und sie tun das fast lautlos. Ob der rund 500 Kilogramm leichte Twizy ein Auto ist, ist umstritten, derzeit ist er als Quad eingestuft. Wolfgang Merke hofft, dass sich das ändert, dann würde die Versicherung einiges billiger. Steuer bezahlt er zehn Jahre lang keine. Doch zuerst zum Tesla. Wie kommt ein Köngener dazu, sich in den USA für 104 000 Euro ein elektrisch angetriebenes Premiummodell zu bestellen? Schauer, der IT-Systeme an Unternehmen verkauft, wurde durch den Tipp eines Kunden auf den Tesla aufmerksam. Damals war das Auto noch eine Studie. Eine elektrische, fünfsitzige Limousine mit 420 PS und 500 Kilometern Reichweite? „Wenn das Fahrzeug tatsächlich so gebaut wird, wäre das was“, dachte Schauer. Er zahlte für die Reservierung 4 000 Euro an, musste 21 Monate warten, aber schließlich bekam er seinen Elektroluxustraum mit der rasanten Beschleunigung – die er gerne bei einer Probefahrt demonstriert.

„Mir fehlt nichts gegenüber dem Verbrenner“, sagt Schauer. Er war mutig, ließ seinen Tesla als Erster im Landkreis zu. Heute weiß er, dass er die 500 Kilometer bei Tempo 100 auf der Autobahn tatsächlich schafft. Fährt er Tempo 120, sind es noch 400 Kilometer. Die Batterie wiegt 650 Kilogramm, mehr als der ganze Twizy. Unter dem Boden angebracht, sorgt sie für einen tiefen Schwerpunkt und gute Straßenlage. Unter der Motorhaube ist Platz für einen zweiten Laderaum. Geladen wird an der Steckdose in der Garage, auf dem Hausdach hat Schauer eine Photovoltaikanlage installiert. Bis ein leerer Akku voll ist, vergehen 24 Stunden. An einem Starkstromanschluss wären es nur vier. Die Ladestationen, die Tesla entlang der Autobahnen aufbaut, füllen den Akku in nur 30 Minuten auf 80 Prozent. Kälte kann dem Akku wenig anhaben, der gesamte Antrieb ist in einer Flüssigkeit gelagert, die im Winter gewärmt und im Sommer gekühlt wird.

„Ich habe nur noch zwei Knöpfe, für den Warnblinker und das Handschuhfach“, sagt Schauer. Alles andere steuert er über einen 17 Zoll großen Touchscreen: von der Federung bis hin zum Internet-Radio. Der Tesla ist ständig mit dem Netz verbunden, der Google-Earth-Navi zeigt in Echtzeit Staus an. „Das funktioniert über die Handydichte“, erklärt Schauer. Vor einem Rechnerabsturz braucht er sich nicht zu fürchten, die Fahrfunktionen laufen getrennt.

Wie ist der Verbrauch? „Ich bin mit 44 Kilowattstunden nach Ulm und zurück gefahren“, sagt Schauer, das mache rund zwölf Euro. Er lobt die fehlenden Inspektionskosten: „Das Einzige, was verschleißt, sind Reifen und Bremsen.“ Die Technik, die Tesla im Modell S erprobt habe, wolle die Firma künftig auch in kleinere Modelle einbauen. Schauer ist überzeugt: „In den nächsten zehn Jahren werden – als Konkurrenz zur bestehenden Autoindustrie – Firmen wie Tesla, Google, Apple und Microsoft voll auf die Elektromobilität setzen.“

Überzeugt war auch Wolfgang Merke, aber von einem ganz anderen Gefährt. Den Renault Twizy empfand er als „witziges Fahrzeug“ und bestellte ihn im Juli 2012 als einer der Ersten. Während beim Tesla alles eingebaut wurde, was man sich nur denken kann, wurde beim Twizy alles Unnötige weggelassen. Wie fährt es sich ohne Seitenscheiben im Winter? Gut, sagt Merke. Er müsse sich nur so anziehen, als ob er spazieren ginge. Vom Fahrtwind bekomme er – zumindest auf dem vorderen Sitz – nichts mit. „Der Twizy macht einfach Spaß“, findet Merke. Für seine Version hat er rund 9 000 Euro bezahlt, hinzu kommen 50 Euro monatliche Miete für den Akku. Sinkt der Akku unter 75 Prozent der Ausgangskapazität, bekommt Merke einen neuen. „Ich habe ihn in eineinhalb Jahren für gut 10 000 Kilometer Fahrt rund 250 Mal von 40 auf 100 Prozent aufgeladen. Bis jetzt kann ich keine Einbußen bei der Reichweite feststellen.“ Um 40 Kilometer hin und zurück zur Arbeit zu fahren, braucht Merke gut die halbe Akkuladung. Dann hat er drei Kilowattstunden, also für 80 Cent Strom verbraucht. „Ökostrom aus Schönau“, betont Merke. Die Herstellung der Akkus sei eine Umweltbelastung, räumt er ein. „Doch da wird sich in Zukunft einiges tun.“

Der kleine hintere Stauraum des Twizy ist ungünstig zu erreichen, doch auf den Beifahrersitz passen ebenfalls zwei Kisten Sprudel. Viel Zubehör wird angeboten, Musiksysteme, sogar eine Anhängerkupplung, Seitenscheiben natürlich auch. „Die würde ich nie kaufen“, sagt Merke. Er genießt den intensiven Kontakt nach draußen, fühlt sich in dem Fahrzeug sicher. „Im Crashtest ist er gar nicht so schlecht.“ Merke fährt allerdings nicht auf die Autobahn – obwohl er es bei 80 Stundenkilometern Spitze dürfte.

Wie reagieren die Leute auf sein Fahrzeug? „Manche zeigen mit dem Daumen nach oben, andere schütteln den Kopf. Viele fürchten die zu geringe Reichweite.“ Parken kann Merke auch quer oder auf einem Smart-Parkplatz: „Ein Smart sieht im Vergleich noch groß aus.“ Dann erzählt Merke genüsslich von seiner Beobachtung an der Ampel: Oft stellten sich hinter ihm ankommende Fahrer lieber auf der anderen Spur auf. Überrascht stellen sie dann fest, wie schnell der Twizy davonzieht, ganz ohne Schaltunterbrechung.

Die gute Beschleunigung ist also eine dritte Gemeinsamkeit. Beide Autos sind auch ein Denkanstoß: Dass man Autos ganz anders bauen könnte als bisher. Und Elektroautos am besten auch von Beginn als solche konzipiert.