Lokales

Mit der roten Tälesbahn ins Grüne

Claudia Haydt, Bundestagskandidatin der Linken, wandert gerne am Albtrauf

Claudia Haydt ist viel mit der Bahn unterwegs. Besonders gerne steigt sie in die Tälesbahn, um in ihrem Wahlkreis Nürtingen am A
Claudia Haydt ist viel mit der Bahn unterwegs. Besonders gerne steigt sie in die Tälesbahn, um in ihrem Wahlkreis Nürtingen am Albtrauf bei Lenningen zu wandern.Foto: Jean-Luc Jacques

Pünktlich rollt der rote Regiozug der Teckbahn am Oberlenninger Bahnhof ein. Nur wenige Fahrgäste steigen aus. Eine Frau mit Rucksack und Wanderstöcken

blickt erwartungsvoll gen Albtrauf. Der zeichnet sich jetzt, kurz vor Mittag, noch vor einem wolkenverhangenen Himmel ab.

Wird das Wetter halten? „Ich bin optimistisch“, lacht Claudia Haydt, 46, Bundestagskandidatin der Linken im Wahlkreis 262 Nürtingen. Sie kommt gerne in diese Ecke ihres Wahlkreises, verbindet sie doch damit nicht nur den Kampf um Stimmen, sondern vor allem „Freizeit, Landschaft, Leute“.

Andere Züge auf gut sanierten Hauptstrecken bringen die engagierte Linke aus Tübingen nicht nur in die Bundesmetropole Berlin, sondern in viele Orte dieser Republik und darüber hinaus.

Claudia Haydt ist zurzeit Vorstandsmitglied der Europäischen Linkspartei und der Informationsstelle Militarisierung (IMI) sowie Mitarbeiterin im Bundestag im Bereich Militär- und Sicherheitspolitik und in Teilzeit Dozentin an der Fachhochschule für Sozialarbeit in Kärnten. „Dieses Standbein bewahre ich mir, um nicht vom politischen Geschäft abhängig zu sein“.

Politik freilich, und hier wiederum die Friedenspolitik, zieht sich wie ein roter Faden durch ihr Leben.

Nach dem Abi in einem Lindauer Mädchengymnasium schließt die gebürtige Friedrichshafenerin eine heilpädagogische Ausbildung in Überlingen ab, arbeitet zwei Jahre in einer waldorfpädagogischen Einrichtung für Kinder und Jugendliche in Brachenreute und studiert danach von 1989 bis 1994 evangelische Religionswissenschaft und Soziologie in Tübingen.

„Religion hat mich immer schon interessiert. Ich war auch in einer Jugendgruppe der evangelischen Kirche sehr aktiv“. Während ihrer Studienzeit steigt sie in die Kommunalpolitik ein und wird 1988 aktives Mitglied der Grünen. Deren Motto „ökologisch, sozial, demokratisch, friedlich“ ist auch ihr Leitspruch (Haydt: „Die SPD ist darin eher unterbelichtet“). Vor allem tritt sie wegen der Friedensfrage den Grünen bei.

Als diese unter Joschka Fischer 1999 „Ja“ zum Jugoslawienkrieg sagen, ist für Claudia Haydt das Maß voll. „Damit fiel für mich die Geschäftsgrundlage weg.“ Sie engagiert sich in der außerparlamentarischen Friedenspolitik und entscheidet sich schließlich 2007 für die Linken. „Ich habe bereits ab 2006 als wissenschaftliche Mitarbeiterin der Linken Bundestagsfraktion gearbeitet und den Fusionsprozess von WASG und Linkspartei genau verfolgt“.

In der Friedensbewegung seit den 1980er-Jahren aktiv, beginnt sie schon sehr früh, die Friedenspolitik zu vernetzen mit der französischen und US-amerikanischen Friedensbewegung. Das führt dazu, dass Claudia Haydt bei den Linken in der internationalen Arbeit eingesetzt wird und sich innerhalb der Europäischen Linken engagiert. „Das Netzwerk funktioniert sehr gut und wurde im Zuge der Krise in den Südländern stärker“.

Claudia Haydt, die zum ersten Mal für den Bundestags kandidiert, steht auf Listenplatz elf und rechnet, trotz ihrer überaus optimistischen Persönlichkeit, nicht damit, nach Berlin gewählt zu werden.

„Ich habe einfach kandidiert, damit im Wahlkampf bestimmte Themen diskutiert werden“. Etwa Merkels „arrogante Europa-Kaputtsparpolitik, die Deutschland in Europa isoliert“, Einführung eines Mindestlohns von zehn Euro pro Stunde, Hartz IV, die Rente mit 67, Bundeswehreinsätze im Ausland, Bundesfinanzpolizei, die Besteuerung von Millionären, Bürgerversicherung, Abschaffung der Kleinstaaterei im Bildungsbereich, die ökologische Wende („darf nicht an den Ärmsten hängen bleiben“), die Frage der Mietenexplosion, und, und, und.

„Baustellen dieser Bundesregierung gibt es genügend“, will die 46-Jährige die Themen im Wahlkampf zur Sprache bringen. Sie ist überzeugt davon: „Je mehr sich die wirtschaftliche und soziale Situation zuspitzt, umso wichtiger wird die Linke“.

Zurzeit arbeitet sie ihren Parteifreunden im Untersuchungsausschuss des Bundestags zur Drohnen-Affäre zu. So pendelt sie zwischen der Metropole und Tübingen.

Wenn dann der ICE aus dem Berliner Hauptbahnhof rollt und Fahrt gen Westen aufnimmt, setzt sie sich den Kopfhörer auf und stöpselt ihn in ihr Abspielgerät ein. Claudia Haydt ist nämlich begeisterte Hörbuchhörerin – „vorzugsweise Krimis“, sagt sie und lacht. Zum Krimi allerdings scheint der heißen Wahlkampfphase das Format zu fehlen.

Politik in Schlagworten

Parteieintritt: 2007 Motivation für politisches Engagement: Humanismus und Optimismus Persönliche Themenschwerpunkte: Friedens- und Europapolitik Größter persönlicher politischer Erfolg: als ich für meinen Verein, die Informationsstelle Militarisierung (IMI), den Aachener Friedenspreis entgegennehmen durfte Hauptaufgabe der neuen Bundesregierung: eine soziale Innenpolitik und eine solidarische, friedfertige Außenpolitik zu realisieren Hauptmanko der jetzigen Koalition: Die Merkelsche Krisenpolitik isoliert Deutschland in Europa und gefährdet den Europäischen Gedanken. Persönliches Wahlziel: Ich wünsche mir, dass Die Linke im Wahlkreis nach dem 22. September gestärkt ist, dass sie mehr Mitglieder hat als heute und dass es mir gelingt, zu vermitteln: die Politik von Schwarz-Gelb ist nicht alternativlos.