Lokales

Mit „Stäbchen Essen“ und gleichzeitig fernsehen

Kreiskrankenhaus PlochingenOperation - OP - Arzt - Patient
Kreiskrankenhaus PlochingenOperation - OP - Arzt - Patient

Plochingen. 8.30 Uhr. Im hellgrün gekachelten OP-Saal der kleinen, aber feinen Plochinger Klinik auf dem Stumpenhof liegt ein Leistenbruch auf dem OP-Tisch. „Der Leis­tenbruch ist eine typisch männliche Erkrankung“, erklärt der Chefarzt der Allgemein- und Viszeralchirurgie der Kreiskliniken Nürtingen-Kirchheim und Plochingen, Dr. med. Klaus Kraft. Rund 300 000 Leistenbrüche jährlich in Deutschland verzeichnet die Statistik.

Der ältere Herr ist mit sterilen blauen Tüchern gut abgedeckt und befindet sich in tiefem Narkoseschlaf. Das Operationsteam mit Dr. Kraft an der Spitze, Dr. med. Gerhard Knospe, seinem Vertreter in Plochingen, OP-Schwester Marion und die Anästhesisten, ebenfalls in blauen sterilen Mänteln, bereiten die minimalinvasive Operation vor, auch als sogenannte „Schlüsselloch-Operation“ bekannt. „Wir gehen nicht durch die Tür ins Zimmer, sondern kommen durchs Schlüsselloch und können uns dann aber ungestört darin umschauen“, greift Chefarzt Dr. Kraft das Synonym auf und rückt das Missverständnis zurecht, der Chirurg sehe mit dieser schonenden Operationsmethode weniger vom Innenleben des Patienten.

Durchs „Schlüsselloch“ in den Körper einzudringen, das heißt für den Chirurgen zunächst einmal den Bauchraum des Patienten mit Gas zu füllen. Danach sieht er aus wie ein prall gefüllter Luftballon. Dann führt Dr. Kraft durch drei winzige Schnitte drei fünf Millimeter starke Röhrchen (Tokare) in die Bauchhöhle ein: eines für die Kamera, die Dr. Knospe bedient, und zwei für die Instrumente des Operateurs. Die minimalinvasive oder auch wegen des Blicks durch die Kamera lapa­roskopische Chirurgie genannt, stellt ganz andere Anforderungen an den Chirurgen als die offene Methode. Wie Essen mit Stäbchen und gleichzeitig Fernsehschauen, „das erfordert eine sogenannte Hand-Augenentkopplung“, sagt Kraft, der seit über 20 Jahren mininimalinvasiv operiert und in Europa, Asien, Afrika und Südamerika Vorträge darüber hält.

Auf dem Bildschirm am Fußende des Patienten werden sehr schön die Organe im Bauchraum sichtbar. Die linke und die rechte Leber, das Zwerchfell, hinter dem die Herzbewegungen wahrnehmbar sind, weiter unten das Loch in der Leistengegend. Hier besteht die Gefahr, dass sich der Darm in diesem Loch einklemmt. Das weiß der Chirurg zu verhindern. Er zieht durch eines der Röhrchen ein hauchdünnes und federleichtes Polypropylen-Netz in die Bauchhöhle, legt dieses von innen vor das Loch des Leistenbruchs und verschließt ihn damit von der Seite, von welcher der Bauchdruck bei Belastungen kommt. Damit ist der Bruch ein für allemal verschlossen.

Im Rendezvous-Verfahren, ein Trokar wird mit dem anderen verbunden, zieht Dr. Klaus Kraft Nadel und Faden in die Bauchhöhle und verschließt mit einer Schlingennaht das Bauchfell. Dann verknotet er die beiden Enden, zieht die kleine halbrunde Nadel heraus, jetzt folgen die Instrumente, die Kamera und die Röhrchen. Das Gas entweicht aus dem Bauch. Auf der Bauchdecke selbst sind kaum Operationsspuren zu erkennen. Die kleinen Wunden verschließt der Chirurg mit Sekundenkleber. Der minimalinvasive Eingriff ist nach einer guten halben Stunde beendet. Und der Patient, der von alledem nichts mitbekommen hat, „darf ab morgen wieder Kisten heben“, sagt der Chefarzt. Währenddessen packt OP-Schwes­ter Marion die benutzten Instrumente in Kisten. Sie werden im Klinikum Nürtingen sterilisiert.