Lokales

Mobilfunkmast erhitzt Gemüter

Bürgerversammlung in Neidlingen: Standort am Wasserbehälter im Visier

„Das war eine runde Geschichte“, freute sich Neidlingens Bürgermeister Klaus Däschler, als am Freitagabend seine erste Bürgerversammlung hinter ihm lag. Rund 180 Neidlinger waren der Einladung dazu in die Reußensteinhalle gefolgt – fast jeder zehnte Einwohner der rund 1800 Einwohner zählenden Biosphärengemeinde.

Zahlreiche Interessierte fanden den Weg in die Reußensteinhalle. Vor allem das Vorhaben von Vodafone beschäftigte sie.Foto: Deni
Zahlreiche Interessierte fanden den Weg in die Reußensteinhalle. Vor allem das Vorhaben von Vodafone beschäftigte sie.Foto: Deniz Calagan

Neidlingen. Bei der Bürgerversammlung zeigte sich, dass ein Thema die Neidlinger mehr als alle anderen umtreibt: Das Vorhaben des Telekommunikationsunternehmens Vodafone, in Neidlingen eine weitere Mobilfunksendeanlage aufzustellen.

Bürgermeister Klaus Däschler hatte hierzu als Referenten den unabhängigen Sachverständigen Dietrich Ruoff eingeladen. Der Elektrotechniker hatte im Auftrag der Gemeinde die Strahlenbelastung der Neidlinger unter die Lupe genommen, den Ist-Zustand erfasst und mittels moderner Computermodelle mögliche Standorte für den neuen Sender ins Auge gefasst. „Vodafone wird eine Anlage bauen – mit oder ohne unsere Unterstützung“, gab sich Däschler in seiner Einleitung zunächst pragmatisch. „Wenn wir mitmachen, können wir die Entwicklung ein wenig lenken“, so seine Hoffnung. Seine Zielrichtung ist deutlich: „Wir wollen keine weiteren Masten im Ortskern, sondern eher eine Reduzierung.“

Experte Ruoff hält eine solche Entwicklung durchaus für möglich, allerdings müssten hierfür zunächst die langfristigen Verträge der bisherigen Anlagen im Ort auslaufen. Vier Standorte für Mobilfunk gibt es derzeit in Neidlingen: Die ehemalige Fernsehanlage auf dem Erkenberg, über den auch die Rettungsdienste alarmiert werden, den in der Ortsmitte gelegenen Standort in der Kirchstraße, beim Skisportverein sowie nördlich im Gewerbegebiet. Vor allem der Mast in der Kirchstraße sorgt derzeit für eine starke Strahlenbelastung.

Vodafone sucht nun nach einem neuen Standort, da der vom Unternehmen mitbenutzte Mast am Erkenberg statisch an seine Grenzen gekommen ist: Die Einrichtungen auf dem 35 Meter hohen Mast lassen keine Erweiterungen mehr zu.

Ein Neubau des Mobilfunkmastes am Erkenberg als möglicher Alternativstandort fiel inzwischen durch das Raster – zu teuer wären die Erschließungskosten für einen neuen Mast in dem unwegsamen Gelände. „Man muss immer zwischen den Emissionen einerseits und den Wünschen der Mobilfunkbetreiber andererseits abwägen“, warb Ruoff für einen Kompromiss. Der könnte ein Standort am Wasserbehälter sein. Die Erschließungskosten wären dort niedriger, zugleich wäre eine gute Netzabdeckung gewährleistet. Und die meist hohe Strahlenbelastung in der Nähe der Anlage durch Nebenstrahlen würde auf unbebautes Gebiet fallen.

Eine weitere Alternative, ein Standort am Schönbuchrand, würde dagegen die vom Betreiber erwünschte Netzabdeckung verfehlen. „Der Südosten von Neidlingen wäre unterversorgt, zugleich hätten wir mit einem Standort am Schönbuch höhere Strahlungswerte am Ortsrand“, sprach sich Ruoff klar gegen diesen Standort aus. Bleibt die Option Wasserbehälter. Optimal erscheint derzeit ein Standort etwa 80 bis 90 Meter nordöstlich des Behälters.

Einige Bürger stellten dagegen die Grundsatzfrage, ob ein neuer Mast überhaupt benötigt wird. Vodafone will damit das Versenden höherer Datenmengen im schnellen LTE-Standard ermöglichen. „Wir sollten abstimmen, ob das in Neidlingen überhaupt erwünscht ist“, so eine Wortmeldung. „Man muss nicht alles tun, was die Technik ermöglicht.“ Auch gesundheitliche Bedenken wurden vorgebracht. „Vodafone ist trotzdem berechtigt, das zu machen. Und

Ziel ist es, die Belastung im Ort zu reduzieren

auch ohne eine Zusammenarbeit werden sie früher oder später einen Standort finden – dann aber vielleicht wieder im Ort“, mahnte Däschler. An einem neuen Standort könnten dagegen die Anlagen mit der Zeit gebündelt und so die Strahlenbelastung im Ortskern reduziert werden.

Kalt hingegen lässt die Neidlinger bisher das Vorhaben des Energieversorgers EnBW, das Gasnetz in Neidlingen auszubauen. In der Weilheimer Straße liegt bereits eine Versorgungsleitung, im kommenden Jahr soll dieses „Rumpfnetz“ in der Immenstraße und in einem Teil der Widerholtstraße erweitert werden. Um künftige Kunden warben bei der Bürgerversammlung gleich zwei Referenten: Mathias Butzer und Rudolf Schiller. Konkrete Neuigkeiten zum Gasnetz in Neidlingen waren dabei kaum zu erfahren, stattdessen informierten die EnBW-Mitarbeiter eher allgemein über moderne Heizungsanlagen und die gesetzlichen Vorgaben zur energetischen Sanierung. Um die Neidlinger vom Erdgas zu überzeugen, braucht die EnBW augenscheinlich noch einen langen Atem: Hatten sich vor der Bürgerversammlung durch eine Umfrage vier Neidlinger gemeldet, bekundeten nach der Versammlung 14 Bewohner ihr Interesse am Gas, was auch an den Anschlusskosten liegen könnte.

Im letzten Teil der Versammlung stellte Däschler eine Bilanz seiner bisherigen Amtszeit vor. Seit dem 1. März ist der langjährige Gemeinderat Bürgermeister Neidlingens. Ein „absolutes Ärgernis“ sei dabei der Hangrutsch am Mühlbach gewesen, der aber bis Ende des Jahres vollends abgearbeitet werden soll. Auf das neue Baugebiet Schießhütte müssten die Neidlinger dagegen noch einige Jahre warten. Zunächst soll geprüft werden, was die Gemeinde die Erschließung kosten wird. „Im Haushalt müssen wir auf Sicht fahren“, sagte Däschler. Auch wenn die jüngsten Zahlen für staunendes Raunen in der Reußensteinhalle sorgten: Statt kalkulierter Gewerbesteuereinnahmen von 750 000 Euro können die Neidlinger nach dem aktuellen Messbescheid mit 1,9 Millionen Euro rechnen. „Das Polster ist jetzt natürlich besser“, freute sich Däschler über die guten Zahlen. Und so konnte er doch einige Zukunftsprojekte versprechen: Zum Beispiel soll die Sanierung des Schulhofes und der Veitstraße kommen, auch die Waldwege sollen gerichtet werden. „Aber sicher nicht alle auf einmal.“