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„Ohne Schulabschluss keine Chance“

Hausaufgabenbetreuung: Sonja Adducchio gehört zu den Anwärtern auf den Ehrenamtspreis

Seit neun Jahren hilft Sonja Adducchio Grundschulkindern, die eine individuelle Unterstützung benötigen, bei ihren Hausaufgaben. Das Angebot der 55-Jährigen ist für die Eltern kostenlos, ihr ehrenamtliches Engagement läuft eher im Verborgenen ab. Die Dettingerin gehört zu den zehn Anwärtern auf den Ehrenamtspreis.

Sonja Adducchio hilft seit neun Jahren Dettinger Grundschulkindern bei ihren Hausaufgaben.Foto: Jean-Luc Jacques
Sonja Adducchio hilft seit neun Jahren Dettinger Grundschulkindern bei ihren Hausaufgaben.Foto: Jean-Luc Jacques

Dettingen. Lea war beim Zahnarzt – hoch konzentriert schreibt der kleine Samuel diesen Satz in sein Schulheft. Nebenan versucht sich derweil Leon im Rechnen. „74 plus 63 ist gleich 137. Stimmt das, Frau Adducchio“, fragt der Zweitklässler. „Ja, das ist richtig. Das hast du ganz prima gemacht“, lobt Sonja Adducchio ihren Zögling.

Zwei Mädchen und sechs Buben haben sich an diesem Nachmittag in der Dettinger Grundschule eingefunden, um unter der Aufsicht von Sonja Adducchio aus Dettingen ihre Hausaufgaben zu erledigen. Jeden Dienstag von 14 bis 15.30 Uhr unterstützt die 55-jährige gelernte Arzthelferin, die 25 Jahre lang in einer Kinderarztpraxis in Wernau gearbeitet hat, die Dettinger Grundschulkinder beim Lesen, Schreiben und Rechnen. Insgesamt betreut die Dettingerin derzeit 13 Schüler von der ersten bis zur vierten Klasse. Für die Eltern ist das Angebot kostenlos.

Die Kinder, die Sonja Adducchio „unter ihren Fittichen hat“, nehmen auf Empfehlung der Klassenlehrer an der Hausaufgabenbetreuung teil. „Es handelt sich dabei nicht unbedingt um Schüler mit einer Lernschwäche, und sie kommen auch nicht immer aus schwierigen familiären Verhältnissen“, erklärt die Dettingerin. „Die Kinder haben einfach manche Defizite, zum Beispiel wegen mangelnder Konzentration, und brauchen deshalb eine zusätzliche individuelle Betreuung.“

Etwa die Hälfte der Schüler, um die sich die gelernte Arzthelferin kümmert, stammt aus Familien mit Migrationshintergrund. „Oft sprechen die Eltern kein Deutsch, weshalb sie ihren Kindern bei den Hausaufgaben nicht helfen können“, erzählt die 55-Jährige. Andere Eltern wiederum hätten nur wenig Zeit, um mit ihren Kleinen das Addieren und Subtrahieren zu üben. „Sie sind berufstätig und manchmal auch alleinerziehend“, fügt Sonja Adducchio hinzu, die seit neun Jahren die Dettinger Hausaufgabenbetreuung übernimmt und in dieser Zeit schon zahlreichen Schülern helfen konnte.

Angefangen hatte ihr Engagement, als in ihrer Nachbarschaft in Dettingen eine italienische Familie einzog. Die Kinder waren im Grundschulalter – und konnten kein Wort Deutsch. „Sie benötigten dringend Hilfe“, erinnert sich die 55-Jährige, die mit einem Italiener verheiratet ist und die Sprache deshalb gut beherrscht. „Bei mir zu Hause habe ich die Kinder dann betreut. Vor allem bei der Tochter gab es größere Schwierigkeiten. Die Lehrer diskutierten darüber, ob sie auf der Förderschule nicht besser aufgehoben wäre.“ Sonja Adducchio konnte die Pädagogen aber schließlich vom Gegenteil überzeugen: Mit ihrer Hilfe machte das Mädchen große Fortschritte und durfte weiterhin die Grundschule besuchen. Heute ist die junge Frau 17 Jahre alt und absolviert eine Ausbildung zur Friseurin.

„Günther Bosch, Schulleiter der Dettinger Grund- und Werkrealschule, hat mich vor neun Jahren angesprochen, weil in Dettingen der Bedarf für eine Hausaufgabenbetreuung besteht“, erzählt Sonja Adducchio. „Er hat es mir zugetraut, und ich erklärte mich sofort dazu bereit.“ Seither ist die 55-Jährige, die dem Dettinger Kirchengemeinderat angehört, als Hausmeisterin im evangelischen Gemeindehaus im Pfarrgarten tätig ist und sich an zwei Nachmittagen in der Woche um die Kleinen des örtlichen Schülerhorts kümmert, auch bei der Hausaufgabenbetreuung mit Herzblut bei der Sache.

„Es ist unheimlich wichtig, dass die Kinder gefördert werden. Denn nur so besteht die Möglichkeit, dass sie einen Schulabschluss schaffen“, verdeutlicht die Dettingerin. „Ohne einen Abschluss haben die Schüler überhaupt keine Chance im Berufsleben.“ Ein weiteres Anliegen ist ihr aber auch, Werte wie Respekt und Rücksichtnahme zu vermitteln. So greift sie ein, wenn die Kinder zum Beispiel Schimpfwörter benutzen oder laut und unruhig werden. „Die Hausaufgabenbetreuung soll nicht allzu streng sein. Aber die Kinder sind manchmal sehr lebhaft und unkonzentriert.“ Da müsse man schon ab und zu durchgreifen und den Kleinen zeigen, wie man sich anständig verhält.

In einem Buch schreibt sich Sonja Adducchio nach jeder Hausaufgabenbetreuung auf, welche Fortschritte es bei den Schülern gibt, welche Defizite sie noch haben und welche Kinder an der Betreuung teilgenommen haben. Diese Informationen reicht sie anschließend an die Klassenlehrer weiter. Mit ihnen unterhält sie sich dann gezielt über die einzelnen Kinder, um ganz individuell auf sie eingehen zu können. „Die Zusammenarbeit mit den Lehrern klappt ganz toll.“

Immer wieder gebe es für die Kinder während der Hausaufgabenbetreuung Erfolgserlebnisse, fügt Sonja Adducchio hinzu. „Ich erlebe oft, dass der Knoten platzt. Und es gibt kein Kind, das nicht gerne kommt.“

Auch Günther Bosch sieht die Hausaufgabenbetreuung als große Bereicherung an. „Das Lehrerkollegium, die Eltern und ich sind sehr froh, dass wir Sonja Adducchio haben“, unterstreicht der Schulleiter. Der Lern­erfolg bei den Kindern könne sich sehen lassen. „Die Schüler machen kleine Fortschritte auf ihrem jeweiligen Lernstand.“

Sonja Adducchio jedenfalls möchte sich noch so lange sie kann um die Dettinger Grundschulkinder kümmern. „Es hält mich selbst ja auch fit“, sagt sie schmunzelnd. Außerdem erhalte sie von den Kindern sehr viel Dankbarkeit. „Sie spüren und schätzen es, dass man sich für sie interessiert und ein Herz für sie hat.“