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Saitenweise Faszination

Karsten Leimstoll hat die Gitarren für sich entdeckt – Liebe zur Musik hat Familientradition

Karsten Leimstoll hat die Gitarren in all ihren Facetten für sich entdeckt. Foto: Jean-Luc Jacques
Karsten Leimstoll hat die Gitarren in all ihren Facetten für sich entdeckt. Foto: Jean-Luc Jacques

Notzingen. Spät, aber dafür umso heftiger hat Karsten Leimstoll die Leidenschaft für die Gitarre gepackt. Ganz verwunderlich ist die späte Liebe des 70-Jährigen jedoch nicht: Sein Vater, Günther Leim­stoll, war

Leader der gleichnamigen Band, die vor allem in Baden-Württemberg keine Unbekannte war, und gefragter Gitarrist, der auch bei Erwin Lehn und seinem Südfunk-Tanzorchester spielte. „Alles, was damals Rang und Namen hatte, war bei uns zu Hause zu Gast, beispielsweise Caterina Valente oder Roberto Blanco“, erzählt Karsten Leimstoll. Oder auch Schlagerstar Bibi Johns. „Als die gemeinsamen Aufnahmen zu Ende waren, hat mein Vater sie zu uns eingeladen – und hat damit, wie so manches Mal, meine Mutter mit einem Gast überrascht“, erinnert sich der 70-Jährige.

Zu dieser Zeit lebte die Familie in Stuttgart. „Nach dem Krieg war die Stadt wegen der amerikanischen Besatzungszone so etwas wie das Zentrum für Jazz in Deutschland. Mein Vater hat dort im Offiziersclub gespielt“, zeigt Karsten Leimstoll die historischen Hintergründe auf. Irgendwann gründete er dann seine eigene Combo. „Ich habe den Schlagzeuger in der Band meines Vaters, den alle nur Bimbo nannten, angehimmelt“, verrät Karsten Leimstoll, der seit zwölf Jahren in Notzingen lebt. Zunächst entschied er sich „sehr zum Leidwesen der Nachbarn“ für die Trompete. „Weil ich aber nirgends mitspielen konnte, habe ich nach einem Jahr aufgehört und dafür mit Schlagzeug angefangen“, erzählt er. Als dann Horst Jankowski, Komponist des internationales Hits „Eine Schwarzwaldfahrt“, dringend einen Schlagzeuger suchte, empfahl ihn sein Vater mit den Worten: „Dann nimm doch meinen Jungen.“ Die Premiere klappte prompt zur beiderseitigen Zufriedenheit und seitdem kann Karsten Leimstoll dank des entscheidenden Tipps – den Akzent auf die Zwei des Dreivierteltakts setzen – auch perfekt zum Walzer aufspielen.

Obwohl er sich als Schlagzeuger in jungen Jahren „richtig reingehängt“ hat, war lange Zeit musikalische Sendepause. Die Prioritäten waren klar verteilt auf Beruf, Segeln und später die Reiterei. Während eines Griechenland-Urlaubs hörte er eines Tages auf dem Boot nebenan „wunderschöne Gitarrenklänge“, die ihn tief berührt und alte Erinnerungen geweckt haben. „Die Gitarre hat mich nie wirklich losgelassen, seit ich meinem Vater beim Üben viel über die Schulter geschaut habe“, sagt Karsten Leimstoll. Schließlich kaufte er sich aus einer Laune heraus ein Instrument und spielte immer mal wieder. Auf Unterricht verzichtete er – schließlich wusste er ja vom Zuschauen, wie‘s geht. Als er dann die Gitarren seines Vaters vererbt bekam, übten die Saiteninstrumente eine immer größere Faszination auf ihn aus. So richtig in Schwung kam die Gitarren-Leidenschaft dann im Oktober 2009 mit dem Bau des eigenen Instruments. „Zehn Tage habe ich in einem Kurs daran gebaut, dann war meine zu drei Vierteln fertig“, so der Notzinger. Es sollte noch bis März dauern, ehe die Gitarre in Etappen in der heimischen Werkstatt komplett fertig war.

Seitdem ist Karsten Leimstoll mit dem Gitarren-Virus infiziert. Ihn packte der Ehrgeiz, möglichst alles über dieses Instrument zu erfahren. „Ich bin handwerklich geschickt und ich wollte was Sinnvolles in meinem Ruhestand machen“, erzählt Karsten Leimstoll. So tastete er sich Schritt für Schritt vor und entlockte den Instrumenten ihre Geheimnisse. Gute Basis dafür war der Selbstbau-Kurs. Der Tag ist nun gut ausgefüllt, denn der 70-Jährige ist mit dem „Gitarren-Atelier“ durchgestartet und vertreibt dazu noch die einen oder anderen Waren, die nichts mit Musik zu tun haben.

Im Internet ist er immer auf der Suche nach besonderen und vor allem günstigen Instrumenten. Ist der Lack ein bisschen ab, die Saiten nicht mehr vorhanden oder auch die Decke gesprungen – kein Problem für den geschickten Handwerker, er repariert so ziemlich alles. „Die hier war ein richtig hässliches Entlein mit einem fürchterlichen Riss. Glücklicherweise war die Gitarre so fotografiert, dass ich mir ziemlich sicher war: die ist massiv. Ich habe sie ersteigert – und sie war der Griff meines Lebens“, freut er sich immer noch über diesen Fang. Mühsam hat er mit der Ziehklinge den unschönen Lack abgekratzt und über Wochen das Instrument repariert. Der Riss ist jetzt erst auf den dritten Blick zu erkennen und die Gitarre sein unverkäufliches Lieblingsstück geworden. „Ich kann mich so was von freuen, wenn ich ein ramponiertes Instrument wieder auf Vordermann gebracht habe, es in alter Schönheit erstrahlt und ihm tolle Klänge zu entlocken sind. Das macht mir richtig doll Spaß“, sagt Karsten Leimstoll, der genau weiß, welche Stücke er sucht.

Importe aus Fernost sucht man bei ihm vergebens, er hat sich auf das klassische Gitarrenland spezialisiert: Spanien. Deshalb sind im Gitarren-Atelier nicht nur bestens reparierte Exemplare zu finden, sondern auch original spanische. Kaufinteressierte finden Instrumente in unterschiedlichen Qualitäten und Preisklassen, dazu in verschiedenen Holzarten. Für Anfänger gibt es Leihgitarren, für Kinder das Ganze im kleineren Format. Karsten Leimstoll freut sich, gebrauchte Gitarren günstig anbieten zu können, sodass auch Menschen mit schmalem Geldbeutel sich das Hobby leisten können.

Er bietet auch Reparaturen an. „Viele Gitarren haben schlechte Mechaniken. Ich mache neue drauf und schon ist das Instrument unheimlich verbessert“, weiß er aus Erfahrung. Neue Stegeinlagen sind für ihn ebenfalls kein Problem. Er feilt so lange an dem Rinderknochen, bis er zum Instrument passt und ein schöner Klang entsteht. Auch die Verbesserung der Saitenlage ist für ihn kein Problem. Überhaupt die Saiten: Die bezieht er direkt aus Argentinien, egal, ob für Mandoline, Ukulele oder auch Violinen.

„Spanien ist zwar das klassische Gitarrenland, doch irgendwie ist die Musik dort stehen geblieben. Argentinien und Brasilien haben sie weiterentwickelt – und die klassische Musik ist viel facettenreicher geworden“, erklärt Karsten Leimstoll. Keine Frage, dass er nicht nur selbst Gitarre spielt, sondern auch ebensolche Musik hört. Sein Favorit ist Carlo Ambrosio.

Karsten Leimstoll, Mozartstr. 24, Notzingen, Musiker u. Gitarren
Karsten Leimstoll, Mozartstr. 24, Notzingen, Musiker u. Gitarren