Lokales

„Sicherheit ist wichtig“

Bewohner im Kirchheimer „Nägelestal“ leiden unter der Parkplatznot

Abendstimmung im Nägelestal, doch keine Spur von Beschaulichkeit: Knallrote Feuerwehrfahrzeuge klemmen zwischen abgestellten Pkws und Hecken, Menschenmassen diskutieren im Wacholderweg. – Anlass für das nachmittägliche Treffen in relativ aufgeheizter Atmosphäre ist die eklatante Parkplatznot im Wohngebiet.

Nägelestal - Parkplatzsituation mit Feuerwehr und Verwaltung
Nägelestal - Parkplatzsituation mit Feuerwehr und Verwaltung

Irene Strifler

Kirchheim. Sicherheitsprobleme nennt das Ordnungsamt als Grund dafür, dass der Wacholderweg im Nägelestal als Feuergasse ausgewiesen wurde. Dies verstärkt das Parkproblem weiter, denn von den ohnehin schon raren Parkplätzen sind erneut einige weggefallen. Anwohner, die abends von der Arbeit mit dem Pkw heimkehren, suchen seither noch länger nach einem Stellplatz.

Auch im höher gelegenen alten Nägelestal wächst der Ärger. Das Wohngebiet entstand in den 50er-und 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts bei der ehemaligen Ziegelei Schimming. Viele wohnen seit einem halben Jahrhundert dort. Seit Kurzem müssen sie jedoch mit dem Phänomen zugeparkter Einfahrten Bekanntschaft machen: Parkplatzsuchende weichen auf die dortigen Straßen aus.

Auf Einladung der Stadtverwaltung Kirchheim zeigte nun die Feuerwehr vor Ort in imposanter Weise, was es bedeutet, wenn Rettungsfahrzeuge nicht durchkommen. Zahlreiche Anwohner waren der Einladung mit Interesse gefolgt und nutzten die Gelegenheit zum Austausch von Argumenten mit Bürgermeister Günter Riemer, Ordnungsamtsleiter Marcus Deger und weiteren Vertretern der Stadt.

Anwohner bestätigen: Schon lange gibt‘s regelmäßig Probleme, wenn sich das Müllfahrzeug durch die engen, zugeparkten Gassen quälen muss. Schlimmere Folgen als stehen gelassene Mülleimer sind dann zu befürchten, wenn Löschfahrzeuge oder Krankenwagen nicht durchkommen. „Wenn‘s um Menschenleben geht, hört der Spaß auf“, machte Bürgermeister Günter Riemer den Ernst der Lage klar und warb um Verständnis: Die einzige Lösung sei gewesen, eine Feuergasse auszuweisen. Doch für diese Anordnung habe die Stadtverwaltung in Mails und Anrufen eine Menge Schelte kassiert. „Wir wissen, dass viele mit dieser Lösung nicht zufrieden sind“, zeigte Günter Riemer Verständnis für die Anwohner. Teilweise müssen sie mehrere hundert Meter von ihrem fahrbaren Untersatz zu ihren Häusern zurücklegen. Anstatt sich „als Idioten abstempeln zu lassen“, suchten die Verwaltungsvertreter nun das Gespräch und wollten die Hintergründe für die Feuergassen-Entscheidung aufzeigen.

Dafür waren vor allem Stadtbrandmeister Roland Schultheiß und seine Leute zuständig. Die Floriansjünger hatten einen Teil ihres Fuhrparks mitgebracht. In Millimeterarbeit schob sich die Löschfahrzeug-Karawane im Schneckentempo durch den Wacholderweg. Das Sträßlein war extra durch parkende Fahrzeuge eingeengt worden.

„Wir haben hier ein Riesenproblem“, erläuterte Roland Schultheiß, „wenn wir mit fünf, sechs Autos anrücken, ist im Nu alles dicht.“ Die Feuerwehrfahrzeuge sind allein schon 2,5 Meter breit. Beidseits wird außerdem noch ein Meter Platz benötigt, um die Hilfsmittel schnell herausnehmen zu können. Soll die Drehleiter zum Einsatz kommen, ist sogar noch mehr Raum vonnöten, damit die Stützen ausgefahren werden können.

Dass es sich hier nicht um ein an den Haaren herbeigezogenes Horrorszenario handelt, macht ein Blick in die Statistik klar: Der letzte Einsatz im Nägelestal liegt gerade mal zehn Tage zurück. Er galt einem Wohnzimmerbrand im Schimmingweg zu mitternächtlicher Stunde.

„Sicherheit ist wichtig, das leuchtet jedem ein“, argumentierte ein Anlieger. Was ihn und seine Mitstreiter jedoch ärgere, sei die Tatsache, dass die Stadt das Parkplatzproblem entgegen anderslautender Versprechungen nie angegangen habe. So sei eine Informationsveranstaltung im Ludwig-Uhland-Gymnasium ohne Konsequenzen geblieben.

Bürgermeister Günter Riemer verwies darauf, dass zum einen im Parkhaus am Eingang zum Wohngebiet durchaus noch einzelne Plätze zu haben seien. Sie werden für etwa 40 Euro im Monat vermietet. Alternativ denkt die Stadt darüber nach, an der Nürtinger Straße über dem dortigen Regenüberlaufbecken einen Platz auszuweisen, auf dem die Nägelestal-Bewohner parken können. Um Missbrauch zu vermeiden, ist derzeit eine Parkgebühr im Gespräch. Im Zuge des Satzungsbeschlusses für den Hegelesberg steht das Thema schon in der nächsten Gemeinderatssitzung auf der Tagesordnung.

„Kostenpflichtige Parkplätze, das geht gar nicht“, machte ein Anwohner unter Beifall der Umstehenden seinem Ärger Luft. Schließlich sei das Nägelestal nicht gerade ein billiges Wohngebiet, für die Quadratmeterpreise dürfe man mit Fug und Recht Parkmöglichkeiten umsonst erwarten.

„Uns fehlen echte Lösungsansätze“, kritisierten die Anwohner die Verwaltung und brachten spontan einige Areale rundum als mögliche Abstellflächen ins Gespräch. Das angrenzende Naturschutzgebiet kommt jedoch für einen Parkplatz ebenso wenig infrage wie der Kinderspielplatz. Immerhin gibt es ein bisschen Luft, sobald die Glascontainer im unteren Bereich des Schimmingweges an einen anderen Ort versetzt sind. Seit die Feuergasse besteht, hat der Bürgermeister auch schon beobachtet, dass der eine oder andere Stellplatz auf privater Fläche angelegt und so manche Garage leergeräumt wurde, um wieder ihrer Bestimmung gemäß Platz fürs Auto zu bieten.

„Gebiete, in denen es so eng zugeht, werden wir nicht mehr anlegen“, verweist Günter Riemer auf die Entstehungsgeschichte des Nägelestals. Der Bebauungsplan stammt aus den frühen 90er-Jahren, einer Zeit, in der der Fall des eisernen Vorhangs den Druck auf den Wohnungsmarkt extrem verstärkt hatte. Die Landesverordnung, wonach jeder Wohneinheit ein Stellplatz zugeordnet sein muss, sei durchaus umgesetzt. Vielerorts sei der Parkdruck ein Thema. Allerdings gelte für neuere Gebiete eine Entfernung von bis zu 250 Metern vom Haus zum Auto als unproblematisch. Das jedoch wird durchaus kontrovers diskutiert.

Unlösbar, aber lehrreichKommentar

Man kann die Anwohner im Nägelestal gut verstehen: Nicht in der Nähe des eigenen Hauses oder der Wohnung parken zu können und Tag für Tag erneut auf Parkplatzsuche gehen zu müssen, das mag vielleicht in Innenstädten selbstverständlich sein, am Stadtrand nervt es einfach kolossal. Die Attraktivität der Wohnlage Nägelestal basiert nicht zuletzt entscheidend auf der Nähe zur A 8, über die viele täglich ihren Arbeitsplatz erreichen. Autofahren ist hier selbstverständlich, ja geradezu unabdingbar, Etikett „fahrradfreundliche Stadt“ hin oder her.

Man kann aber auch die Verwaltung verstehen: Der Bebauungsplan Nägelestal gilt schon länger, als die meisten Angestellten und Ratsmitglieder im Amt sind. Er stammt aus Zeiten, als ganze Familien nur ein Auto hatten und Garagen noch nicht durch Rennräder, Surfutensilien und Bobbycars blockiert wurden. Angebote zur Linderung des Parkdrucks erzeugen keine Hurra-Rufe, etwa der Verweis auf freie Tiefgaragenparkplätze oder die Idee, einen – wohl kostenpflichtigen – Sammelparkplatz zu schaffen. Also scheint es im Nägelestal eben doch nicht so schlimm zu sein wie etwa in der Münchner City.

Erst recht kann man die Feuerwehr verstehen: Menschenrettung hat oberste Priorität, und da darf es nicht passieren, dass Rettungsfahrzeuge von parkenden Autos aufgehalten werden.

Kurzum: Im Nägelestal kann allenfalls das Verständnis füreinander geschärft werden. Das Parkproblem lässt sich jedoch nicht zur Zufriedenheit aller lösen. Dennoch können und sollten aus dem Nägelestal Lehren gezogen werden für die Anlage aktueller Baugebiete, um andernorts genau diese Konflikte zu vermeiden, die täglich für Ärger und Unfrieden vor Ort sorgen und zudem die Sicherheit gefährden.IRENE STRIFLER