Lokales

Spuren der Römer am Aichelberg

In der Nähe der Autobahnausfahrt Weilheim haben archäologische Grabungen begonnen

Archäologen des Landesdenkmalamts haben an der künftigen ICE-Neubaustrecke römische Siedlungsspuren gefunden. Auch Scherben aus der Eisen- oder Bronzezeit sind aufgetaucht. Jetzt haben die Grabungen begonnen – mit überraschenden Erkenntnissen.

Was für Laien aussieht wie gewöhnliche Steinhaufen oder Tonscherben, erzählt den Archäologen ganze Geschichten: Dr. Andrea Neth
Was für Laien aussieht wie gewöhnliche Steinhaufen oder Tonscherben, erzählt den Archäologen ganze Geschichten: Dr. Andrea Neth vermutet hinter der Steinansammlung einen römischen Brunnen oder eine Latrine (oben). Auch die Scherben und Knochenfunde stammen aus der Römerzeit (unten).Fotos: Deniz Calagan

Aichelberg/Weilheim. Entlang der Autobahn bei Weilheim und Aichelberg türmen sich die Erdhügel. Das hat allerdings nur indirekt mit dem Bau der ICE-Trasse zu tun. Bevor die Bahn mit den Arbeiten beginnt, sind nämlich erst einmal die Archäologen des Landesdenkmalsamts am Zug: Sie nehmen die Grundstücke, die bereits in Bahneigentum sind, systematisch unter die Lupe. „Dazu machen wir so genannte Suchschnitte mit dem Bagger“, erläutert Dr. An­drea Neth, Referentin des Landesdenkmalamts für Trassenprojekte. Diese vier Meter breiten Streifen, auf denen der Humus abgetragen wird, suchen die Experten nach Spuren früherer Besiedlung ab – mit Erfolg: „Gleich am ersten Tag sind wir auf eine römische Fundstelle gestoßen“, berichtet Andrea Neth.

An dieser Stelle, in der Nähe der Autobahnausfahrt Weilheim auf Aichelberger Gemarkung, graben die Archäologen nun großflächig – keine leichte Arbeit: „Der Alb­lehm ist ganz schön schwer“, bemerkt die ehemalige Heilbronner Kreisarchäologin. Trotzdem sind schon einige Scherben und Knochenteile zu Tage getreten. „Viel ist es noch nicht, aber es reicht, um zu sagen, dass es römische Funde sind.“

Auch wenn die Archäologen bislang noch keine Gebäudespuren entdeckt haben, glauben sie daran, dass bei Aichelberg die Römer siedelten. „Hier könnte eine Art römischer Gutshof gestanden haben“, vermutet Dr. Andrea Neth. Ein dunkle Verfärbungen im Boden mit ziegelroten Rändern deutet ihr zufolge auf eine Feuerstelle hin, ein Steinhaufen ein paar Schritte weiter war möglicherweise einmal eine Latrine oder ein Brunnen.

Dass noch keine Steinmauern zutage getreten sind, könnte nach Ansicht von Andrea Neth daran liegen, dass die Römer – anders als landläufig vermutet – in ländlichen Gegenden nicht nur mit Stein, sondern auch mit Holz gebaut haben. „Bei Grabungen auf der Albfläche hat man ebenfalls Spuren römischer Holzgebäude entdeckt“, weiß die Archäologin. „Vielleicht haben wir hier auch so etwas.“ Gerade solche unscheinbaren Spuren einer möglichen Holzbauweise interessieren sie. „Das ist für die Siedlungsgeschichte total spannend.“ Ob sich tatsächlich noch Grundrisse eines Hauses oder eines Hofes finden, bleibt abzuwarten – Holzüberreste sind nach rund 2000 Jahren nämlich wesentlich schwerer zu entdecken als Mauerteile.

Dennoch kann Grabungsleiter Dr. Michael Wagschal – Experte für römische Fundstücke – aus den bislang gefundenen Scherben und Knochenteilen lesen wie aus einem offenen Buch. Ein Stück roten Tons, das für Laienaugen aussieht wie ein zerbrochener Blumenuntertopf, identifiziert er beispielsweise als Teller, der in Zeiten des Römischen Reiches im Elsass gefertigt wurde. Eine helle Scherbe stammt ihm zufolge von einem Krug, der in der Heidelberger Gegend hergestellt wurde. „Darin bewahrten die Römer die feineren Sachen auf“, mutmaßt er.

Dass neben den Resten von Trinkkrügen auch einige Tierknochenteile, also Speisereste, aufgetaucht sind, hat die Archäologen auf die Idee gebracht, dass dort früher wohl hart gearbeitet wurde. An Landwirtschaft glaubt Dr. Andrea Neth nicht: „Dazu ist der Boden zu schlecht“. Vielmehr können sich die Archäologen angesichts der Schiefer- und Sandsteinvorkommen vorstellen, dass es in römischen Zeiten am Aichelberg obertägigen Bergbau gegeben hat. „Der Schiefer könnte zur Dachdeckung gedient haben, die Sandsteine als Baumaterial oder für Reliefs“, so Dr. Michael Wagschal. Auch den ehrenamtlichen Grabungshelfer Willi Holl, einst Chef der Autobahnpolizei Mühlhausen, fasziniert diese Idee. „Aus den Heimatbüchern weiß ich, dass in Gutenberg Tuffstein abgebaut und für Fußbodenheizungen verwendet wurde“, sieht er die Theorie der Archäologen gestützt.

Hätte es am Aichelberg tatsächlich römischen Bergbau gegeben, so wäre das eine absolut neue Erkenntnis. „Hier in der Gegend ist das sonst nicht bekannt“, weiß Dr. Michael Wagschal. Beweise gibt es jedoch nicht. „Das sind nur Spekulationen, die wir nicht belegen können“, betont Andrea Neth. Erschwerend kommt hinzu, dass sich größere Bergwerksgebäude wohl am ehesten nördlich von der Autobahn befunden haben müssten. „Das wäre im Bereich des heutigen, bebauten Aichelberg“, gibt Michael Wagschal zu bedenken – einem Gebiet, in dem Grabungen unmöglich sind.

Spannend sind die römischen Funde am Aichelberg für die Archäologen auch noch aus einem anderen Grund. Dem Grabungsleiter zufolge könnte die Siedlung dort sogar schon vor dem Limes bestanden haben. Neben dem Obergermanisch-Raetischen Limes begrenzten der Neckar-Limes und der Alb-Limes das Römische Reich. Erst 1982 nachgewiesen wurde der Lautertal-Limes, auch als Sibyllenspur bekannt. Dr. Andrea Neth sieht darin auch die Tatsache bestätigt, dass man sich die römischen Grenzen nicht als durchgängigen Wall vorstellen dürfe. Vielmehr gab es Kastellreihen, die auch durchlässig waren.

Drei bis vier Monate werden die Archäologen an der Aichelberger Fundstelle graben, danach ziehen sie weiter zur Weilheimer Grabungsstätte. „Die Funde dort sind allerdings nicht römisch, sondern älter“, sagt Andrea Neth. „Sie stammen aus der Bronze- oder Eisenzeit.“

Ausgrabungen entlang der Autobahn am Aichelberg
Ausgrabungen entlang der Autobahn am Aichelberg