Lokales

Tattoos und Homosexualität

Im Regionalfinale von „Jugend debattiert“ diskutierten Schüler aktuelle Themen

In der Teck-Realschule in Kirchheim wurde wieder einmal das altbekannte Banner mit der Überschrift „Jugend debattiert“ hinter den zwei Rednerpulten aufgestellt. Von diesen aus wurden lebhafte Debatten geführt und anschließend von einer Jury bewertet.

Anna-Lena Volkmann von der Friedrich-Schiller-Schule Neuhausen und Clara Schwarz vom Theodor-Heuss-Gymnasium Esslingen argumenti
Anna-Lena Volkmann von der Friedrich-Schiller-Schule Neuhausen und Clara Schwarz vom Theodor-Heuss-Gymnasium Esslingen argumentieren für ein Verbot von offen sichtbaren Piercings und Tätowierungen bei Polizeibeamten im Dienst. Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Da er „lauter Insider“ im Raum sehe, musste der Rektor der Teck-Realschule, Wolfgang Wörner, sich gar nicht damit aufhalten, lange Reden über den Wettbewerb zu schwingen. „Gute Gedanken, gute Ideen“ wünschte er, und nachdem Regionalverbundkoordinatorin Bärbel Kehl-Maurer den Ablauf erläutert hatte, klingelte zum ersten Mal die Glocke zur Eröffnung der Debatte.

Die jüngeren Debattanten beschäftigten sich dieses Mal mit der Frage, ob offen sichtbare Piercings und Tätowierungen bei Polizisten verboten werden sollen. Anna-Lena Volkmann von der Friedrich-Schiller-Schule Neuhausen und Clara Schwarz vom Theodor-Heuss-Gymnasium Esslingen vertraten die Pro-Seite und belegten damit die vorderen Plätze. „Der erste Eindruck entsteht in einer Millisekunde“, so erläuterte die Erstplatzierte Anna-Lena Volkmann ihr Argument, dass großzügig und sichtbar tätowierte Polizisten manchen Menschen eher Angst machen könnten, statt als „Freund und Helfer“ wahrgenommen zu werden. Ihre Mitstreiterin Clara Schwarz fügte hinzu, dass gerade ältere Mitbürger tätowierte Personen eher mit „Gangstern“ assoziieren würden – nicht unbedingt vorteilhaft für einen Gesetzeshüter.

Ihre in der Bewertung unterlegenen Kollegen Paul Götzl vom Hölderlin-Gymnasium Nürtingen und Liridon Brahimi von der Lützelbachschule Reichenbach beriefen sich vor allem darauf, dass das Verbot „ganz klar eine Verletzung der deutschen Verfassung“ sei. Auch Polizisten müssten ein Recht auf die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit haben. „In welcher Welt leben wir, wenn Aussehen höher bewertet wird als Leistung?“, fragte sich Liridon Brahimi in seiner Schlussrede.

In Altersgruppe eins gar nicht vertreten, waren bei den Debattanten der älteren Altersgruppe gleich zwei Kirchheimer dabei – Akim Yesil und Kenan Güngör vom Schlossgymnasium. Sie und ihre Kontrahenten setzten sich mit einer, wie Bärbel Kehl-Maurer betonte, „ganz aktuellen“ Frage auseinander: Soll das Thema Homosexualität im Bildungsplan des Landes Baden-Württemberg stärker betont werden?

Kenan Güngör und sein Mitstreiter Ricardo Krupinski vom Otto-Hahn-Gymnasium Ostfildern argumentierten für die Kontra-Seite. Sie beriefen sich vor allem darauf, dass Homosexualität und homosexuelle Lebensformen keine „Sonderrolle“ erhalten dürften – eine Normalisierung der Homosexualität werde durch Hervorhebung im Bildungsplan nicht erreicht. Man könne sich außerdem nicht nur auf eine Randgruppe fokussieren, es gäbe schließlich auch beispielsweise Bi- und Transsexuelle, die mehr Akzeptanz nötig hätten. Weiter gaben die beiden zu bedenken, dass man nicht alle Erziehungsaufgaben auf die Schule abwälzen könne, die Lehrer eventuell nicht objektiv genug über das Thema berichten würden und es sowieso nicht garantiert sei, dass die Behandlung von Homosexualität im Unterricht zu einfacheren „Outings“ und weniger Mobbing führt.

Akim Yesil vertrat zusammen mit Florian Spieth vom Theodor-Heuss-Gymnasium Esslingen die andere Seite. „Schule soll allgemeinbildend sein“ – und die Vielfalt an sexuellen Orientierungen gehöre da eben dazu, so der Schüler des Schlossgymnasiums. Florian Spieth erhofft sich eine „Prägung der Jugend“ hin zu mehr Toleranz gegenüber Homosexualität, die durch eine stärkere Betonung des Themas im Unterricht herbeigeführt werden soll. Dass man es „nicht überbetonen“ darf, räumt er allerdings ein. Subjektivität und angemessenen Umgang mit dem neuen Bildungsplan seitens der Lehrer wollen die beiden durch gezielte Schulungen erreichen. In einem sind sich auf jeden Fall alle vier Schüler einig: Unsere Gesellschaft muss bezüglich anderer sexueller Lebensformen toleranter werden.

Bei einer Diskussion auf solch hohem Niveau, wie die Jury lobte, sei es schwer, eine Rangfolge auszumachen. Also gab es in diesem Jahr zwei dritte Plätze, die von den Debattanten der Kontra-Seite belegt wurden. Florian Spieth wurde aufgrund seiner guten Beispiele und seines Fachwissens zum Sieger der Debatte gekürt.

Bis zum nächsten Wettbewerb können sich alle acht Finalisten über eine Fahrt nach Berlin, organisiert von einigen Bundestagsabgeordneten, freuen. Die Sieger und Zweitplatzierten dürfen außerdem auf das „Siegerseminar“ in Bad Liebenzell.