Lokales

Über Werte, Ethik und erfolgreiches Wirtschaften

Pater Dr. Dr. Hermann-Josef Zoche referierte in der Martinskirche zum Thema „Jesus und die Marktwirtschaft“

Noch unter ihrem maroden Dach muss sich die sanierungsbedürftige Martinskirche mit einer ambitionierten Vortragsreihe erste Meriten als interessanter Begegnungsort verdienen, der aus dem Veranstaltungskalender der Stadt nicht mehr wegzudenken sein soll.

Mit einem genügend Material für anschließende Diskussionen sorgenden Impulsreferat eröffnete Pater Dr. Dr. Hermann-Josef Zoche
Mit einem genügend Material für anschließende Diskussionen sorgenden Impulsreferat eröffnete Pater Dr. Dr. Hermann-Josef Zoche die neue Vortragsreihe, deren Erlös der Sanierung der Martinskirche zufließt. Foto: Deniz Calagan

Wolf-Dieter Truppat

Kirchheim. Die Chancen sind eigentlich gut: Bei einer denkwürdigen und das Gotteshaus an seine Kapazitätsgrenzen bringenden Begegnung mit Pater Anselm Grün vor fast genau einem Jahr konnte das ehrwürdige Kirchengebäude schon überzeugend seine Qualitäten als nicht zuletzt auch massenkompatibles Veranstaltungsforum hervorkehren, das gerne auch unbürokratisch sein Kirchenschiff lautstarker Rockmusik für spontan organisierte Benefizkonzerte öffnet.

Dass das Wahrzeichen der Stadt mit einem prognostizierten Sanierungsaufwand von 2,9 Millionen Euro dringend Hilfe braucht, um selbst in Würde überleben zu können, ist hinlänglich bekannt. Dekanin Renate Kath freute sich bei ihrer Begrüßung ganz besonders darüber, dass die mit großer Spannung erwartete Premiere der von der Martinskirchenstiftung erdachten Vortragsreihe zum breit gefächerten Themenrahmen „Werte, Ethik und erfolgreiches Wirtschaften“ nicht nur ganz unaufgeregt von einem Sponsor aus den eigenen Reihen finanziert und organisiert wird, sondern auch ein illustres und höchst interessiertes Publikum im Kirchenschiff versammeln konnte.

Im Blick zurück erinnerte sich Dekanin Kath, die auch im Namen der zeitgleich im Finanzausschuss gebundenen Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker begrüßte, daran, dass schon in den 70er- und 80er-Jahren kontrovers darüber diskutiert wurde, ob man mit der Bergpredigt die Welt regieren könne und der Frage nachgegangen wurde, ob christliche Werte, christliche Ethik und damit gelebte Nächstenliebe überhaupt alltagstauglich sind.

In einem sich mit dem Thema „Jesus und die Marktwirtschaft“ auseinandersetzenden Impulsreferat beschäftigte sich Pater Dr. Dr. Hermann-Josef Zoche anschließend im Rahmen der von ihm eröffneten Vortragsreihe „Werte, Ethik und erfolgreiches Wirtschaften“ mit den biblischen Grundlagen menschlichen Wirtschaftens. Ob es sich lohnt, im Überlebenskampf in den Schlangengruben der Wirtschaft tatsächlich „gut“ zu sein, lautete seine erste provozierende Frage, die ihm die wichtige Schlüsselaussage ermöglichte, dass Erfolgs- und Werteorientierung durchaus kompatibel sind und sich Kirche und Wirtschaft – wenn auch eher etwas augenzwinkernd – durchaus vergleichen lassen.

Das in weltlich orientierten Wirtschaftskreisen immer wieder angestrengt angestrebte Ziel klar wiedererkennbarer „corporate identity“ werde auf den Altaren ihrer klar zuordenbaren Gotteshäuser predigenden Geistlichen schon einmal vorbildlich vorgelebt. Ihre Orientierung an den „Zehn Geboten“ stelle dabei gleichzeitig „ein perfektes Raster für eine gültige Firmenethik“ dar. Zu fragen bleibe dabei, wie der Mensch wirtschaften müsse, damit es christlich genannt werden könne und noch grundsätzlicher, ob ein positives Bejahen des Wirtschaftens überhaupt möglich ist.

Reichtum müsse immer danach bewertet werden, wie er erwirtschaftet wurde und nicht nur im vorwiegend neidischen Blick darauf, was mit dem angehäuften Vermögen tatsächlich gemacht wird. Im gemeinsamen kritischen Blick auf Gleichnisse aus dem Neuen Testament machte der Referent deutlich, wie menschliches Wirtschaften seiner Meinung nach aussehen muss. Überzeugt ist er davon, dass der Mensch nur glücklich wird, wenn er in seinem Tun auch einen Sinn erkennt. „Redliche Arbeit“ mache dabei zweifellos glücklicher als auf Profitgier basierende Hoffnung auf fragwürdige Spekulationsgewinne, die sich oft genug im Misserfolgsfall als sinnloses Verschleudern von Reichtum und Vermögen zu erkennen geben.

Heilsam könnten solche Abstürze dennoch sein, denn „Irrwege“ können auch „Heilwege“ vorbereiten. Unmissverständlich machte Pater Zoche seinem Publikum aber klar, dass auf dem Holzweg ist, wer denkt, dass man alles in Geldwerte umrechnen und damit Werte wie Liebe, Vertrauen oder Dankbarkeit völlig ignorieren könne. Entscheidend bei allem, was man als Mensch oder auch als Unternehmer in Angriff nehme sei, dass man dabei Sinn empfinde und Freude habe.

Dass Erfolg immer nur ein Nebenprodukt des menschlichen Sinnstrebens auf allen Bereichen, aber nie das alleinige Ziel des Wirtschaftens sein dürfe, lautet die Überzeugung von Pater Zoche. Beim Auftaktabend einer vielversprechenden Reihe von Begegnungen mit interessanten Persönlichkeiten und Thesen zeigte er sich nachhaltig überzeugt davon, dass wirtschaftlicher Erfolg „nichts bringt,“ wenn der dahinterliegende Sinn „nicht erkannt wird“. Zufriedenheit und Sinnerfüllung sei nur möglich, wenn erfolgreiches Wirtschaften zugleich auch anderen Menschen ein lebenswertes Dasein sichern könne. Damit war zugleich auch die zu Beginn in den Raum gestellte rhetorische Frage, ob Wirtschaft und Ethik miteinander vereinbar sind, auf einen Punkt gebracht, der in den sich anschließenden Gesprächen noch profund vertieft werden konnte.