Lokales

Unterhaltsame Reise ins Mittelalter

Kinderferienprogramm im Mehrgenerationenhaus Linde – In Rekordzeit eine ganze Stadt aufgebaut

Zutritt nach Blattstadt? Nicht möglich, an Ritter Berthold kam keiner vorbei. Doch dann erklang seine Stimme unter dem Eisenhelm hervor: „Die Tore von Blattstadt werden in wenigen Minuten freigegeben.“ Der Weg ins Mittelalter konnte beginnen – beim Kinderferienprogramm im Mehrgenerationenhaus Linde in Kirchheim.

Am Samstag konnten die kleinen Bewohner von Blattstadt ihren Eltern und Großeltern so einiges präsentieren.Foto: Peter Dietrich
Am Samstag konnten die kleinen Bewohner von Blattstadt ihren Eltern und Großeltern so einiges präsentieren.Foto: Peter Dietrich

Kirchheim. Im Mittelalter musste fleißig gearbeitet werden. Das galt auch für die 60 Kinder im Grundschulalter, die sich seit Dienstag beim Aufbau der Stadt Blattstadt unter anderem als Bäcker, Gaukler und Kunsthandwerker sowie in der Schreinerei, Lederwerkstatt und Hofmeisterei betätigt hatten – und natürlich als Stadträte, irgendjemand muss schließlich für Sicherheit und Ordnung sorgen.

So konnten die Kinder und Mitarbeiter am Samstag den Eltern und Großeltern so einiges präsentieren. Eine Modenschau zum Beispiel, bei der es laut kindlichem Moderator „edle Stoffe aus fernen Landen zu hohen Preisen“ zu bewundern gab. Dazu riesengroße Seifenblasen der Gaukler, ein lustiges Gedicht zu Blattstadt und eine Vorführung zur medizinischen Versorgung im Mittelalter. Die Medizin, bestehend aus Kräutern, wurde den hustenden Patienten als Tee eingeflößt. Das wäre leichter gewesen, hätten sich die Patienten nicht gewehrt und weniger lachen müssen.

Ein Kloster gab es in Blattstadt auch; dieses hatte das Fußbad organisiert, zehn Minuten für zwei Silberlinge. Silberlinge? Ja, zuerst einmal mussten die Eltern einen Euro in der Schatzkammer gegen Silberlinge und Goldlinge tauschen. Das ging zum Glück noch, denn den Angriff der Vasallen der Mark Baden auf die Schatzkammer hatten die Kinder von Blattstadt erfolgreich abgewehrt. Ob Suppe oder Obstspieß, ob Gürtel oder Kleiderbügel vom Markt, alles war in Silberlingen und Goldlingen zu bezahlen. Sie waren aus Holz gefertigt, was Zweifel wecken konnte: Ob das wohl eine harte Währung ist?

Die Hofmeisterei, die sich während des Ferienprogramms um die Schönheit von Blattstadt kümmerte, hatte einen Geschicklichkeitslauf und ein Kuhdarm-Pingpong vorbereitet. Man nehme zwei Tücher und werfe einen mit Wasser gefüllten Luftballon hin und her: Der Bedarf an Luftballons war enorm. Das war auch der Bedarf an Mitarbeitern: Rund 25 hatte der Kreisjugendring (KJR) in Blattstadt im Einsatz. Es war ein buntes Gemisch, vom Kernteam mit jahrelanger Erfahrung bis zu Neueinsteigern. Zwei Schüler hatten im Vorjahr in Blattstadt ihr Praktikum für Soziales Engagement gemacht und waren nun freiwillig zurückgekehrt.

Das Thema Mittelalter war neu und verlangte den Mitarbeitern einiges ab, denn alle Funktionen der Stadt mussten kindgerecht übertragen werden. „Die Kinder wuchsen schnell ins System hinein“, sagte Daniela Egner, Mitarbeiterin des Mehrgenerationenhauses Linde. Sprach ein Kind von Dingen, die es damals noch nicht gab, reagierten die Mitarbeiter eben entsprechend verwundert: „Auto, Feuerzeug?“. In einem, nämlich der Inklusion, war Blattstadt dem Mittelalter weit voraus: Es waren auch zwei Kinder mit Handicap dabei. Im Sommer sind dann zwei Kinder ohne Handicap bei einer Freizeit der Lebenshilfe mit von der Partie.

Durch das gute Wetter waren die Kinder seit Dienstag fast immer draußen. Nur gespeist wurde drinnen an einer großen Tafel, die bis zu 90 Leute fassen musste. Daher gab es am Ende einen großen Dank ans Küchenteam für das leckerere Essen jeden Tag. Für die Kinder gab es sogar eine richtige Ehrung, hatten sie doch in der Rekordzeit von nur einer Woche eine ganz Stadt aufgebaut. Allerdings erinnerte Heinrich von Staufenberg die Kinder zuerst an die Pflichten, die ein Bürger der Stadt hat. Er muss heraneilen, wenn ein Feind naht oder wenn Gesindel die Schatzkammer plündern will. Er muss Steuern zahlen, damit der Stadtsäckel niemals leer ist. Er muss die Stadt sauber halten und darf niemals einen anderen Bürger der Stadt anlügen. „Wollt ihr das?“ Die Kinder antworteten mal mit Ja und mit Nein, auch wenn Heinrich von Staufenberg warnte: Bei zu vielen Neins reiche es nicht für die Ehrenbürgerwürde. Am Ende reichte es dann doch, trotz aller widerständischen Umtriebe: Jeder bekam seine Urkunde.