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Verschlungene Wege

FDP-Kandidatin Renata Alt sucht Entspannung im Streuobstparadies

Unterwegs in den Notzinger Streuobstwiesen mit Renata Alt (FDP) Bundestagswahl 2013
Unterwegs in den Notzinger Streuobstwiesen mit Renata Alt (FDP) Bundestagswahl 2013

Welcher Weg zum Ziel führt? Renata Alt ist da nicht festgelegt. Beim Streifzug durch die Streuobstwiesen am Notzinger Ortsrand nicht und genauso wenig in ihrer Lebensplanung: „Sich auf etwas Neues einzulassen, bedeutet immer eine Herausforderung“, sagt sie. „Und das ist es doch auch, was einen weiterbringt.“ Eine dieser Herausforderungen, die die 48-jährige FDP-Frau angenommen hat, ist die Kandidatur für den Bundestag. Nachdem der Nürtinger Jürgen Gairing im Herbst vergangenen Jahres zurückgezogen hatte, war Renata Alt auf Bitten ihrer Parteifreunde in die Bresche gesprungen. Einen Namen gemacht hat sich die gebürtige Slowakin bei den Liberalen längst durch ihr ehrenamtliches Wirken im FDP-Landesfachausschuss Europapolitik beziehungsweise im Fachausschuss der Partei für internationale Politik auf Bundesebene.

Unerwartete Wegbiegungen wie im Gewann Herlach, wo Renata Alt mit ihrem Mann bevorzugt Sonntagsspaziergänge unternimmt, gab es im Leben der FDP-Frau bereits mehr als genug: Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wagte sie – mehrere Jahre Berufserfahrung bereits hinter sich – erste Schritte in die Politik. 1991 trat Renata Alt im tschechischen Außenhandelsministerium in die Abteilung Europa und Europäische Union ein, im Jahr darauf wurde sie vom Auswärtigen Amt in Prag als Diplomatin nach Deutschland entsandt und übernahm kurz darauf den Posten des Wirtschaftsattachés im Generalkonsulat der Tschechoslowakischen Republik in München. „In dieser Zeit habe ich meinen Mann kennengelernt“, verrät Renata Alt. Den Umzug nach Kirchheim nutzte sie dazu, sich selbstständig zu machen und fungiert seitdem als Beraterin von Betrieben, die mit tschechischen oder slowakischen Unternehmen kooperieren, bietet Hilfe bei Übersetzungen, Verträgen und gegebenenfalls in Verhandlungen an. Zugute kommt ihr dabei, dass sie die Mentalität der Geschäftspartner kennt. Ein weiteres Standbein ist ihr Wissen als Lebensmittelchemikerin. Insbesondere Mütter schätzen das Angebot der Expertin, beispielsweise bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten ihrer Kinder, Ernährungsanalysen zu erstellen.

Die Wahlheimat mit dem Albtrauf im Hintergrund liegt ausgebreitet vor Renata Alt. „Als Großstädterin hätte ich nicht gedacht, dass ich einmal in einer kleineren Stadt wie Kirchheim leben würde“, sagt sie. Prag, Bratislava, München hießen die Stationen ihres Lebens, ehe sie nach Kirchheim zog. „Wenn ich die Teck und den Hohenneuffen sehe, denke ich immer an die Burgen in Mähren und Böhmen. Damit bin ich aufgewachsen“, so Renata Alt. Auch das hat es ihr leicht gemacht, sich in Kirchheim heimisch zu fühlen.

Ebenso bunt wie das Streuobstparadies, das sie zu ihrem Lieblingsort im Wahlkreis erkoren hat, ist die Vielfalt an Sprachen, die Renata Alt sich aneignen konnte. Neben Slowakisch und Tschechisch lernte sie mit fünf Jahren schon Deutsch – „meine Eltern hielten es für wichtig, dass ich in der Lage war, mich mit meinen österreichischen Nachbarn zu unterhalten“, erklärt sie. Später kamen Russisch und Englisch dazu. Passiv beherrscht sie darüber hinaus Polnisch, Slowenisch und Kroatisch.

Wer glaubt, Renata Alt sei ausschließlich sprachlich versiert, irrt allerdings gewaltig. „In der Schule nannten sie mich immer die kleine Biologin“, erinnert sie sich. Schon früh hatte sie begonnen, sich für Pflanzen, insbesondere Moose, zu interessieren und darüber geforscht, inwiefern sie ein Gradmesser für Umweltverschmutzung sind. Eine politische Nähe zu den Grünen liegt damit jedoch nur vordergründig auf der Hand. Beispiel Energiewende: „Sie muss doch ökonomisch, ökologisch und sozial vonstatten gehen“, überlegt die FDP-Kandidatin. Man könne eben nicht sofort aus der Atomenergie aussteigen. Die beiden Kamine des Altbacher Steinkohlekraftwerks und Überlandleitungen im Blick, wehrt sie sich dagegen, dass Windräder künftig „die Landschaft verschandeln“ beziehungsweise dass auf alternative Energien gesetzt wird, ohne ausreichende Netzkapazitäten zu haben. Überhaupt kein Verständnis bringt Renata Alt beispielsweise dafür auf, dass im Erneuerbare-EnergienGesetz Vergütungssätze mit Laufzeiten von 20 Jahren festgelegt wurden. „Das erinnert mich an Planwirtschaft. Die habe ich miterlebt und gesehen, wohin es führt, wenn Zahlen in der Wirtschaft fünf Jahre im voraus festgelegt werden“, sagt sie. In Freiheit leben zu können, ist für Renata Alt – begründet in der eigenen Biografie – ein hohes Gut. „Gerne wäre ich Botanikerin geworden“, so die FDP-Kandidatin, doch das kommunistische Regime hatte die vielseitig begabte Schulabsolventin für ein Studium der Biotechnologie und der Lebensmittelchemie auserkoren.

„Der Staat muss die Rahmenbedingungen für die Entfaltung der Bürger stecken“, betont Renata Alt. „Zwar darf er sie nicht im Stich lassen, aber zu viele Einschränkungen lehne ich ab“, sagt sie strikt. Eine Entbürokratisierung ist denn auch eines der Ziele, die die Liberale für die kommende Legislaturperiode fordert. Auf dem richtigen Weg sei die FDP in dieser Hinsicht bei der Abschaffung von ELENA, dem elektronischen Entgeltnachweis, gewesen. Wünschen würde sie sich im Übrigen eine deutliche Vereinfachung des Steuersystems. „Meine Tante in Kanada kann ihre Steuererklärung auf einem DIN-A-5-Blatt erledigen. Bei uns braucht man einen Steuerberater dazu“, sagt sie kopfschüttelnd. „Die FDP hatte sich viel vorgenommen, aber dann ist die Schuldenkrise über uns drübergeschwappt, sodass wenig Zeit blieb für andere Themen.“ Vier Jahre Mitverantwortung der Liberalen in der Regierung hält sie deshalb für ausgesprochen kurz.

Würde Renata Alt in den Bundestag einziehen, sähe die 48-Jährige einen ihrer Schwerpunkte in der Integration. „Integration deshalb, weil wir uns in Deutschland und Europa stärker zu einer multikulturellen Gesellschaft entwickeln werden, was uns vor neue Herausforderungen stellen wird.“ Mit einer konsequenten Steuerung der Zuwanderung nach Deutschland zu reagieren sowie eine aktive Integrations- und Migrationspolitik zu betreiben, werde immer wichtiger. Beachtet werden sollten dabei nach Ansicht von Renata Alt unter anderem Aspekte wie ökonomische Vernunft und Fairness. „Der Wille zur Integration sollte aber auch vorhanden sein. Ich bin diesen Weg selbst gegangen.“ Stolz berichtet sie von einem Kompliment, das ihr der ehemalige FDP-Außenminister Dr. Klaus Kinkel unlängst gemacht habe: „Frau Alt, ich sehe, Sie haben sich nicht nur integriert, Sie haben sich sogar assimiliert.“ Für sie stehe das nicht im Gegensatz dazu, sich ihrer Wurzeln bewusst zu sein.

Besonders am Herzen liegt der Kirchheimerin auch die Europapolitik: „Der Zusammenhalt und die Stabilität in Europa, eine gemeinsame europäische Politik, müssen aus Sicht der Wettbewerbsfähigkeit und der Globalisierung betrachtet werden.“ Wichtig sei diese Politik für die Sicherheit und den Wohlstand Deutsch­lands sowie Europas.

Ein Hauptaufgabengebiet sieht Renata Alt in der kommenden Legislaturperiode unter anderem im demografischen Wandel. „Wir werden alle älter und bleiben länger fit. Die sozialen Sicherungssysteme, insbesondere das Rentensystem, müssen daher angepasst werden.“ Nicht zuletzt bedeute der Klimawandel eine Herausforderung für die Politik. „Es offenbart sich immer mehr, dass ein Wohnen und Leben in wassernahen Gebieten nicht ratsam ist.“ Eine Hochwasserschutz-Strategie sollte deshalb Renata Alt zufolge entwickelt und zeitnah umgesetzt werden. Für die Energiewende fordert die Technologin das Tüfteln an neuen Ideen. Sie hebt ein Steinchen auf und lässt es fallen: „Schwerkraft haben wir nonstop. – Es müsste doch möglich sein, Energie zu gewinnen, ohne die ganze Landschaft zuzubauen.“

Der Mensch auf einen Blick

Geburtsjahr/-ort: 1965/Skalica (Slowakei) Familienstand: verheiratet Hobbys: Natur, Kunst, Literatur Lieblingsbuch: Khalil Gibran: „Der Prophet“ und Jaroslav Hasek: „Svejk“/„Schweik“ Lieblingsgericht: Gemüse aller Art, am liebsten ayurvedisch Traumland: Deutschland – weil ich hier zu Hause bin Vorbild: Mahatma Gandhi, weil er ein Verfechter des gewaltfreien politischen Kampfes war Berufswunsch als Kind: Botanikerin Traum fürs Alter: Gesundheit