Lokales

Vielfalt der Formen und Farben

Der Kirchheimer Jürgen Kraus über Vielfalt, Faszination und Herausforderungen der Orchideenzucht

Die Orchidee ist ein vielfältiges Gewächs und längst auf zahlreichen Fensterbänken zu Hause. Jürgen Kraus aus Kirchheim sammelt und züchtet die empfindlichen Blumen – aus Leidenschaft.

Jürgen Kraus, Leiter der Regionalgruppe Baden-Württemberg der Deutschen Orchideen Gesellschaft, in seinem Gewächshaus.Foto: Dani
Jürgen Kraus, Leiter der Regionalgruppe Baden-Württemberg der Deutschen Orchideen Gesellschaft, in seinem Gewächshaus.Foto: Daniel Kopatsch

Kirchheim. Die meisten Menschen lieben Blumen und haben vielleicht sogar einen Favoriten, der sie besonders fasziniert. Für Menschen wie Jürgen Kraus wird aus dieser Faszination eine Sammel- und Züchterleidenschaft. Interesse an Pflanzen hatte der gebürtige Kirchheimer schon immer: „Schon als Jugendlicher habe ich versucht, alles Mögliche aus Samen großzuziehen – vor allem tropische Pflanzen haben es mir angetan“, erklärt Kraus. Zu den Orchideen ist er aber erst „so richtig“ über seine Frau gekommen: „Sie hatte schon welche, und so begann auch ich damit, mich mit Orchideen zu beschäftigen. Das ist jetzt etwa 15 Jahre her.“

Angefangen hat alles mit für die Fensterbank gezüchteten „Baumarkthybriden“ wie der Phalaenopsis, deren Blüten an tropische Nachtfalter erinnern. Nach und nach kamen weitere Sorten hinzu. „Später wagt man sich dann an ‚Naturformen‘ heran, die nicht gekreuzt oder auf eine bestimmte Form oder Farbe hin gezüchtet wurden – und so wuchs es von ganz alleine zum Hobby heran“, erklärt Kraus. Mittlerweile ist daraus eine ansehnliche Sammlung geworden: Ungefähr 800 bis 1 000 Orchideen in verschiedenen Stadien wachsen auf den wenigen Quadratmetern im Gewächshaus in seinem Garten. Hinzu kommen noch einmal bis zu 50 im Wohnbereich, schätzt Kraus.

Weil normale Blumenerde für Orchideen ungeeignet ist, pflanzt er sie in mit Torf angereicherter, gehackter Rinde. Manche Gattungen wie etwa die Steinlaelie, die in der Natur auf Felsen vorkommt, wachsen bei Jürgen Kraus auf mineralischem Naturgestein wie Lavalit. Andere wiederum wachsen gar nicht auf der Erde, sondern wurzeln im Urwald auf Bäumen und anderen Pflanzen – diese sogenannten „Aufsitzer“ werden auf hängenden Holz- und Rindenstücken kultiviert. „Aufsitzer sind im Gegensatz zur Mistel aber keine Schmarotzer“, betont Kraus.

Zur Pflege der tropischen Orchideen ist ein Gewächshaus fast schon Pflicht, denn sie benötigen auch im Winter Temperaturen von mindestens 15 Grad. Am zeitaufwendigsten sei aber das Gießen: „Im Winter geht man ungefähr einmal pro Woche, im Sommer beinahe täglich ran“, sagt Kraus.

Barbara Kraus unterstützt die Leidenschaft ihres Mannes. „Am Anfang haben wir uns viel Fachliteratur besorgt“, erzählt sie. Fast ein ganzer Schrank im Wohnzimmer ist voll davon. „Da sieht man erst, was für eine Vielfalt besteht“, sagt sie. Vom Stecknadelkopf bis zum Bierdeckel sei bei der Größe der Blüten alles möglich. „Irgendwann will man dann auch mehr davon“, sagt sie schmunzelnd. „Bei Orchideen gibt es fast nichts, was es nicht gibt“, bestätigt Kraus. „Eine Rose blüht kein halbes Jahr, manche Orchideen dagegen schon. Die Vielfalt der Formen und Farben macht einen Großteil der Faszination aus.“

Beruflich ist Jürgen Kraus kaufmännischer Leiter bei einem Automobilzulieferer. „Ein eher trockenes Geschäft“, gibt er zu. „Die Orchideen sind da ein herrlicher Ausgleich.“ Nach einem stressigen Tag im Gewächshaus nach dem Rechten zu sehen, helfe ihm beim Abschalten. „Außer man findet Schnecken“, fügt der 49-Jährige scherzhaft hinzu und wirft zur Sicherheit einen prüfenden Blick auf seine Pflanzen. Kraus schätzt vor allem die südamerikanischen Orchideenarten wie Cattleyen oder die Laelia Kautskyi, die eine sternförmige Blüte in hellem Orange ausbildet. „Ich war geschäftlich viel in Brasilien unterwegs und habe dort manche Sorten in freier Natur blühen sehen“, erläutert er. „Wenn man diese dann zu Hause kultivieren kann, hat man dazu einen völlig anderen Bezug, als wenn man sie einfach so kauft.“ Die Aufzucht „von klein auf“, vom Samen bis zur Blüte, könne als so etwas wie die Königsdisziplin des Hobbys betrachtet werden. Unter sterilen Bedingungen erfolgt die Aussaat im Reagenzglas auf besonderen Nährböden, anschließend keimen die Samen in Flaschen. Hierfür benötige man vor allem eines: Geduld. Während manche Phalaenopsis-Arten zwei Jahre bis zum Erblühen brauchen, kann es bei anderen Sorten bis zu 18 Jahre dauern. „Fast schon eine Lebensaufgabe, könnte man sagen. Entsprechend stolz kann man natürlich sein, wenn es gelingt“, erklärt Kraus.

Orchideenliebhaber sind in Vereinen wie beispielsweise der Deutschen Orchideen Gesellschaft (D.O.G.) organisiert. Seit November 2013 ist Jürgen Kraus Leiter der D.O.G.-Regionalgruppe Baden-Württemberg, die sich jeden zweiten Freitag im Monat zum Beraten, Weiterbilden mit Vorträgen sowie zur Bewertung und zum Tausch von Pflanzen in der Osterfeldhalle in Esslingen trifft. Zu den Gruppenabenden ist jeder willkommen, vom Einsteiger bis zum Experten, sagt Kraus. „Es gibt Mitglieder, die haben nicht mehr als fünf Orchideen zu Hause, andere wiederum besitzen mehrere Gewächshäuser. Es ist jedem selbst überlassen, wie tief er in die Materie eintauchen möchte.“