„LIFE+“ macht‘s möglich: Multimedialer Streuobstwiesen-Erlebnispfad in Dettingen eingeweiht
Wenn‘s aus dem Smartphone pfeift

Dettingen hat sein Alleinstellungsmerkmal im „LIFE+“-Projekt. Gestern hat Bürgermeister Rainer Haußmann offiziell den Streuobstwiesen-Erlebnispfad zwischen Friedhof und Käppele der Öffentlichkeit übergeben. Neun Tafeln informieren über die gefiederten Bewohner des Lebensraums Streuobstwiese und deren Schutz.

Dettingen. Der etwa zwei Kilometerr lange Rundweg ist ein „Erlebnispfad der anderen Art“ – sozusagen multimedial. Denn die wunderbar illustrierten, wetterfesten Tafeln zeigen nicht nur Fotos von gefährdeten Arten wie Steinkauz, Neuntöter, Gartenrotschwanz, Wendehals und Halsbandschnäpper. Wer ihre Stimmen vernehmen will, kann dies per Smartphone an einer der Tafeln mit dem entsprechenden QR-Code tun. Dann erklingt aus dem Mobilgerät das typische Pfeifen des berühmt-berüchtigten Halsbandschnäppers, „dem natürlichen Feind jeder Gemeindeentwicklung“, wie Dettingens Bürgermeister Rainer Haußmann den schwarz-weiß gefiederten kleinen Verhinderer von Baugebieten scherzhaft nannte.

Das von der EU geförderte ­„LIFE+“-Projekt „Vogelschutz in Streuobstwiesen“ erstreckt sich von Geislingen bis Reutlingen und umfasst auch ein Areal im Remstal bei Schorndorf und nördlich davon im Wieslauftal. 58  Kommunen in vier Landkreisen nehmen daran teil. Die Gemeinde Dettingen nimmt seit Projektbeginn 2009 an „LIFE+“ teil und schlug damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie konnte zum einen bedrohte und europaweit bedeutsame Vogelarten schützen und zum anderen die Streuobstwiesen in den Vogelschutzgebieten wieder auf Vordermann bringen.

Dabei wurden aber nicht nur stark heruntergekommene Obstbäume gepflegt, sondern die Gemeinde schuf auf zwölf Hektar eigener Fläche auch eine neue, halb offene Landschaft, auf der weniger pflegeintensive Bäume stehen und die deshalb von Landwirt und Schäfer gut zu bewirtschaften sind. Außerdem fällten die Dettinger 700 Obst-Halbstämme, die niemand mehr pflegen wollte, und pflanzten stattdessen auf drei Hektar Klimaschutzwald.

Auch private Streuobstwiesenbesitzer ergriffen die Gelegenheit und ließen, finanziell durch das Vogelschutzprojekt gefördert, ihre Obstbäume richten. „Wir haben mithilfe von „LIFE+“ sieben bis zehn Hektar private Fläche umgebaut“, informierte Rainer Haußmann. Die Kosten wurden zu 70 Prozent übernommen. 30 Prozent mussten die Wiesenbesitzer selbst bezahlen. „Pro Baum entsprach dies etwa 20 Euro“, sagte Bauamtsleiter Sokolowski.

Doch wer will heute noch Obstbäume pflegen, wenn damit nur Arbeit verbunden ist? Bürgermeister Haußmann – „ein Praktiker und aus der Landwirtschaft stammend“ – dachte an künftige Generationen, als er sagte: „Wir müssen dringend das Baurecht ändern, um Truhen und Geschirrhütten auch in Landschaftsschutzgebieten zuzulassen, wenn wir wollen, dass mehr Menschen ihre Bäume pflegen“.

Heike Seehofer, Projektleiterin im „LIFE+“-Projekt „Vogelschutz in Streuobstwiesen“ im Regierungspräsidium Stuttgart, ging kurz auf das Förderprogramm der EU ein und sah in Ersatzlebensräumen für Vögel, wie sie die Gemeinde Dettingen durch die halb offene Landschaft schuf, ein zukunftsweisendes Modellprojekt. „Vögeln ist es egal, ob sie auf einem Apfelbaum oder einer Eiche leben, solange der Baum eine Höhle hat.“

Diese alternativen Lebensräume, so Seehofer, seien vor allem dort interessant, wo der traditionelle Streuobstbau aus wirtschaftlichen oder Zeitgründen nicht mehr zu halten ist. Am „Käppele“ bei Dettingen können sich interessierte Besucher jetzt über dieses noch wenig bekannte Thema informieren, denn der zwei Kilometer lange Erlebnispfad in Richtung Käppele führt auch an der halb offenen Landschaft vorbei.