Lokales

Zähne nur kurz zusammenbeißen

Ein Morgen mit den Frühschwimmern im Freibad – Ab 7 Uhr ziehen sie ihre Bahnen

Morgens um 7 Uhr bei Wind und Wetter im Freibad Bahnen ziehen – das würde so manchen Sportmuffeln und Langschläfern nicht einmal im Traum einfallen. In der Region rund um die Teck gibt es aber genügend „Hartgesottene“, die auf den regelmäßigen Frühsport im kühlen Nass schwören.

FrŸhschwimmern im Freibad
FrŸhschwimmern im Freibad

Kirchheim. Barfuß gehen Cäcilia und Dieter Gräwe über die feuchte Liegewiese des Kirchheimer Freibads in Richtung Schwimmbecken. Es ist genau 7 Uhr morgens. Am Himmel ziehen Wolken vorbei, das Thermometer zeigt 19 Grad. Das Ehepaar aus Dettingen macht sich starklar: Nach einer kalten Dusche geht‘s gleich ins Wasser. Dort ziehen bereits zehn weitere Frühschwimmer ihre Bahnen. Niemand spricht ein Wort, die Welt ist still und friedlich. Nur das sanfte Plätschern des Wassers ist zu hören.

„Mit dem Frühschwimmen startet man einfach gut und ruhig in den Tag“, erklärt Johannes Grau, der zusammen mit seiner Frau Bringfriede fast jeden Dienstagmorgen das Kirchheimer Freibad besucht. „Manchmal sind wir auch donnerstags zum Frühschwimmen da“, fügt der Notzinger hinzu. Johannes Grau kommt aber weniger aus sportlichen, sondern vielmehr aus meditativen Gründen ins Freibad. Das Schwimmen biete eine gute Gelegenheit zum Nachdenken, betont der 56-Jährige. „Es ist ein bisschen wie Urlaub. Ich mache mir da überhaupt keinen Stress. Manchmal bin ich auch mit Taucherbrille und Flossen unterwegs.“ Am schönsten sei es, wenn von Osten die Sonne ins Becken scheint. Und „besonders interessant“ gestalte sich das Frühschwimmen bei Regen.

„Wie kann man sich das nur freiwillig antun?“, sagt Bringfriede Grau schmunzelnd, während sie sich unter die kalte Dusche am Beckenrand wagt. Das kostet die 46-Jährige zwar Überwindung – doch diese ist spätes­tens dann wieder vergessen, wenn sich das 24 Grad warme Wasser um ihren Körper schmiegt. „Ich habe einen intensiven Bürojob.“ Das Frühschwimmen sei deshalb die einzige Möglichkeit für sie, sich zu bewegen, betont die Notzingerin. Eine halbe Stunde bleibt sie im Wasser, dann geht‘s unter die Dusche und schließlich auf zur Arbeit.

Auch bei den meisten anderen Frühschwimmern ruft nach dem kühlen Nass der Berufsalltag – zum Beispiel bei Andreas Benz aus Kirchheim. Der Triathlet ist jeden Dienstag und Donnerstag um Punkt 7 Uhr im Freibad, legt 1 200 Meter zurück und startet dann in den Arbeitstag. „Morgens ist im Freibad am wenigsten los. Da kann ich in Ruhe meine Bahnen ziehen“, unterstreicht der 48-Jährige. Seinen inneren Schweinehund besiegt der Sportler, indem er gar nicht erst lange fackelt, sondern ganz schnell ins Wasser springt.

Birgit Schleser aus Kirchheim hält das genauso: Kurz müsse man die Zähne zusammenbeißen – aber nur so lange, bis man „drin“ ist. Mit ihrer 24 Jahre alten Tochter Katrin ist die 47-Jährige an diesem Dienstag das zweite Mal beim Frühschwimmen mit von der Partie. „Sonst sind wir immer abends nach der Arbeit schwimmen gewesen“, erzählt Katrin Schleser. Morgens sei es um einiges ruhiger, am Abend hingegen umso „gesprächiger“.

Zu den Neulingen unter den Frühschwimmern gehört auch Nadine Feeß aus Jesingen. „Ich wollte einfach mal ausprobieren, wie es zeitlich vor der Arbeit hinhaut“, verrät die 25-Jährige, die sich selbst als Wasserratte bezeichnet. „Das Schwimmen brauche ich als Ausgleich zum Alltag.“ Das bestätigt Werner Stark aus Jesingen: „Das Frühschwimmen macht mich stressresistenter. Außerdem hält es jung. Deshalb fühle ich mich auch wie 40“, sagt der 50-Jährige schmunzelnd. Jeden Dienstag- und Donnerstagmorgen ist er im Freibad anzutreffen, und zwar bei jedem Wetter. Oft stürzt sich der Jesinger dann mit drei Freunden in die Fluten, die – wie er selbst auch – im Triathlon aktiv sind. „Wenn es sich einrichten lässt, gehen wir nach dem Schwimmen noch zusammen frühstücken“, erzählt Werner Stark.

Überhaupt kommt der gesellige Teil bei den Frühschwimmern nicht zu kurz, fügt die 58-jährige Cäcilia Gräwe hinzu. Ab und zu treffen sich die Gleichgesinnten zu einer Tasse Kaffee, und ein Mal im Jahr steht ein gemeinsames Abendessen auf dem Programm. „Wir sind eben eine kleine Schwimmfamilie“, erklärt die Dettingerin. Auf die sportliche Betätigung im Wasser lässt sie absolut nichts kommen. „Das Frühschwimmen härtet ab. Mein Mann und ich sind den ganzen Winter über nicht krank.“

Mittlerweile ist es 8.30 Uhr. Einige der Frühschwimmer sitzen längst am Arbeitsplatz oder lassen sich ein gesundes Frühstück schmecken. Andere, die erst später dazugestoßen sind, steigen allmählich aus dem Wasser oder stehen schon unter der Dusche. Insgesamt passierten zwischen 7 und 8.30  Uhr 45 Badegäste das Drehkreuz des Kirchheimer Freibads, informiert Gudrun Jockusch, die an der Kasse arbeitet. Für Ferienzeiten sei diese Zahl normal, ansonsten würden aber noch viel mehr Schwimmer die Gunst der frühen Stunde nutzen, fügt sie hinzu. „Man merkt eben, dass zurzeit viele im Urlaub sind.“

Info

Katrin (links) und Birgit Schleser gehören zu den Neulingen unter den Frühschwimmern. Werner Stark (Bild unten) schwört hingegen
Katrin (links) und Birgit Schleser gehören zu den Neulingen unter den Frühschwimmern. Werner Stark (Bild unten) schwört hingegen schon seit vielen Jahren auf die morgendliche Abkühlung und Bewegung im Wasser.Fotos: Jean-Luc Jacques
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