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Zusammen Aschurasuppe gegessen

Beim Elternstammtisch der Mörike-Schule in Ötlingen feierten Christen und Muslime gemeinsam

Zusammen Aschurasuppe gegessen

Kirchheim. Schon vor einem Jahr hatte Hülya Kambir mit Schülern der zweiten Klasse das Opferfest gefeiert, das im Islam eins der größten Feste ist. Altersgerecht hatte die 37-Jährige den Kindern erklärt, welche Bedeutung die Opfergabe für Muslime hat, wie es begangen wird und wo sich Gemeinsamkeiten zwischen dem Islam und dem Christentum auftun. Etwas, das laut Hülya Kambir bei Kindern und Eltern auf breite Resonanz stieß. Daher begingen die Väter und Mütter der Grundschüler in der Eduard-Mörike-Schule gemeinsam Weihnachten und Aschura.

Für Barbara Geiger, die gemeinsam mit Hülya Kambir den Elternstammtisch organisierte, stand bei der Veranstaltung im Mittelpunkt auch, Gemeinsamkeiten aufzuzeigen, die zwischen den Kulturen bestehen. „Ich habe das Gefühl, dass wir zu wenig voneinander wissen“, so die Elternvertreterin. „Auf beiden Seiten herrscht ein Wissensdefizit über die eigene, aber auch die fremde Religion. Würde man mehr über die Gemeinsamkeiten wissen, wäre auch das Miteinander ein einfacheres.“ Daher ging es für Geiger auch darum, den Austausch von Kultur und Religion zu fördern.

Die 37-Jährige selbst ist Sunnitin: „Bei uns besitzt Aschura keinen so hohen Stellenwert, für uns sind das Opferfest und der Ramadan die wichtigsten Ereignisse im religiösen Jahresablauf.“ Laut Hülya Kambir ist Aschura bei den Sunniten lediglich ein Fastentag, der vermutlich in Medina durch die Übernahme des jüdischen Jom Kippur von den dort lebenden Juden übernommen wurde. Allerdings gelte er nur als Sunna, also nicht bindend, und sei damit für Sunniten etwas, das sie freiwillig tun könnten. „Ich persönlich gedenke Aschura, weil es ein Tag ist, an dem Freunde, Bekannte und Nachbarn zusammenkommen. Daher ist es für mich ein schöner Brauch“, so Hülya Kambir, für die sich hier Parallelen zum Weihnachtsfest auftun.

Die Schiiten hingegen erleben in einer Reihe von Buß- und Trauerritualen das Martyrium Husains in der zehn Tage währenden Fastenzeit nach, so Islamwissenschaftlerin Farida Stickel. Wobei im Verlauf der Fastenzeit täglich ein anderes rituelles Ereignis im Mittelpunkt stehe. Die Aschura-Riten stellen laut der wissenschaftlichen Mitarbeiterin des religionswissenschaftlichen Seminars der Universität Zürich öffentliche Trauerriten dar. Diese würden sowohl Erzählungen und Prozessio­nen als auch die Inszenierung des Martyriums von Husain umfassen. Damit wird sowohl individuell für die eigenen Sünden gebüßt als auch für die Kollektivschuld der Schiiten, welche das Massaker an Husain und seinen Anhängern nicht verhindert hätten.

In seiner Symbolik ist Aschura damit ein Zeichen des Friedens, der inneren Einkehr und Buße, wie Hülya Kambir in der Eduard-Mörike-Schule berichtete. „Es ist auch ein Ausdruck der Hilfsbereitschaft, denn bei den Aleviten und einem Großteil der Sunniten wird die Suppe mit Verwandten, Freunden, Nachbarn und Bedürftigen geteilt“, sagte die Ötlingerin. Damit trage Aschura die gleichen universalen Werte in sich, die auch an Weihnachten im Vordergrund stehen. Gleiches gelte auch für den Ramadan und das Opferfest. Zwischenzeitlich würden auch Muslime, die in Deutschland leben, das Weihnachtsfest begehen.