Jesingen lässt einen Antrag für eine einzügige Werkrealschule „neuen Typs“ stellen
Den Hauptschulen fehlen die Schüler

Die Schulentwicklung in Kirchheim hat eine ganz eigene Dynamik und ist nur schwer längerfristig vorherzusehen: Was heute gilt, kann morgen schon Makulatur sein. Das betrifft insbesondere die vier Hauptschulstandorte. Wegen rückläufiger Schülerzahlen steht die Hauptschule an der Eduard-Mörike-Schule vor dem Aus. Jesingen setzt dagegen auf die Werkrealschule „neuen Typs“.

Den Hauptschulen fehlen die Schüler
Den Hauptschulen fehlen die Schüler

Kirchheim. Vor einem Jahr hatte der Kirchheimer Gemeinderat mit gro­ßer Mehrheit beschlossen, dass sowohl die Alleen- als auch die Raunerschule zu zweizügigen Werkrealschulen „neuen Typs“ werden sollen. Die Jesinger Grund- und Hauptschule sollte ihre angestammte Werk­realschule „alten Typs“ so lange fortführen, bis sie nicht mehr genügend Schüler für die

zehnte Klasse zusammenbringt. Für die Eduard-Mörike-Schule in Ötlingen dagegen war vorgesehen, dass sie eine „normale“ Hauptschule bleibt, da dort keine Zweizügigkeit gegeben ist. Die Zweizügigkeit war aber zwingende Voraussetzung, um eine „neue“ Werk­r

ealschule werden zu können.

Inzwischen hat allerdings die Jesinger Schule der Stadtverwaltung mitgeteilt, trotz Einzügigkeit eine Werkrealschule „neuen Typs“ werden zu wollen, was nach Landesrichtlinien für „alte“ Werkrealschulen möglich ist. Der Kirchheimer Gemeinderat hatte nun also zu entscheiden, ob die Stadt Kirchheim den Jesinger Antrag fristgerecht beim Staatlichen Schulamt einreichen soll oder nicht.

Vor der Entscheidung beleuchtete Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker die Hintergründe des Antrags aus Jesingen. Demnach würde für die „alte“ Werkrealschule im Schuljahr 2012/2013 bereits eine Überprüfung anstehen, ob die Bedingungen für diesen Schultyp überhaupt noch gegeben sind. Bei einer „neuen“ Werkrealschule wäre das zwar ebenfalls zu prüfen, aber erst zu einem späteren Zeitpunkt. Gäbe es in Jesingen also eine Werkrealschule „neuen Typs“, stünde der Hauptschulstandort in Jesingen nicht ganz so schnell vor dem Aus wie mit der „alten“ Werkrealschule.

Eigentlich würden Stadtverwaltung und Gemeinderat eine solche Entscheidung nicht treffen wollen, ohne zuvor bei der Schulentwicklungsplanung – gemeinsam mit Schul- und Elternvertretern – darüber beraten zu haben. Problematisch war in diesem Fall allerdings die Antragsfrist: Der Antrag muss am heutigen Freitag beim Staatlichen Schulamt in Nürtingen eingegangen sein. Das Gremium der Schulentwicklungsplanung trat aber erst gestern Abend zusammen. Deshalb hat die Verwaltung dem Gemeinderat vorgeschlagen, den Antrag aus Jesingen vorsorglich und „zur Fristenwahrung“ einzureichen. Diesem Vorschlag ist der Gemeinderat denn auch gefolgt, selbst wenn es recht unterschiedliche Auffassungen über Sinn und Unsinn des Antrags aus Jesingen gab.

Angelika Matt-Heidecker betonte, dass die Werkrealschule in Jesingen aufrechterhalten werden soll, solange es genügend Kinder dafür gibt. Langfristig werde es aber nur noch zwei Werkrealschulstandorte in Kirchheim geben – die Alleen- und die Raunerschule. Was die Eduard-Mö­rike-Schule betrifft, so seien fürs aktuelle Schuljahr nur noch 14 Fünftklässler angemeldet worden. Die Frage sei also nicht mehr, ob die Ötlinger Hauptschüler allesamt an die Alleenschule geschickt werden sollen, sondern nur noch, wann das der Fall ist.

In der Prognose war für September 2010 noch von 22 neuen Fünftklässlern in Ötlingen die Rede. Das ist ein genereller Trend an den Haupt- und Werkrealschulen: Statt 111 prognostizierten „Fünfern“ gibt es an allen vier Kirchheimer Hauptschulen derzeit gerade noch 91. Wenn diese Entwicklung so weitergeht, wird es schwer genug für die Rauner- und die Alleenschule, dauerhaft eine Zwe

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gigkeit zu halten. Aus diesem Grund sollen künftig auch die Naberner Werkrealschüler in die Raunerschule gehen, statt wie bisher nach Dettingen. Davon sprach die Oberbürgermeisterin im Gemeinderat ebenso wie von einer neuen Einteilung der Schulbezirke: Auf diese Art sollen Schüler von der Alleenschule an die Raunerschule gelenkt werden, damit es an beiden Schulen weiterhin zwei Klassen in jeder Stufe geben kann.

Wohin sich die Schulpolitik des Landes in Zukunft entwickelt, ist ebenfalls noch nicht abzusehen. Denn wahrscheinlich werden den Haupt- beziehungsweise Werkrealschulen in ganz Baden-Württemberg über kurz oder lang die Schüler ausgehen. Insofern kann die Stadt Kirchheim immer nur versuchen, Entwicklungen vorauszuahnen und Schulstandorte entsprechend vorzuhalten. Angenommen, es käme tatsächlich einmal eine sechsjährige Grundschule, dann wäre der Standort der bisherigen Grund- und Hauptschulen wieder wesentlich wichtiger. Aber dann könnte an den beiden Kirchheimer Gymnasien und auch an den beiden Realschulen plötzlich ein ganz neues Problem entstehen: dass sie viel mehr Räume haben als Klassen. Auch das würde dann zur Eigendynamik der Schulentwicklung gehören.