Das Ensemble der „Leipziger Pfeffermühle“ präsentierte das aktuelle Programm „Frust oder Keule“
Denker, Dichter, Lafer und Lichter

Kirchheim. Ausverkaufte Hallen müssen nicht unbedingt ein Garant für Qualität sein. Wenn es um Kabarett geht, sind eher Clubs und Keller gefragt, um Nähe, Intimität und passende Atmosphäre zu garantieren.

Wer sich für das Gastspiel der „Leipziger Pfeffermühle“ in der schon lange ausverkauften Kirchheimer Stadthalle rechtzeitig Karten gesichert hatte, brauchte das nicht zu bereuen.

1954 gegründet, streut die berühmte und vor allem zu DDR-Zeiten sehr berüchtigte „Leipziger Pfeffermühle“ schon seit fast sechs Jahrzehnten scharfen Pfeffer ins politische Getriebe und zählt damit zu den ältesten politischen Kabaretts im deutschsprachigen Raum.

Dass das aktuelle Ensemble mit dem Programm „Frust oder Keule“ auf dem aktuellsten Stand ist, konnten Ute Loeck, Peter Mohr und Marco Schiedt nachhaltig unter Beweis stellen und demonstrieren, dass sie nicht „nur“ gute Kabarettisten und veritab­le Sänger, sondern vor allem auch solide ausgebildete Schauspielprofis sind. Von den Musikern Hartmut Schwarze am Flügel und Steffen Reichelt am Schlagzeug unterstützt, sorgten sie in der Regie von Matthias Nagatis für einen rundum überzeugenden Abend, zu dem der Kulturverein Ötlingen geladen hatte.

Dass sich das einst für seine humanistische Bildung so gerühmte Volk der Denker und Dichter nur noch an Lafer und Lichter orientiert, ist den Kabarettisten nicht entgangen. Ob im Fernsehen, im Radio oder auf DVD, überall wird gekocht - nur nicht in der eigenen Küche . . .

Dass es dennoch schwer fallen kann, da herauszukommen, liegt nach Überzeugung der Programm­macher an der „Herdanziehungskraft“. Sie wissen genau, dass auch die CDU nur mit Wasser kocht. Dass es abgestanden ist, bereitet ihnen aber weniger Sorge als die Tatsache, dass sich ein beklopptes Volk viel leichter in die Pfanne hauen lässt.

Weil inzwischen überall nur noch gekocht wird, stört sich niemand daran, dass die Nachrichten immer grausamer werden und sich für Jugendliche unter 16 Jahren schon gar nicht mehr eignen. Das verwundere freilich nicht in einer Welt, in der der Papst nur als „Eventmanager Gottes“ und „klerikaler Dieter Bohlen“ wahrgenommen wird. Statt sich mit Werten zu beschäftigen, hätten die Menschen alle Ohren voll mit Spitzenprodukten aus der Gerüchteküche, während der Bundestag zum Dschungelcamp mutiert, das Freiheit nur denen verspricht, die laut rufen „Ich bin inkompetent. Lasst mich hier raus.“

Nachdem er Opas volkstümlich-schwarzbraune Haselnuss-Musik zu „dümmlicher Volksmusik“ erklärt hat, rappt sich der unbelehrbare und unmusikalische Enkel etwas ungelenk durch die mitreißende Musik der Neonazis. Erschreckt distanzieren sich die von einer Stasi-Vergangenheit belastete Mutter und der nationalsozialistisch geprägte Opa unisono von dem „aus der Reihe schlagenden Nachwuchs“, denn Opa hatte ja im Singen immer eine Eins.

Mit Günther Oettingers halsbrecherischem „Schwenglisch“ absolvierte das sprachgewaltige Trio eine vergnüglich lange Strecke. Der Befürworter der Arbeitssprache Englisch versicherte idiomatisch unanfechtbar: „I do what I can, more can I not do“. Die um diplomatische Komplikationen besorgten Kabarettisten hoffen dagegen nur, dass „uns die Briten deshalb nicht den Krieg erklären“.

Dank des „Politnavigators“, der per GPS direkt mit dem Hirn vernetzt wird, zeigten die Akteure auf, wie sich mögliche linguistische Gefahrenstellen weiträumig umlabern lassen, um pathetisch der Mittelspur folgend mit gelegentlichen Kurskorrekturen nach halblinks und scharf rechts rhetorisch sicher ans Ziel zu kommen.

Bei der „Kleinen Machtmusik“ durften sich die Politiker dann wieder ins Zeug legen. Gestört wurde die dabei aufkommende Harmonie eigentlich nur von Selbstverteidigungsminister zu Guttenberg, der sich schließlich auf das konzentrieren musste, was er am besten kann und daraufhin ohne Widerspruch die ganze Partitur abschrieb.

In Höchstform und voll auf der Höhe der Zeit präsentierten sich „Seehofer“ Ute Loeck, „Westerwelle“ Peter Mohr und vor allem der als rothaariges Angie-Kasperle brillierende Marco Schiedt aber in ihren Kochrunden, bei denen sie gnadenlos alles in das politische Reste-Essen ihrer Einheitssuppe packten. Neben vielen Worthülsen und leeren Versprechungen packten sie als Geschmacksverstärker Zutaten wie die Rente mit 87, Zwangsarbeit für Hartz IV-Empfänger und vor allem eine üppige Portion Atommüll in ihren schwer verträglichen Eintopf und freuten sich schon vorab auf die strahlenden Gesichter ihrer Mitesser.

Selbst Auslöffeln wollten die experimentierfreudigen Köche freilich nicht, was sie da ihren Gästen alles eingebrockt und mit viel Salz und scharfem Pfeffer noch weiter belastet hatten. Schließlich wissen die Akteure im Kasperle-Theater der Politik ja immer viel besser als ihre Wähler, was genau sie ihnen alles zumuten.