Damit die Fahrgäste, die nicht in der Nähe des S-Bahnhofs wohnen, nach Hause kommen, regeln die Kommunen im Landkreis Esslingen den Weitertransport. Die meisten Städte und Gemeinden setzen dabei auf Nachttaxis. Wer beispielsweise am Kirchheimer Bahnhof ankommt, kann sich telefonisch ein Anruf-Sammeltaxi (AST) bestellen, das ihn in die Innenstadt, die Vororte oder die umliegenden Gemeinden bringt (siehe Infokasten). In der Region ist der Weitertransport allerdings unterschiedlich geregelt: Die Stadt Stuttgart sowie die Landkreise Böblingen und Ludwigsburg setzen für den Weitertransport Nachtbusse ein.
An den unterschiedlichen Regelungen entzündet sich nun kurz vor Start der Nacht-S-Bahnen Streit. Regionalpolitiker haben die Modelle der Landkreise Esslingen und Rems-Murr, der beim Weitertransport der Fahrgäste ebenfalls auf Nachttaxis zurückgreift, im Verkehrsausschuss des Verbands Region Stuttgart (VRS) kritisiert. SPD-Regionalrat Thomas Leipnitz bezeichnete die Regelung als „Armutszeugnis“, sein CDU-Kollege Rainer Ganske forderte „einen Nahverkehr aus einem Guss“.
Das wollen die Landräte von Esslingen und Rems-Murr, Heinz Eininger und Johannes Fuchs, nicht auf sich sitzen lassen. In einem Brief an die verkehrspolitischen Sprecher des Verkehrsausschusses werfen sie den Regionalpolitikern vor, „die Verhältnisse vor Ort entweder zu ignorieren oder darüber in vollkommener Unkenntnis“ zu sein. „Auch werden wir den Verdacht nicht los, dass abseits sachlicher Erwägungen den Landkreisen ihre Zuständigkeit für den Busverkehr streitig gemacht werden soll“, so Eininger und Fuchs in ihrem Brief. Nicht die Anbindung an die Nacht-S-Bahn liege den Regionalpolitikern am Herzen, sondern die Erweiterung ihrer eigenen Einflussmöglichkeiten. Der Nachtverkehr solle einmal mehr als Aufhänger dienen, um die Aufgabenträgerschaft für den gesamten ÖPNV einzufordern. Eininger und Fuchs verteidigen ihre Nachtverkehrs-Konzepte: „Der Anschluss an die Nacht-S-Bahn mit Nachtbussen und ergänzenden Ruftaxis ist nicht nur sichergestellt, sondern orientiert sich am tatsächlichen Bedarf und ist vor allem auch finanzierbar.“
Die Stimmung zwischen Landkreis Esslingen und Verband Region Stuttgart beim Thema Nachtverkehr war auch schon vor der Verbalattacke der Regionalpolitiker nicht gerade rosig gewesen. Schließlich hatte der Verband Ende 2011 auf eigene Faust beschlossen, ab dem Fahrplanwechsel die regionalen Nachtbusse durch S-Bahnen zu ersetzen. Für den Landkreis ein teures Vergnügen: Während er bisher lediglich 132 000 Euro für die Nachtbusse bezahlte, kommen künftig Kosten in Höhe von rund 360 000 Euro auf ihn zu. An den Kommunen bleiben knapp 250 000 Euro hängen.
Einen Sonderweg innerhalb des Landkreises geht die Stadt Esslingen. Sie setzt ab dem Esslinger Bahnhof Ruftaxis ein, für die das VVS-Ticket nicht gültig ist. Fahrgäste zahlen für den Heimweg auf die Fildern oder den Schurwald sechs Euro. Die Esslinger Regelung schmeckt den Jugendorganisationen der Parteien im Kreis Esslingen gar nicht. Junge Union, Grüne Jugend, Jusos, Junge Liberale und der Esslinger Jugendgemeinderat fordern den Weitertransport mit Nachtbussen, zunächst für die Stadt Esslingen, später für den gesamten Landkreis. „Wir glauben, dass die Nachttaxis von der Kapazität her nicht ausreichen“, sagt der Kreisvorsitzende der Jungen Union (JU) Tim Hauser. Der Weitertransport mit Nachttaxis funktioniere heute schon oft nicht, unter anderem, weil die Taxis häufig gar nicht als solche gekennzeichnet seien. Oft müssten Jugendliche lange Wartezeiten in Kauf nehmen. „Wir glauben, dass das manche Kreisräte nicht wirklich einschätzen können“, sagt Hauser.