Keine Gnade für den Leierkasten-Mann. Der Helfer, der die Werbebande direkt vor der Mannschaftsbank per Handkurbel umblätterte, hatte am Samstag einen brandgefährlichen Job. Einer von vielen guten Geistern im Klub lief gleich mehrmals Gefahr, als Verkehrsopfer in der Coaching-Zone zu enden. Mit einem Trainer, der im Tunnel steckt, ist schließlich nicht zu spaßen.
Es hätte ein furioser, ein emotionaler Auftakt werden können. Doch zu einem wild gestikulierenden Headcoach im Hochvoltbetrieb gehörte an diesem Abend eine Mannschaft, die unter Strom stand. Angespannt, fahrig - die Nervosität habe vielen in der Kabine im Gesicht gestanden, gibt der Trainer später zu. „Das ist ein Stück weit normal und auch menschlich“, nimmt Mauricio Parra sein Team in Schutz.
Das Pflichtspiel-Debüt des Spaniers und seiner neu formierten Mannschaft hätte an diesem Abend leicht mit einem Debakel enden können. 19 Punkte Rückstand Mitte des zweiten Viertels, 15 verworfene Dreier bis zur Pause, das sind Eckdaten, die jeden Trainer in Alarmzustand versetzen müssen. Dass die Katastrophe ausblieb, die Knights das Spiel im Schlussviertel sogar noch hätten drehen können, sind nur zwei Gründe, weshalb Parra am Tag danach vergleichsweise entspannt wirkt. „Wir hatten vier Mal die Chance zum Ausgleich und haben sie jedes Mal verschlampt“, sagt er. „Dann wäre das Spiel ganz anders gelaufen.“
Tatsächlich muss er sich und seiner Mannschaft an diesem Abend weniger ankreiden, als vor allem die erste Hälfte vermuten ließe. Elf von 15 Fehlwürfen bis zur Pause kommen völlig unbedrängt, die Entscheidung auf Zonen-Verteidigung umzustellen und diesen Entschluss in der zweiten Hälfte zu revidieren, ist völlig richtig, wird aber schlecht umgesetzt. Dajuan Graf ackert 40 Minuten lang im Spielaufbau, um in der Defensive Atem zu schöpfen. Er ist an diesem Tag der Strippenzieher, der den Dienst an der Mannschaft auch dort vorzieht, wo gesunder Egoismus zielführender wäre, und Andreas Kronhardt ist der, der nach langer Verletzungspause in der Schlussphase zu lange auf dem Feld steht.
Das sind Details, die am Ende den Unterschied ausmachen, aber keine grundlegenden Defizite offenlegen. Zumal man mit den Dragons aus dem Artland auf einen Gegner traf, der nach einer herausragenden Vorbereitung mit Siegen gegen Bremerhaven und Vechta wie aus einem Guss wirkte. Dass ein alter Fuchs wie Chase Griffin die beste Versicherung in der Crunchtime ist, auch das war an diesem Tag weder neu noch überraschend.
Wettkampfpraxis fehlt
Dass das abgesagte Auftaktspiel in Nürnberg aus Kirchheimer Sicht einen Zeitvorteil brächte, glaubten viele. Chris Schmidt zählt nicht dazu: „Was Wettkampfpraxis bewirkt, konnte man in diesem Spiel sehen“, sieht sich der Sportchef der Knights bestätigt. Für Headcoach Parra heißt das: „Gegen Trier werden wir von Beginn an eine ganz andere Mannschaft sehen, davon bin ich überzeugt.“ Dann wohl auch mit dem am Knöchel verletzten Caleb Oetjen, der am Samstag nach dem Aufwärmen passen musste und das Spiel anschließend neben der Spielerbank strampelnd auf dem Ergobike verfolgte.
Mit dem Backup-Guard kommt jene Entlastung auf der Spielmacher-Position, die Rhondell Goodwin am Samstag nicht zugetraut wurde. Der Topscorer aus der Vorbereitung wirkte gehemmt und zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Der Trainer ist überzeugt, dass auch bei ihm der Knoten platzt. Parra wirbt um Geduld für seine Mannschaft, die sich jetzt im Kampfmodus finden muss. „Die Gründe für die Niederlage kennen wir“, sagt er. „Und daran werden wir arbeiten.“