Katholische Gesamtkirchengemeinde und Caritas richten einen „Ort des Zuhörens“ ein
Der ganze Mensch im Mittelpunkt

„Orte des Zuhörens“ wollen die Katholische Gesamtkirchengemeinde Kirchheim und die Caritas künftig gemeinsam anbieten. Es geht darum, für andere Menschen da zu sein und ihre Sorgen anzuhören. Vor allem aber sollen die Menschen als Ganzes wahrgenommen werden und nicht als Fall für ein spezialisiertes Beratungsangebot.

Andreas Volz

Kirchheim. Die Idee der „Orte des Zuhörens“ stamme aus Mailand, sagt Helga Rütten vom Caritas-Zentrum Esslingen, die gemeinsam mit Thomas Kubetschek, dem Diakon der Kirchengemeinde Sankt Ulrich, diese spezielle Form des Zuhörens in Kirchheim verankern möchte. Es geht darum, dass zwei ehrenamtliche Mitarbeiter der Kirchengemeinde anbieten, sich Zeit zum Zuhören zu nehmen. Die Gespräche finden also meistens unter sechs Augen statt: Zwei Personen sind die Ansprechpartner, und mindestens eine Person ist die, die mit ihrem Anliegen gehört werden möchte.

2007 habe die Caritas in Esslingen erstmals „Orte des Zuhörens“ angeboten, ergänzt Thomas Kubetschek. Mittlerweile gibt es dort drei bis vier verschiedene „Orte“. Vor zwei Jahren habe die Gesamtkirchengemeinde gesagt, dass es in absehbarer Zeit auch in Kirchheim so ein Angebot geben solle. Nun ist es also so weit: Am morgigen Sonntag beginnt um 11 Uhr in Sankt Ulrich der Beauftragungsgottesdienst für die ehrenamtlichen Zuhörer. Am Dienstag, 7. Mai, geht der Kirchheimer „Ort des Zuhörens“ im Haus Cäcilia, Schlierbacher Straße 17, bereits an den Start.

Die Ehrenamtlichen haben eine mehrwöchige Grundlagenausbildung erhalten. Sie haben dabei viel über die Gesprächsführung erfahren, sie haben Details der Hartz IV-Regelungen kennengelernt und sie haben vermittelt bekommen, wie man sich trotz aller nötigen Zuwendung beim Zuhören immer noch selbst von den geschilderten Schicksalen abgrenzen kann und muss. Thomas Kubetschek verweist aber darauf, dass die Zuhörer noch viel mehr mitbringen als das, was sich in der Grundlagenausbildung vermitteln lässt: „Sie haben ja alle schon ihre Kompetenzen, aus Familie und Beruf. Sie verfügen über einen reichen Erfahrungsschatz.“

Was die Ehrenamtlichen tun sollen, ist natürlich zuhören. Aber dabei bleibt es nicht immer. Trotzdem sind die „Orte des Zuhörens“ nicht einfach eine weitere Beratungsstelle. Thomas Kubetschek zufolge können die Ehrenamtlichen dazu ermutigen, den ersten Schritt zu gehen, um aus einer schwierigen Situation wieder herauszukommen. Sie können gemeinsam mit den Ratsuchenden Wege entdecken und aufzeigen, die in die richtige Richtung führen. Schließlich können sie im konkreten Fall auch an eine professionelle Beratungsstelle weiterverweisen. Aber selbst das kann sehr hilfreich sein, denn oft bekämen die „Zuhörer“ ihrerseits zu hören, dass eine lange Wartezeit nötig sei, um bei professionellen Beratungen überhaupt einmal einen Termin zu bekommen.

Helga Rütten spricht andererseits von „sehr spezialisierten Aspekten“, die für viele Beratungsstellen wichtig seien. „Aber viele Leute haben nicht nur ein Problem, sondern mehrere. Und sie fühlen sich immer nur mit ihrem Teilaspekt wahrgenommen.“ Deshalb wollen die Mitarbeiter der „Orte des Zuhörens“ Zeit schenken und den Hilfesuchenden zeigen, dass sie hier als ganzer Mensch gelten.

Diese ganzheitliche Wahrnehmung sei für die Betroffenen ein besonderer Wert. Das gelte auch für die Gespräche überhaupt: Wer sich etwas von der Seele redet, wird oft allein dadurch von einer Last befreit. Für die Betroffenen kläre sich mitunter schon sehr viel, indem sie ihr Problem in Worte fassen. Die Probleme könnten sehr vielgestaltig sein. Wenn das augenscheinliche Problem die offene Stromrechnung ist, dann stecke ja meist ein viel größeres Problem dahinter. Mit dem Bezahlen der einen Rechnung sei es nicht getan. Das strukturelle Problem müsse erkannt und angegangen werden.

Die „Orte des Zuhörens“ sollen bewusst „niederschwellig“ sein. Deshalb kann man sich zwar vorher schon telefonisch anmelden. Aber das ist keine Voraussetzung. „Das Telefonat soll keine Hemmschwelle aufbauen. Man kann auch ohne Anmeldung vorbeikommen“, sagt Helga Rütten. Zu erreichen sind die ehrenamtlichen Zuhörer jeden Dienstag von 18 bis 19 Uhr – außer in den Schulferien. Telefonischer Ansprechpartner ist Diakon Kubetschek, Telefon 01 60/2 24 46 22. Das Angebot ist übrigens kostenlos, und die Mitarbeiter unterliegen der Schweigepflicht.