Kirchheim. Die Geschichte der Kapelle Herbstwind ist wahrlich beeindruckend: Fast 400 hochoffizielle Auftritte haben die passionierten Musiker in annähernd zwei Jahrzehnten absolviert, dazu kommen unzählbare Geburtstagsständchen und kleinere Aktivitäten sowie alle vierzehn Tage ein Probetermin im Kirchheimer Schlössle.
Entstanden ist die Idee, ehemalige Musiker aus verschiedenen Kapellen zu einer Seniorenblaskapelle einzuladen, im Jahr 1993. Damals war Kirchheim Modellstadt im Rahmen der „Initiative 3. Lebensalter“. Heinz Eininger, heute Landrat und seinerzeit Bürgermeister in Kirchheim, griff zum Telefonhörer und konnte sofort Heribert Diemer für das Projekt gewinnen. Der Vollblut-Musiker leitete zu diesem Zeitpunkt unter anderem die legendären Kirchheimer Turmbläser und die MBB-Werkskapelle. Viele Mitglieder der Werkskapelle unterstützten das neue Projekt spontan, sodass „Herbstwind“ noch im Jahr der Gründung den ersten öffentlichen Auftritt hatte: Musiziert wurde zur Eröffnung des Bürgerbüros, zu dessen Projekten die Kapelle zählt.
Der Erfolg war sogleich durchschlagend, denn über einen Mangel an Engagements können sich die Hobby-Musiker seither wirklich nicht beklagen. „Wir haben unsere Fans, bei denen wir regelmäßig auftreten“, berichtet Dirigent Heribert Diemer. Dazu zählen viele Seniorenheime, aber auch Aktivitäten von Kirchengemeinden wie zum Beispiel das traditionelle „Schlachtfest“, das am 11. November wieder in Sankt Ulrich steigt. Weiter bereichert „Herbstwind“ durch ehrenamtlichen Einsatz den Alltag in vielen Heimen und bei etlichen sozialen Organisationen. Aber auch öffentliche Veranstaltungen wie etwa die Einweihung des kreiseigenen Kompostwerkes, die Wiedereröffnung der Tiefgarage Krautmarkt oder die Begrüßung der ersten S-Bahn wurden von „Herbstwind“ gekrönt. Eine Konzertreise hat die Musiker aus der Region rund um die Teck sogar bis nach Barcelona geführt. Auch der süddeutsche Rundfunk ist schon einmal mit einem Übertragungswagen vorgefahren. „Wir sind eingebunden ins gesamte regionale Leben“, fasst „Manager“ Emil Büttner zusammen.
Mag sein, dass der Erfolg der Gruppe in ihrem musikalischen Genre liegt. „Wir spielen Unterhaltungsmusik, also Blasmusik im traditionellen böhmisch-mährischen Stil“, erklärt Heribert Diemer. „Zu unserem Repertoire gehören alte Märsche, Walzer, die eine oder andere Polka, insgesamt über hundert Titel“, ergänzt Dr. Heinrich Freier, der die Finanzen unter seinen Fittichen hat. Wenn „Herbstwind“ ansetzt, darf ruhig auch das Tanzbein geschwungen oder mit dem Löffel im Rhythmus auf die Stuhllehne getrommelt werden. Bei so manchem Seniorennachmittag brachten die Musikanten schon den Saal zum Rasen.
Von den ehemals 16 Gründungsmitgliedern sind fünf noch aktiv. Hinzugekommen sind viele neue. Derzeit hat die Kapelle 21 Mitglieder zwischen 63 und 85 Jahren. Um flexibel zu sein, gibt es auch eine sechsköpfige Combo, die mit Schlagzeug unterwegs ist, und ein Bläserquartett, das zur Adventszeit weihnachtliche Weisen aufspielt. Neue Mitspieler sind jederzeit willkommen, vor allem Tenorhörner und Posaunen.
„Bei uns wird Geselligkeit und Spaß groß geschrieben“, erklärt Emil Büttner, dass nicht die Leistung im Vordergrund steht. „Wir spielen nicht in der Höchststufe“, macht auch Heribert Diemer klar. Willkommen ist jeder, der über 50 ist und ein Blasinstrument spielt. Zur Aufnahme muss man keine Preise und Meriten vorweisen. Bestes Beispiel dafür ist Heinrich Freier, der erst mit 50 Jahren zum Horn gekommen ist. Zwar hatte ihn das Instrument fasziniert, seit er als Kind erstmals die Freischütz-Ouvertüre gehört hatte. Doch als im Elternhaus nach dem Krieg „nur“ eine Geige verfügbar war, war eben Geigenunterricht angesagt. Emil Büttner wiederum ist auf Anregung seines Enkels zu „Herbstwind“ gekommen. Übrigens ist die Herrenriege durchaus offen für weibliche Unterstützung. „Wir freuen uns über Glanz in unserer Hütte“, betonen die Musiker und bedauern, dass es nicht viele Frauen ihrer Generation gibt, die Blasinstrumente beherrschen.
Kurzum: Im Mittelpunkt stehen bei „Herbstwind“ die Freude an der Blasmusik und der Spaß in der Gemeinschaft. Nichtsdestotrotz wird der Probebetrieb offensichtlich ernst genommen: Wenn Punkt 17 Uhr mittwochs alle 14 Tage die Probestunde beginnt, sind alle Musiker schon vor Ort. „Das allein zeigt doch, dass das Musizieren beim ,Herbstwind‘ nicht Last, sondern Freude ist“, sagt Emil Büttner. Die Musiker bringen Wind, Fröhlichkeit und Abwechslung in den Alltag ihrer Zuhörer – und in ihr eigenes Leben.
Wer bei „Herbstwind“ mitspielen möchte, kann sich an Emil Büttner wenden unter der Telefonnummer 0 71 64/1 23 23.