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„Der Respekt ist zurückgegangen“

Bewertung Der Psychologe Dr. Knut Latschka arbeitet mit Beamten schwierige Situationen auf.

Region. Wie gehen Polizisten mit Gewalterfahrungen um? Wie werden sie darauf vorbereitet, und wo liegen Fehler im System der Polizei? Ein Interview mit dem Polizeipsychologen Dr. Knut Latscha, der an der Hochschule für Polizei in Villingen-Schwenningen lehrt -geführt von Barbara Gosson.

Herr Dr. Latscha, bemerken die Polizisten, dass sich der Umgang mit ihnen verändert hat?

Dr. Knut Latschka: Ich denke schon, dass der Umgang sich verändert hat und der Respekt gegenüber Autoritäten wie der Polizei oder auch Lehrern zurückgegangen ist. Das ist, was mir die Polizisten berichten. Sie wünschen sich dann mehr Rückendeckung aus Politik und Justiz. Ein Angriff auf einen Polizisten ist immer auch ein Angriff auf den Rechtsstaat, da sollte schärfer geurteilt werden, beispielsweise dass es nicht als schuldmindernd gilt, wenn ein Täter betrunken war.

Wer wird respektlos? Kann man das an bestimmten Personengruppen festmachen?

Latschka: Es ist unterschiedlich. Hauptsächlich sind es Jüngere. Wir dürfen nicht vergessen, dass diese Leute nicht die Mehrheit sind. Innerhalb der Bevölkerung vertrauen 80 Prozent der Arbeit der Polizei.

Wie geht man mit jemandem um, der die Autorität der Polizei, vielleicht auch weiblicher Beamter, nicht akzeptieren möchte?

Wir schulen die Polizisten in Deeskalation, sie sollen bürgernah und freundlich agieren. Wenn jedoch jemand auf mehrfache freundliche Aufforderung, einen Platz zu verlassen, nicht reagiert, sollen die Polizisten signalisieren, dass jetzt Schluss ist. Was Frauen betrifft, da stellen wir fest, dass einige auf sie weniger aggressiv reagieren als auf Männer. Solche Konflikte werden auch in der Ausbildung geübt. Für Leute, die bereits Berufserfahrung haben, wurde das Studium von fünf auf drei Semes­ter verkürzt. Die Zeit fehlt natürlich, sodass viele Themen nicht bearbeitet werden können.

Fehlt da auch die Zeit, sich mit unbewussten rassistischen Mechanismen auseinanderzusetzen?

Das kann man gar nicht mehr richtig aufarbeiten. Es wird aber thematisiert, wie man Menschen wahrnimmt und wie Beurteilungsfehler entstehen, aber um unbewusste Strukturen zu reflektieren, dazu fehlt die Zeit. Selbst wenn es möglich wäre, könnte man nicht alle erreichen. Wir werden bei der Polizei immer Menschen haben, die eher links oder eher rechts sind, die Polizei ist eben ein Spiegelbild der Gesellschaft.

Wie können solche Geschehnisse wie in Stuttgart nachbereitet werden?

Da gibt es verschiedene Möglichkeiten. Natürlich gibt es die polizeitaktische Nachbereitung, wo man bespricht, was besser hätte laufen können, um daraus zu lernen. Wurde jemand verletzt, geht es erst einmal um die körperliche Genesung, dann geht es an die seelische Aufarbeitung mit speziell geschulten Psychologen. Da geht es nicht nur um Gewalterfahrungen, sondern auch um andere schlimme Erlebnisse, die die Polizisten im Dienst haben.

Wie wird mit Polizisten umgegangen, die selbst gewalttätig geworden sind?

Natürlich gibt es Kollegen, die überzogen reagieren, das ist jedoch nur ein geringer Prozentsatz. Auch da sollte man durchgreifen, da wird manchmal zu lasch von den Justizbehörden gehandelt, sie brauchen ja die Polizei. Falls Übergriffe bekannt werden, ermitteln interne Kommissariate. Es ist gut, wenn Polizisten gut miteinander arbeiten und einander schützen, jedoch schlecht, wenn sie sich gegenseitig decken. Was soll ein junger Polizist tun, der erst einmal ganz unten in der Hierarchie steht, wenn er bemerkt, dass etwas nicht in Ordnung ist? Ich habe aber den Eindruck, dass der Korpsgeist weniger stark ist als noch vor 20 Jahren. Schlimm ist, wenn alle Polizisten zu spüren bekommen, wenn einer mal einen Fehler gemacht hat.

Wie beurteilen Sie die Ereignisse von Stuttgart?

Gerade schwappt diese Rassismusgeschichte aus den USA herüber. Ich denke, dass sich die Leute in Stuttgart davon inspirieren ließen. Der umstrittene Taz-Artikel, in dem Polizisten als Müll bezeichnet wurden, war eher nicht der Auslöser, denn ich glaube nicht, dass viele der Beteiligten ihn gelesen haben. Jetzt werden gerade viele Schuldzuweisungen gemacht. Aber erst die gerichtliche Aufarbeitung wird zeigen, was da wirklich war.