Hintergrundgespräch zur Situation der Kreiskliniken im Landkreis Esslingen
Der Tanker wechselt langsam seinen Kurs

Die Kreiskliniken rutschen im laufenden Jahr noch tiefer in die roten Zahlen – trotz Gegenmaßnahmen. In Teilen der Belegschaft macht sich Unruhe breit. Vor diesem Hintergrund haben Vertreter von Geschäftsführung, Aufsichtsrat und Betriebsrat über aktuelle Entwicklungen informiert.

Antje Dörr

Kreis Esslingen. Beim Pressegespräch zur aktuellen Situation der Kreiskliniken ging es nur am Rande um die Zusammenarbeit zwischen den Kreiskliniken und dem Städtischen Klinikum Esslingen. Aktueller Stand ist, dass die Gutachter von Ernst & Young ihre Arbeit aufgenommen haben. Vertreter von Landkreis und Stadt Esslingen begleiten diese Arbeit. „Wir gehen Stand heute davon aus, dass Anfang Oktober erste Ergebnisse vorliegen“, sagte Landrat Heinz Eininger, der zugleich Vorsitzender des Aufsichtsrats der Kreiskliniken ist. Er betonte, dass bisher keine Ergebnisse über eventuelle Leistungsverlagerungen vorlägen. „Wenn letzte Woche im Kreistag von einschneidenden Veränderungen gesprochen wurde, so sind das Einschätzungen einzelner Fraktionssprecher, die derzeit noch nicht mit konkreten Fakten belegt werden können“, sagte er.

Die Kreiskliniken schreiben seit 2010 rote Zahlen, auch im laufenden Jahr wird ein negatives Ergebnis von 6,9 Millionen Euro erwartet. Um die Kliniken wirtschaftlicher zu machen, sind seit anderthalb Jahren Konsolidierungsmaßnahmen im Gang. Eininger nannte drei wesentliche Handlungsfelder. Zum einen kämen Personal-, Material- und Sachkosten auf den Prüfstand. Natürlich dürfe man nicht mit dem Rasenmäher über die Personalkosten gehen. „Es gibt Bereiche, die voll ausgelastet sind und in denen Überstunden gezahlt werden“, so Eininger. In Bereichen, in denen die Leistungszahlen nicht stimmen, müsse man allerdings fragen, ob die Personalausstattung sachgerecht sei.

Die hohen Personalkosten der Kreiskliniken sind laut Elvira Benz, die als Stellvertreterin des erkrankten Geschäftsführers Franz Winkler die Kliniken leitet, auch strukturell bedingt. „Wir haben vier Standorte. Da braucht man natürlich vier Pförtner“, nannte sie ein Beispiel. Kliniken mit einem großen Campus hätten dieses Problem nicht. Außerdem seien im Gegensatz zu anderen Häusern alle Mitarbeiter bei den Kreiskliniken angestellt. „Wir haben keine untertariflich beschäftigten Mitarbeiter aus Servicegesellschaften“, sagte sie.

Ein zweites Handlungsfeld neben den Personalkosten ist laut Heinz Eininger die Verbesserung des Erlösmanagements. Ziel ist es, den Zeitpunkt zwischen Leistungserbringung und Rechnungsstellung deutlich zu verkürzen und die Leistungscodierung, also die Dokumentation medizinischer Leistungen für die Krankenkassen, zu optimieren. In diesem Bereich hat es in der Vergangenheit gehapert. „Wir haben derzeit Außenstände im niedrigen Millionenbereich“, sagte Elvira Benz. Um Ärzte von Dokumentationstätigkeiten zu entlasten und eine lückenlose Codierung sicherzustellen, werden Fachkräfte fortgebildet, die diese Aufgaben übernehmen. Geschult werden sie von Mitarbeitern einer Fremdfirma, mit der die Kliniken seit einem Jahr zusammenarbeiten.

Das dritte Handlungsfeld ist ein Medizin- und Finanzcontrolling, um das Unternehmen besser steuern zu können. Allerdings ist diese Stelle aktuell nicht besetzt, weil die Leiterin des Medizincontrollings gekündigt hat. „Wir haben Probleme, diese und andere Stellen zu besetzen“, sagte Eininger. Für Alfred Bachofer, stell­vertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Kreiskliniken, ist das kein Wunder. „Angesichts der Schlagzeilen, die die Kliniken schreiben, stehen die Bewerber natürlich Schlange“, sagte er ironisch.

Wo es hapert, ist also bekannt. „Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem“, sagte Eininger. Deshalb hat der Aufsichtsrat entschieden, für das nächste halbe Jahr vier externe Experten zu beschäftigen, die die stellvertretende Geschäftsführerin bei der Umsetzung des Konsolidierungsprozesses unterstützen. Dazu gehört auch ein erfahrener Klinikmanager. Kostenpunkt: 200 000 Euro.

Mit dem Einsatz dieser Experten soll laut Eininger insbesondere dem krankheitsbedingten Ausfall des Geschäftsführers Rechnung getragen werden. „Wir wissen nicht, wann Herr Winkler gesundheitlich wieder hergestellt ist“, sagte Heinz Eininger. Franz Winkler ist seit dem 10. April krankgeschrieben. Im Augenblick liege eine Krankmeldung bis zum 30. August vor. Der Spagat für den Aufsichtsrat bestehe zurzeit darin, einerseits dem Unternehmensinteresse und den Mitarbeitern gerecht zu werden und andererseits der Führsorgepflicht gegenüber dem Geschäftsführer nachzukommen.

„Wir verkennen nicht, dass diese Prozesse beim Personal für Unruhe sorgen“, sagte Heinz Eininger, auch in Anspielung auf einen anonymen Brief, der in den vergangenen Tagen an Aufsichtsrat, Fraktionen und Kreispresse gegangen war. Darin werfen der oder die Absender Aufsichtsrat und Geschäftsführung Intransparenz und schwerwiegende Fehler in Personalfragen vor.

Eininger bat die Beschäftigten jedoch um Geduld. „Wir lösen das hier nicht in einem halben Jahr“, sagte er mit Blick auf den Konsolidierungsprozess. Sein Stellvertreter Bachofer stimmte ihm zu. „Die Kreiskliniken mit ihren vier Standorten sind ein Tanker. Das Umsteuern braucht Zeit“, sagte er. Der Geschäftsführerin gab er Rückendeckung. „Elvira Benz und ihr Team genießen unser volles Vertrauen“, sagte der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende.

Laut Mathias Geister, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender am Klinikum Kirchheim-Nürtingen, ist es hauptsächlich der Schwebezustand, der die 2 600 Mitarbeiter der Kreiskliniken plagt. „Das Kirchheimer Krankenhaus platzt aus allen Nähten, wegen der Fusionsgespräche gibt es einen Baustopp. Mit diesen Problemen sind die Mitarbeiter täglich konfrontiert“, sagte Geister. Trotzdem gäben die Mitarbeiter hundert Prozent und mehr. „Wir sind froh, dass es bisher nicht viele Kündigungen gab“, so der Betriebsrat. Ein Transparenzproblem sieht er nicht. „Die Mitarbeiter werden von der Geschäftsführung gut informiert“, sagte er. Informationen führten jedoch auch zum Nachdenken und zu Ängsten. „Die Mitarbeiter hängen an ihrem Arbeitsplatz“, sagte Geister.