Bissingen. Der wunderschöne und sehr komplexe Gesang der Nachtigall ist sprichwörtlich. Die Bissinger „Kiebitze“ und „Teenys“ nahmen es nun mit genau dieser Vogelgattung auf. Nicht „Des Kaisers neue Kleider“, nein, „Die chinesische Nachtigall“, ein weitaus unbekannteres
Märchen des dänischen Dichters Hans Christian Andersen hatten sie sich ausgesucht und die Bissinger Schulsporthalle am Samstag kurzum mit passenden Kostümen und einem fantasievollen Bühnenbild in einen kaiserlichen Hof verwandelt.
Die Geschichte handelt von dem kleinen Singvogel, der alle Bediensteten am chinesischen Hof und auch den Kaiser (Rebecca Hopf) mit seinem Gesang verzaubert. Sofort wird sie in die herrschaftlichen Gefilde geholt. Doch mit dem Besuch des Kaisers von Japan (Lara Franck) steht Konkurrenz ins Haus: dieser hat als Gastgeschenk eine mechanische Nachtigall (Simon Grünzweig) im Gepäck. Der jederzeit reproduzierbare Gesang des Aufziehvögelchens soll den Genuss immer und überall ermöglichen. Die lebendige Nachtigall muss weichen. Doch bald bemerken die Chinesen den fatalen Fehler und fordern „ihre“ Nachtigall zurück. Den Ausschlag gibt die ernste Erkrankung des Kaisers. Die mechanische Nachtigall hat den Geist aufgegeben und keine Medizin hilft mehr. Doch in letzter Sekunde kehrt die treue Nachtigall heim und bestätigt, was jeder bereits ahnte: Der echte Gesang aus der Singvogelkehle heilt Körper und Seele des Monarchen und bezwingt so am Ende sogar den Tod.
„Die chinesische Nachtigall“ erzählt von Konkurrenz und Neid, von Technikwahn und Marktgesetzen, von Gefangensein und von Freiheit. Dass am Ende nur die Natur – hier ist es das höchst lebendige Vögelchen, das Erbarmen mit dem kranken Manne hat – dem Kaiser zur Heilung und sogar zur Läuterung verhilft, spricht für sich. Ein unterhaltsames Stück, zum Lachen und zum Nachdenken.
Eineinhalb Jahre probten die „Teenys“ und die „Kiebitze“ des Männergesangvereins (MGV) Bissingen, etwa 25 Sängerinnen und Sänger zwischen acht und 16 Jahren, um das Märchen von der Nachtigall in der voll besetzten Bissinger Halle so anrührend auf die Bühne zu bringen.
Das von Andreas Schmittberger komponierte und mit Wortwitz getextete Musical verlangte den jungen Sängern einiges an Schauspielkunst ab. Doch auch wortgewaltige Passagen meisterten sie gekonnt, so besonders Cheng, Chang und Chung (Antonia Möhl, Jacqueline Gölz und Paul Russ), die als Diener am Hofe gleichzeitig in Erzählerrollen schlüpften, die drei Ärzte (Delia Grünzweig, Sofia Russ und Ninon Maurer), die unaussprechliche Diagnosen stellten wie auch der frustrierte Haushofmeister, von Gina-Julia Westenberger überzeugend dargestellt. Maya Schwammel mit ihrer natürlich betörenden Stimme verlieh der Nachtigall wundersamen Glanz trotz des betont grauen Gewands und war ebenfalls punktgenau besetzt.
Für die detailgenaue und liebevolle Inszenierung wie auch für die musikalische Gesamtleitung und Regie zeichnete Adina Kolb verantwortlich. Vor vier Jahren übernahm sie die Leitung der beiden Bissinger Chöre und widmete sich neben dem Spaß am gemeinsamen Singen und Musizieren auch der stimmbildnerischen Arbeit. Für das Musical „Die chinesische Nachtigall“, das als Oper 1914 von Strawinsky uraufgeführt wurde, erhielt sie tatkräftige Unterstützung von Karin Dangel, die beim MGV für die Jugendarbeit zuständig ist.
Auch musikalisch hat sich Adina Kolb hervorragende Unterstützung geholt: Am E-Piano begleitete Ella Flemmer einfühlsam und umsichtig, und Simone Herters Flötenspiel unterstützte den Nachtigallengesang auf zauberhafte Weise. Sarah Lorenz am Bass sowie ihre Schwester Julia Lorenz am Schlagzeug ergänzten die Besetzung und bewiesen trotz ihres noch jungen Alters beachtliche Musikalität. Adina Kolb griff neben ihrem Dirigat auch noch zur Violine und verhalf der Komposition, die deutlich asiatisches Kolorit aufwies, zu weiteren Überraschungen.
Für die gelungene Vorstellung gab es anhaltenden Applaus. Die „Kiebitze“ und die „Teenys“ servierten den Bissingern einen intensiven Musicalgenuss und dem Verein ein Highlight.