Unzugeordnete Artikel
„Der Wandel wird kommen“

Professor Dr. Hans-Werner Wahl leitet die Abteilung für Psychologische Alternsforschung am Psychologischen Institut der Uni Heidelberg. Neben zahllosen wissenschaftlichen Arbeiten hat er jetzt erstmals ein Buch für die breitere Öffentlichkeit geschrieben.

Welchen Einfluss haben Alters-Klischees auf die Menschen?

Hans-Werner Wahl: Das ist eine Sache, die man sehr lange unterschätzt hat. In Langzeitstudien hat man festgestellt, dass Menschen, die schon mit 60 Jahren dem Älterwerden eher negativ entgegensehen und sagen, das sei alles ganz schlimm, auch nach 20 Jahren schlechter dastehen. Sie haben mehr Krankheiten, sie sind kognitiv - also in der geistigen Leistung - nicht mehr so gut drauf. Das liegt wahrscheinlich daran, dass man nicht so viel investiert, wenn man diese Haltung hat. Ältere Menschen, die positive Altersbilder von ihrem Älterwerden haben, leben auch länger.

Ist Altern vor allem Kopfsache?

Wahl: Ja absolut. Natürlich ist Altern sehr stark von der Biologie abhängig. Unsere Zellen, unser Gehirn, die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung: Das wird alles schlechter. Aber: Wir sind Menschen. Wir können unsere Veränderungen mit dem Altern bewerten, wir können sie einordnen. Insofern würde ich sagen, Altern spielt sich zu einem ganz großen Anteil in unserem Kopf ab. Wir bewerten unser Älterwerden, wir bewerten unsere Gesundheit und unsere Möglichkeiten. Da müssen wir auch ansetzen, wenn wir für uns etwas anders machen wollen.

„Man ist so jung wie man sich fühlt“. Ist an dem Spruch was dran?

Der hat aus meiner Sicht - so platt er klingt - noch nie so viel empirische Evidenz, so viele Daten, die das unterstützen, gehabt wie heute. Wir wissen, ältere Menschen fühlen sich zu einem größeren Teil jünger. Wir wissen aus vielen Studien: Je jünger man sich fühlt, desto besser ist man über längere Zeit drauf. Man verhält sich aktiver, investiert mehr in alle möglichen Dinge, die man im Alter noch so machen kann. Es gab Studien, die haben gezeigt: Ältere Menschen, die sich jünger fühlen, sehen am Ende auch jünger aus. Insofern können wir auch ein bisschen unsere Biologie beeinflussen. Das finde ich unglaublich spannend.

Wie hartnäckig sind denn die Alters-Stereotypen?

Wir kriegen diese negative Alterscodierungen nur schwer aus unserer Gesellschaft raus. Ich glaube, wir müssen geduldig sein. Was mir Hoffnung macht ist, dass die älteren Menschen sich zunehmend selbst ihre Rolle nehmen. Der Wandel wird kommen, aber es wird dauern. Günter Kahlert