44-Jähriger erhält Bewährungsstrafe wegen Körperverletzung, weil er zwei minderjährige Mädchen viel Wodka trinken ließ
Der Weg vom Kindercasting zur Alkoholvergiftung

Zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung ist gestern ein 44-Jähriger verurteilt worden. Er hatte zwei minderjährigen Mädchen in seiner Wohnung hochprozentigen Alkohol zur Verfügung gestellt – was zumindest bei einem der Mädchen zu einer Alkoholvergiftung führte. Das Gericht wertete dies als Körperverletzung.

Andreas Volz

Kirchheim. Der Angeklagte – der regelmäßig zwischen Kirchheim und seinem Wohnsitz mit Partnerin und vierjähriger Tochter in der Nähe von Berlin pendelt – organisiert beruflich unter anderem Veranstaltungen wie Auftritte von Prominenten oder Modenschauen. Beide Arten von Veranstaltungen können wohl einen gewissen Reiz auf Kinder und Jugendliche ausüben. So kam es auch zum Kontakt zwischen dem Angeklagten und den beiden Mädchen, die 13 und 14 Jahre alt sind. Sie hatten sich bei ihm für ein Casting gemeldet. Ein halbes Jahr lang hat er sich danach immer wieder mit den Mädchen getroffen.

Außerdem hat er über diverse elektronische Medien Kontakt mit ihnen gehalten. Einige der E-Mails sowie Chat-Protokolle vom vergangenen August lagen dem Gericht vor. Amtsrichterin Franziska Hermle fand das, was sie da zu lesen hatte, „äußerst verwunderlich“. Es sorge bei ihr für mehr als nur eine hochgezogene Augenbraue. Der Verteidiger war darauf bedacht, dass diese Protokolle in der öffentlichen Sitzung nicht verlesen werden – und zwar zum Schutz des Angeklagten, vor allem aber „zum Schutz der Mädchen“.

Zwei Sätze aus den Protokollen sind in der Verhandlung aber doch angesprochen worden. Einmal habe der Angeklagte geschrieben: „Ich liebe dich, Schatz“. Und ein anderes Mal habe er im Zusammenhang mit Flaschendrehen gefragt: „Machst du alles mit mir?“ Dies genügte für die Richterin, um festzustellen: „Das hat mit Distanzierung nichts zu tun.“ Zwei Monate, bevor er das geschrieben hatte, will der Angeklagte nämlich bereits versucht haben, den Kontakt zu den Mädchen abzubrechen.

Dass er den Kontakt tatsächlich besser abgebrochen hätte, das ist ihm mittlerweile auch bewusst. Was er getan hat, sei dämlich gewesen, er habe da „Mist“ gemacht, und es tue ihm furchtbar leid. Er entschuldigte sich in seinem letzten Wort auch ausdrücklich bei den beiden Mädchen und bei deren Eltern. Diese Entschuldigung wurde als strafmildernd angesehen – ebenso wie die Tatsache, dass es der Angeklagte den Mädchen durch seine Aussagen erspart hat, ihrerseits im Zeugenstand befragt werden zu müssen.

Dennoch versuchte der Angeklagte, seinen Anteil am Geschehen kleinzuhalten. Ereignet hatte sich die Tat, deren er angeklagt war, am 7. September vergangenen Jahres. Aus seiner Sicht hat er sich „breitschlagen lassen“, auf Anweisung der Mädchen Alkohol und Energy-Drinks zu kaufen. Er hat die Mädchen daraufhin zu sich nach Hause mitgenommen und sie dort den Alkohol – hauptsächlich Wodka – trinken lassen. Dass eine der beiden schließlich auf 0,56 Promille kam und die andere gar auf 0,9 Promille, könne auch gar nicht an dem Wodka liegen, den sie bei ihm getrunken haben. Sie hätten wohl schon zuvor Cocktails zu sich genommen.

Innerhalb von „gefühlten fünf Sekunden“ habe sich das ältere Mädchen verändert – von nahezu nüchtern auf völlig betrunken. Er sei daraufhin mit beiden von der Wohnung in sein Büro gefahren. Nach wenigen Minuten – gegen 22 Uhr – habe die Mutter eines der Mädchen geklingelt, von der Tochter per Handy informiert. Die ältere musste mit einer Alkoholvergiftung im Krankenhaus behandelt werden, hat aber zum Glück keine bleibenden Schäden davongetragen.

Vor Gericht ging es gestern nun darum, das Geschehen einzuordnen. Alle waren sich einig, dass es moralisch gesehen nicht in Ordnung war und dass es sich um ein gesellschaftlich geächtetes Verhalten des Angeklagten gehandelt habe. Strafrechtlich betrachtet, gingen die Ansichten zwischen Verteidigung einerseits und Staatsanwaltschaft andererseits deutlich auseinander. Der Verteidiger meinte, eigentlich sei sein Mandant freizusprechen. Sonst müsse man ja auch Gastwirte verurteilen, die Minderjährigen Alkohol ausschenken.

Die Staatsanwaltschaft dagegen ging von einer Körperverletzung aus, die der Angeklagte durch Unterlassung begangen hat, indem er die Mädchen nicht daran gehindert hat, die entsprechenden Mengen Alkohol zu konsumieren. Noch nicht einmal berücksichtigt war dabei ein Zitat, das dem Angeklagten zugeschrieben wurde, wonach die Mädchen entweder trinken oder ihm einen Kuss geben sollten. Der Angeklagte hatte sich immer darauf berufen, dass die Mädchen ja freiwillig und sogar auf eigenen Wunsch getrunken hätten.

Als erwachsener Mann hätte er genau Bescheid wissen müssen über die Wirkung des hochprozentigen Alkohols auf die beiden Minderjährigen, sagte die Richterin. Sein Verhalten sei nicht nur gesellschaftlich zu ächten, sondern „in erheblichem Maße strafrechtlich relevant“.

Mit ihrem Urteil – sechs Monate auf Bewährung – blieb Franziska Hermle um zwei Monate unter dem Antrag der Staatsanwältin. Die Bewährungszeit setzte sie auf drei Jahre fest – mit der Auflage, 4 500 Euro an eine gemeinnützige Organisation zu zahlen und eine Beratungsstelle aufzusuchen. Der Angeklagte müsse sich gewissen sexuellen Neigungen stellen, die zu seinem Verhalten geführt hätten, und diese Neigungen überwinden. Nur dann bestehe die Chance, dass sich so etwas nicht wiederholt. Ein Berufsverbot für 24 Monate, das sich auf die Veranstaltung von Kindercastings bezog, wie es der Nebenklägervertreter gefordert hatte, verhängte die Richterin nicht. Sie glaubt, der 44-Jährige lasse sich das Urteil als Warnung dienen. Man könne aber durchaus auf die Idee eines solchen Berufsverbots kommen.