Biosphärengebiet bereitet sich mit FVA Freiburg und Interessensverbänden auf „Isegrim“ vor
Der Wolf kommt – und dann?

Das Biosphärengebiet bereitet sich auf den Wolf vor. Vertreter der Schäferei, Land- und Forstwirtschaft sowie der Jägerei machen sich gemeinsam mit der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) Freiburg Gedanken darüber, was zu tun ist, wenn „Isegrim“ tatsächlich auf der Alb auftaucht.

Münsingen. Wer kennt ihn nicht, den bösen Wolf aus Grimms Märchen? „Rotkäppchen“ oder „Der Wolf und die sieben Geißlein“ sind vielen Erwachsenen noch in schaurig-schöner Erinnerung. Nun kommt dieser Wolf leibhaftig zurück und mit ihm die Bilder und Vorstellungen vom gefräßigen Raubtier aus den Märchen der Kindheit.

„Eine Gefahr für Waldbesucherinnen und Waldbesucher besteht nicht, wenn die Tiere zurückkehren“, sagt Dr. Michael Herdtfelder von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Freiburg (FVA). „Der Mensch passt nicht in das Beuteschema der Wölfe.“

Die Raubtiere, die bereits in der Schweiz, in den Vogesen, in Sachsen, Bayern und Rheinland-Pfalz sicher nachgewiesen wurden, leben dort teilweise schon als kleine Populationen, ohne dass es bislang zu gefährlichen Situationen mit Menschen kam. Dennoch gilt gegenüber dem Wolf die gleiche Verhaltensregel wie gegenüber anderen Wildtieren: Die Nähe der Tiere sollte nicht gesucht werden, um sie nicht in die Enge zu treiben. „Respekt ist geboten“, sagt Michael Herdtfelder.

Wölfe zeigen eine große Bereitschaft dazu, geeignete Gebiete auch weit abseits von etablierten Wolfsvorkommen durch natürliche Zuwanderung zu besiedeln. So gibt es mittlerweile wieder Wolfsvorkommen in Sachsen, Brandenburg, Niedersachsen, den Vogesen und der Schweiz.

In Baden-Württemberg sind aktuell keine Wolfspopulationen bekannt. Lebensraum können die anpassungsfähigen Tiere allerdings im Schwarzwald oder auf der Schwäbischen Alb finden.

Obwohl der erste sichere Nachweis eines Wolfes im Land noch aussteht und bislang nur selten ein Luchs auftaucht, setzt sich das Land gemeinsam mit Verbänden aus Jagd und Naturschutz dafür ein, über die Tiere aufzuklären und im Dialog mit der Landwirtschaft schon im Vorfeld mögliche Konflikte zu entschärfen.

Die Aufgabe der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg besteht darin, die wildbiologischen Sachinformationen beizusteuern und die Rahmenbedingungen für eine konstruktive Gesprächsführung zwischen allen beteiligten Verbandsvertretern sicherzustellen.

Das Biosphärengebiet Schwäbische Alb ist eines der vier Modellregionen in Baden-Württemberg, die sich auf den Wolf vorbereiten. Die anderen drei Gebiete sind der Nordschwarzwald, der Südschwarzwald und die Schwäbisch-Fränkischen Waldberge.

„Wir locken die Tiere nicht an, aber man kann davon ausgehen, dass der Wolf auch in Baden-Württemberg irgendwann auftaucht. Es gibt viele Leute, die ihn bereits gesehen haben wollen“, sagt Dipl.-Geograf Dr. Rüdiger Jooß vom Biosphärenteam. „Wir wollten das Projekt der FVA hier haben, weil wir uns rechtzeitig mit allen Betroffenen Gedanken machen wollten“, begründet Dr. Jooß, warum das Biosphärenteam die Workshops in Münsingen organisiert. In dieses regionale Forum entsandten die Schäfer, Landwirte, die Forstwirtschaft und die Jäger ihre Vertreter.

Herausforderungen durch die Rückkehr von Wölfen sind für die Nutztierhaltung zu erwarten: Ungeschützte Schafe oder Gehegetiere werden von den Raubtieren gerne als leichte Beute angenommen. Dem sieht Karl Ederle, Rasseausschussvorsitzender der Galloway-Züchter mit gemischten Gefühlen entgegen. „Wir Weidetierhalter haben Bedenken“, sagt Ederle. Er war Mitglied des Arbeitskreises Wolf in Münsingen.

Der Galloway-Züchter sieht keine Möglichkeiten, seine kleinen Herden am kleinparzellierten Albtrauf gegen einen Angriff von Wölfen zu schützen. Wie viele kleine Schäfer und Ziegenhalter auch, können sich Galloway-Züchter keine teuren Herdenschutzhunde leisten, sagt der Bissinger. Ebenso wenig könnten hohe Maschendrahtzäune mit Untergrabungsschutz in Landschafts- und Naturschutzgebieten aufgestellt werden.

Karl Ederle befürchtet, dass die Züchter und Weidetierhalter am Albtrauf bei massiven und anhal­tenden Schäden am Ende ihr Geschäft einstellen würden. Das allerdings hätte fatale Folgen: Schafe, Ziegen und Weiderinder halten die Landschaft offen. Würden sie nicht mehr eingesetzt, so könnten die Hangwiesen und Wacholderheiden schneller verbuschen und mit der Zeit verwalden.

Gerhard Stotz aus Münsingen, Schäfer in vierter Generation, saß ebenfalls im Arbeitskreis Wolf. Wie Ederle, so hat auch er kein gutes Gefühl, wenn er an das Raubtier und seine Schafe denkt. „Das ist eine Herausforderung für die Schäferei, die kann man in Zahlen gar nicht ausdrücken“, meint Stotz und spricht damit nicht nur die durch den Wolf angerichteten möglichen Schäden in der Herde an. „Wir Schäfer haben ohnehin keinen Achtstundentag, und dann auch noch nachts die Herde zu bewachen, das geht nicht.“

Der Schäfer, dessen Familie ein paar Tausend Tiere ihr Eigen nennt, vertritt die Auffassung, dass die natürliche Ansiedlung des Wolfs in der Öffentlichkeit zu positiv dargestellt wird.

Ähnlich sieht auch Bezirksjägermeister Jochen Sokolowski aus Dettingen in der Ansiedlung beziehungsweise Einwanderung der Wölfe ein Problem. „Der Wolf wird begrüßt, weil er das Rehwild frisst, und Hirsche müssen abgeschossen werden, wenn sie in freier Wildbahn auftauchen“, sieht er eine merkliche Diskrepanz in der politischen Handhabung der beiden Tierarten. Für Sokolowski sind „gewisse Wildarten hier nicht mehr denkbar“ – und dazu zählt für ihn auch der Wolf.

Der Landesjagdverband schlägt vor, den Wolf als jagdbares Wild in die Novellierung des Jagdrechts aufzunehmen, und zwar mit ganzjähriger Schonfrist wie in Sachsen. Damit fiele die Hege des Raubtiers in die Verantwortlichkeit des Jägers.

Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Freiburg bittet um die Meldung von Hinweisen auf Luchs und Wolf unter der Telefonnummer 07 61/40 18-2 74.