Dettingen. Ein Bürger aus Dettingen stört sich gewaltig an der Bezeichnung „Hindenburg-Hain“. Auch die ehemalige „Bismarck-Linde“ auf dem Käppele stößt ihm sauer auf. Deshalb schrieb er an die Gemeindeverwaltung einen Brief und beantragte, die beiden Schilder zu entfernen. Paul von Hindenburg und Otto von Bismarck seien Repräsentanten einer von Nationalismus, Militarismus und Imperialismus geprägten Ideologie und daher nicht verehrungswürdig, schrieb der Dettinger. Die Schilder solle man abmontieren und durch neue ersetzen „mit den Namen von zum Beispiel mutigen Widerstandskämpfern, Friedensaktivisten oder anderen großen Persönlichkeiten, die sich in der Kultur, Wissenschaft oder Politik Deutschlands verdient gemacht haben“.
Die Gemeindeverwaltung um Bürgermeister Rainer Haußmann sah diese Thematik als überaus wichtig an, weshalb sie den Antrag in die Tagesordnung der öffentlichen Gemeinderatssitzung aufnahm. „Es geht um kriegsverherrlichende Denkmäler. Jeder von uns hat seine persönliche Meinung zu dem Thema“, sagte Haußmann. „Aber wir haben auch die Verantwortung, uns dieser Frage zu stellen und sie öffentlich zu diskutieren. Alles andere wäre falsch.“
Haußmann ergänzte, dass sich das Thema „Bismarck-Linde“ durch Sturm Lothar eigentlich erledigt habe: Diese sei durch die „Jubiläums-Linde“ anlässlich 750 Jahre Dettingen im Jahr 2001 ersetzt worden, was auf einem Schild am Baum so sinngemäß zu lesen ist. Im Fokus der Diskussion stand daher der „Hindenburg-Hain“, aber auch die Hindenburgstraße. „Wenn wir das Schild infrage stellen, müssen wir auch über die Straße sprechen“, gab Haußmann zu bedenken.
Zur Sitzung eingeladen war Kreisarchivar Manfred Waßner, der Stellung bezog, den Gemeinderäten die Entscheidung aber nicht abnehmen wollte. Die Debatte sei nicht ungewöhnlich, betonte er. Landauf, landab würden ähnliche Diskussionen geführt – und das sei auch gut so. Ein Patentrezept gebe es allerdings nicht. Man müsse sich jeden Einzelfall vor Ort anschauen und individuell entscheiden.
„Klar ist: Heute würde keiner mehr eine Straße oder einen Hain nach Hindenburg benennen“, sagte Waßner. Die Vergangenheit lasse sich aber nicht ändern. Der Hain auf dem Käppele sei in der NS-Zeit so benannt worden. „Das gehört zur Geschichte Dettingens.“ Es sei damals eine Würdigung Hindenburgs gewesen; heute könne man die Bezeichnung als Mahnung und Erinnerung auffassen. Die Frage sei nur: „Was hält unsere Demokratie an Zumutung aus?“.
Waßner betonte ganz klar: „Eine Umbenennung wäre für mich ein unhistorischer Akt“. Sein Vorschlag war, zu dem Schild eine Erläuterungstafel zu stellen, durch die klar wird, warum der Hain so heißt und wie man damit umgeht.
„Jede Zeit würdigt bestimmte Menschen und bringt Grundeinstellungen zum Ausdruck“, sagte Andreas Hummel (CDU/FWV). „Schwierige Namen kann man aber nicht einfach so entsorgen.“ Viel besser sei es, sich mit der Geschichte auseinanderzusetzen. Auch Peter Bayer (FWG) betrachtete den „Hindenburg-Hain“ als Mahnmal, das es zu erhalten gelte. Peter Beck (SPD) könnte sich indes vorstellen, das Schild zu entfernen. Er gab aber zu bedenken, dass viele Dettinger mit dem Begriff „Hindenburg-Hain“ einen bestimmten Ort verbinden und keine Person. Das bestätigte Ulrike Schweizer (DBL). Hermann Pölkow (SPD) plädierte hingegen dafür, dem Hain seinen früheren Namen zu geben und ihn wieder Käppeles-Wasen zu nennen. Auf einer Tafel könne man dann erläutern, dass die Nazis den Ort zum „Hindenburg-Hain“ stilisiert hatten, ergänzte Pölkow.
Letztlich beschloss das Gremium bei neun Für- und drei Gegenstimmen, die Schilder sowohl an der Straße als auch am Hain zu belassen. Es soll aber an beiden Stellen eine Infotafel angebracht werden – möglicherweise mit QR-Code für Smartphone- und Tablet-Nutzer.