Die 32 afrikanischen Burenziegen grasen friedlich auf einer abschüssigen Wiese mitten im Landschaftsschutzgebiet Wiestal mit Rauber zwischen Jesingen und Ohmden, auch ein Schafbock ist dabei. Gemeinsam sorgen sie dafür, dass auf der Fläche in der Nähe des Wanderparkplatzes Unkraut und Büsche nicht mehr die Oberhand gewinnen. Seit Herbst vergangenen Jahres sind hier Unmengen an Gehölz abgetragen worden. Die vertrockneten Hölzer stapeln sich am Rande der Wiese. „Das war hier der Aufwuchs der letzten 30 Jahre“, erklärt Wolf Rühle, Naturschutzbeauftragter der Stadt Kirchheim. Das Grundstück gehört der Stadt, da passte es gut, dass die Bahn wegen der nahe gelegenen Bauarbeiten für den Abschnitt 2.1 der Trasse von Stuttgart nach Ulm auf der Suche nach Ausgleichsflächen war.
Die zwei Hektar große, völlig überwucherte Fläche kam gerade recht. „Der Schäfer hat uns gesagt, dass sie so nicht mehr nutzbar ist“, sagt Wolf Rühle. Die Verhandlungen mit der Bahn seien dann relativ unkompliziert gewesen. Ein Öko-Punkte-System regelt den Umfang für jeglichen Eingriff in die Natur. „In der Regel ist er immer etwas größer als die verbrauchte Fläche“, sagt Ulrike Barleben, Projektingenieurin für Natur und Artenschutz bei der Deutschen Bahn.
Man habe sich genau angeschaut, was bleiben kann und was weg muss, dazu holte man auch den Rat des NABU Jesingen und des Landschaftserhaltungsverbands ein. Ein Dachsbau konnte ebenso erhalten werden wie eine alte Esche mit mehreren Höhlen, in denen Tiere nisten sowie verschiedene Obstbäume. Als dann alles landschaftlich aufgehübscht war, kam Benjamin Oßwald mit den Ziegen ins Spiel. Der „Landschaftspfleger mit Biss“ hat seinen Stall nur wenige 100 Meter entfernt, seine Tiere mussten also nicht einmal weit umziehen. Mit Zäunen steuert er ihren Einsatzort auf dem stark abfallenden Gelände.
Wolf Rühle ist begeistert über die ebenso kletterfreudigen wie hungrigen Rasenmäher. „Mit Maschinen könnten Sie das hier gar nicht säubern“, sagt er. Und nicht nur das, auch „wartungsanfällig“ sind sie nicht, Regen macht ihnen ebenso wenig aus wie Kälte. „Ziegen sind friedlich und pflegeleicht“, schwärmt Benjamin Oßwald. Seitdem die Kleintiere groß genug sind, braucht er auch keine Angst mehr vor dem Fuchs zu haben. Auch Schlechtwetter macht den Tieren nichts aus. Die Expertin der Deutschen Bahn schließt sich an: „Ziegen sind meine liebsten Landschaftspfleger.“
Das Schutzziel in diesem Stück ist klar: Der halbtrockene Rasen soll möglichst frei von Stockaustrieben der gerodeten Büsche und gefällten Bäume bleiben. Dafür sind die Hornträger bestens geeignet. „Die Ziegen verbeißen auch das Gehölz, Schafe fressen nur die weichen Blätter“, erklärt Rühle. Wobei auch die Schafe noch zum Einsatz kommen werden. Statt wie vorher Wildrosen, Haselnussträucher und Hartriegel sollen nun Salbei, Thymian, Orchideen oder Golddisteln wachsen, die seltenen Tierarten Nahrung bieten, wie den bedrohten Schmetterlingsarten Brombeer- und Schlehenzipfelfalter oder dem bekannteren Schwalbenschwanz. Nach dem Kirchheimer Vorbild sollen die Ziegen auch bald in Aichelberg zum Einsatz kommen, ebenfalls wieder im Auftrag der Bahn. Dann ist die Fläche mit 1,2 Hektar allerdings kleiner. „Der Umfang dieser Ausgleichsmaßnahme hier ist schon etwas Besonderes“, betont Ulrike Barleben.