Kirchheim. Es gibt Wörter, die Gabriele Fischer gar nicht mag. Expansion gehört dazu, Wachstum und Hierarchie. „Das ist alles alte Welt“, sagt sie dann, und meint damit die Industriegesellschaft, die sich nach einer 150-jährigen Erfolgsgeschichte in eine Wissensgesellschaft verwandle. Viel besser gefallen der Gründerin und Chefredakteurin des Hamburger Wirtschaftsmagazins „brand eins“ Begriffe wie Kreativität, Kooperation und Kleinteiligkeit – die Leitgedanken einer neuen Wirtschaftswelt. Wie sich die Unternehmen darauf einstellen können und warum es keinen Weg zurück gibt, darüber sprach die Journalistin und Unternehmerin beim Frauenwirtschaftstag im Gewölbekeller der Kirchheimer Volksbank.
„Die Industriegesellschaft hat ihren Job fabelhaft gemacht“, sagt Gabriele Fischer. Sie habe mit immer weniger Menschen, Geld und Ressourcen immer mehr Produkte hergestellt und damit in den Industrieländern für Wohlstand gesorgt. Doch es gibt eine Kehrseite der Medaille: Die Produktionsjobs wandern ab. „Diese Arbeitsplätze hier zu halten, wird nicht gelingen.“ Deutschland müsse sich auf andere Bereiche konzentrieren: Auf Unterhaltung, Wissen und Gesundheit. „Es muss etwas geben, das wir in Deutschland am besten können“, sagt Gabriele Fischer. „Und wenn wir der Ort sind, an dem Senioren die beste Infrastruktur vorfinden.“
Doch wie wirkt sich das auf den Arbeitsmarkt aus? „Es gibt eine Menge Prognosen, die sagen, dass die Wissensgesellschaft nicht mehr so viele Arbeitsplätze schaffen kann, wie die Industriegesellschaft das konnte“, so Fischer. Deshalb plädiert sie für ein Umdenken, vor allem im sozialen- und Bildungsbereich. „Wir werden lernen müssen, dass Bildung und Gesundheit keine Sozialleistungen sind, sondern Leistungen, für die wir gerne bezahlen.“ Arbeiten, die in diesen Bereichen bisher ehrenamtlich geleistet würden, müssten als Arbeit ernstgenommen, anders zugeschnitten und bezahlt werden. Auch das Sozialsystem müsse sich verändern. „Dass sich ein Land, in dem 90-Jährige quietschfidel im Altersheim sitzen, eine Debatte über die Rente mit 67 erlaubt, geht nicht“, findet sie. Kein Sozialsystem dieser Welt könne den Menschen ein Drittel ihres Lebens finanzieren.
Gabriele Fischer glaubt, dass den kleineren Unternehmen die Zukunft gehört. Nur dort könne es Strukturen geben, in denen Mitarbeiter angstfrei und kreativ arbeiten könnten. „Diese kleinteilige Struktur ist in mittelständischen Unternehmen schon gegeben“, so Fischer. Allerdings seien sie zu häufig patriarchalisch und hierarchisch organisiert. „Davon muss man sich verabschieden.“
Für die Klagen mittelständischer Unternehmer, dass die Politik sie ignoriere, hat Gabriele Fischer wenig Verständnis. „Wir verbringen Stunden damit, uns aufzuregen. Und in der Zwischenzeit hätten wir schon 16 gute Ideen gehabt.“ Die Hörigkeit gegenüber der Politik gehöre in die alte Welt. „Das, was uns interessiert, wird nicht in Berlin entschieden, sondern bei uns vor Ort.“
Bei aller Notwendigkeit, mit der Zeit zu gehen und sich zu verändern: Gabriele Fischer rät Unternehmern davon ab, auf jeden Trend sofort zu reagieren. „Das Tempo, das uns immer suggeriert wird, ist so schnell nicht“, glaubt sie. Besser sei es, sich ab und zu hinzusetzen, nachzudenken und der eigenen Intuition zu vertrauen. „Bleiben Sie nicht stehen. Aber lassen Sie sich auch nicht verrückt machen.“