Andrea Reicherzer und Joachim Elger von Pro Familia Kirchheim befürworten die Rezeptfreiheit für die „Pille danach“
„Die Befürchtungen sind haltlos“

Seit Mitte März ist die „Pille danach“ rezeptfrei in Apotheken erhältlich. Andrea Reicherzer und Joachim Elger von Pro Familia Kirchheim begrüßen die Entscheidung: Es sei wichtig, die Nachverhütung bei Pannen einfach und schnell zugänglich zu machen.

Wie stehen Sie dazu, dass die Pille danach jetzt rezeptfrei erhältlich ist?

REICHERZER: Wir begrüßen das sehr. Pro Familia setzt sich schon seit Jahren dafür ein, dass der Weg zur „Pille danach“ einfacher wird. Alle Frauen müssen einen leichten Zugang zu Nachverhütung haben. Besonders bei der „Pille danach“ ist es wichtig, dass es keine große Hürden gibt, weil sie möglichst schnell eingenommen werden muss, um wirkungsvoll zu sein.

Steigt das Risiko, dass die „Pille danach“ nicht mehr wirkt, denn so schnell?

REICHERZER: Ja. Nach nur 24 Stunden liegt die Wirksamkeit zum Beispiel nur noch bei 85 Prozent. Es ist gut, dass Frauen nicht mehr noch in die Ambulanz müssen, wenn am Wochenende mal eine Verhütungspanne passiert. Man landet ja dann auch nicht immer bei einem Gynäkologen. Außerdem haben Apotheker auch einen Beratungsauftrag.

Befürchten Sie nicht, dass Frauen nun leichtfertig zu der „Pille danach“ greifen?

REICHERZER: Die Befürchtungen sind völlig haltlos. Verhütungspannen passieren nunmal. Es gibt momentan einfach kein hundertprozentig sicheres Verhütungsmittel. Da ist es wichtig, den Zugang zu der „Pille danach“ einfach und schnell zu gestalten. Es gibt Untersuchungen in anderen Ländern, in denen die „Pille danach“ schon länger ohne Rezept erhältlich ist. Die Studien zeigen, dass übliche Verhütungsmittel trotzdem genauso weiterverwendet werden.

ELGER: Außerdem macht es schon aus Kostengründen gar keinen Sinn, auf andere Verhütungsmittel zu verzichten. Die „Pille danach“ wäre um ein vielfaches teurer.

Worin lagen vorher die Hürden für Frauen, die Nachverhütung brauchen?

REICHERZER: Pro Familia hat vor ein paar Jahren eine Onlinebefragung gemacht, in der Frauen ihre Erfahrungen mit der „Pille danach“ schildern sollten. Zwei Drittel der Betroffenen haben von den Frauen erfahren, dass es für sie Stress bedeutet hat, das Rezept zu holen. Außerdem berichten rund ein Drittel der Frauen, dass sie sich abschätzig behandelt fühlten, wenn sie den Arzt mit dem Wunsch nach der „Pille danach“ aufsuchten.

Können Sie sich erklären, woher diese Abschätzung kommt?

ELGER: Die Frauen fühlen sich wahrscheinlich dafür verurteilt, dass sie vorher nicht richtig verhütet haben. Das ist zum Teil ein Gefühl, das die Frauen einfach haben, zum Teil das wirkliche Verhalten des Arzts. Wenn Ärzte tatsächlich Vorbehalte gegen die „Pille danach“ haben und die der Patientin zeigen, sind das, glaube ich, eher allgemeine Zweifel an der Entscheidung, eine Schwangerschaft abzulehnen.

Was passiert im Körper, wenn ich die „Pille danach“ nehme?

REICHERZER: Die „Pille danach“ bewirkt, dass der Eisprung verhindert oder verzögert wird. So kann das Ei nicht befruchtet und die Frau nicht schwanger werden.

Und wenn das Ei schon befruchtet wurde?

REICHERZER: Wenn das Ei schon befruchtet ist, ändert die „Pille danach“ nichts mehr. Deswegen ist die „Pille danach“ eine sogenannte Nachverhütung und hat nichts mit einer Abtreibung zu tun. Es ist aber auch bei schon bestehender Schwangerschaft unbedenklich, die „Pille danach“ zu nehmen.

Es gibt also bei der „Pille danach“ keinerlei Risiken?

REICHERZER: Nein, uns sind keine Risiken bekannt. Es gibt ein paar mögliche Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, aber nichts Gravierendes oder gar Bleibendes.