Die Bierkeller dienten zum Temperieren und Lagern von Bier – Über den Kellern entstanden im Lauf der Zeit beliebte Ausflugslokale
Die Bierkeller dienten zum Temperieren und Lagern von Bier – Über den Kellern entstanden im Lauf der Zeit beliebte Ausflugslokale

Kirchheim. Wenn Michael Attinger und Udo Kälberer Bier, das in Kirchheim gebraut wurde, im alten Teckkeller-Gewölbe lagern, dann greifen 
sie damit auf eine alte Tradition zurück: Was heute eher eine witzige Idee ist, war einstmals aber ernste Notwendigkeit. Moderne Kühlsysteme erlauben es heute, Bier das ganze Jahr über auf einer gewünschten Temperatur zu halten – mit entsprechendem Energieaufwand, aber ohne große körperliche Vorleistung.

Im Februar 1967 beschreibt der Teckbote ausführlich, wie das Bier früher einmal bis in den Herbst hinein gekühlt wurde: Die vielen kleinen oder auch größeren Brauereien, die es fast an jedem Ort gab, kauften oder pachteten „Wiesen an Bachläufen und schütteten quadratische Erdwälle von einem halben Meter darum herum auf. Ein kleiner Kanal mit einer hölzernen Schleuse verband das umwallte Wiesenstück mit dem Bach, und wenn kaltes Wetter kam, ließ man den Bach einlaufen, bis der Wall fast voll war. Wenige Tage strenger Frost genügten, um die Eisweiher fast bis auf den Grund gefrieren zu lassen.“

Das Eis wurde von Hand zersägt und mit Pferdefuhrwerken in die Bierkeller gebracht. „Das waren ausgebaute Höhlen in möglichst steilen Nordhängen und hinter Gebüsch an Plätzen, wo möglichst auch im Sommer kein Sonnenstrahl hinkam“, heißt es in dem Bericht weiter. Aber bereits 1967 wird beklagt, dass diese Zeiten längst vorbei sind: „Die Eisweiher sind zugeschüttet und eingeebnet oder zur Wiese geworden.“

In Kirchheim gibt es immerhin noch den Sonnensee als ein Relikt aus jener Zeit. – Der Eissee, der einst zum Teckkeller gehörte, lag nicht weit entfernt vom Kellergewölbe, erzählen Udo Kälberer und Michael Attinger. Er hieß demnach „Gänsweiher“ und befand sich auf dem heutigen Lidl-Gelände. Und auch an eine andere Methode des Eismachens erinnert sich Teckkeller-Wirt Udo Max Kälberer: „Früher gab es im Garten auch einen Eisgalgen.“ Das war ein Holzgerüst, das im Winter mit Wasser berieselt wurde, wodurch sich dicke Eiszapfen bildeten.

Die Arbeit, Eis zu sägen oder vom Galgen zu brechen, wurde mit dem Verb „eisen“ bezeichnet. Sie war nicht nur mühsam, sondern auch gefährlich. Rückblickend schreibt der Teckbote 1967: „Allerdings bildete sich auch ein spiegelglatter Eishügel um den Fuß dieser Gestelle. [...] Die Eisbrecher fielen daher oft vom eigenen Schwung des Axthiebes hin und verletzten sich mitunter lebensgefährlich.“

Die Bierkeller dienten eigentlich nur zur gekühlten Lagerung des eigenen Biers, um es in den Wirtschaften in der Stadt ausschenken zu können. Benannt waren die Kirchheimer Keller nach ihrer Lage, nach der dazugehörigen Wirtschaft oder nach dem Besitzer. In einer Teckboten-Serie über Kirchheimer Bierkeller zählte Helmut Billig 1997 außer dem Teckkeller auch die Wilhelmshöhe, den Lohrmannskeller, die Karlshöhe (auch Fleckensteinischer Bierkeller genannt), den Lammkeller und den Dreikönigskeller auf. Der „Teckkeller“ war übrigens der Keller, der zur Wirtschaft und Brauerei „zur Teck“ gehörte, die an der Ecke Alleenstraße/Hindenburgstraße lag.

Meistens entstanden an den Kellerstandorten eigenständige Schankbetriebe, zu denen oft auch Kegelbahnen und sonstige Vergnügungs­angebote gehörten. Die Bierkeller waren beliebte Zielorte für den Sonntagsspaziergang. Für Unterhaltung sorgte unter anderem die Stadtkapelle. Aber bereits im Juni 1952 fragt ein melancholisch gestimmter Berichterstatter in der Kirchheimer Lokalzeitung: „Welcher Kirchheimer kennt nicht die alten, von mächtigen Kastanienbäumen überschatteten Bierkellerwirtschaften am Rande der Stadt, die einst zu den beliebten ,Ausflugszielen‘ des Bürgers zählten? Von der alten Herrlichkeit der Bierkeller ist zwar wenig übrig geblieben; teils dienen die Gebäude anderen Zwecken, teils sind sie ganz abgegangen [...]. In der ursprünglichen Form erhalten geblieben sind nur der Teckkeller und der Lohrmannskeller.“

Heute ist folglich nur noch der Teckkeller „in der ursprünglichen Form“ erhalten. Und nach alter Tradition wird jetzt wieder in Kirchheim gebrautes Bier dort gelagert – wenn auch nicht „eisgekühlt“, sondern nur zum Reifen und als witzige Idee.