Am Vormittag Gewichte stemmen, ab 16 Uhr Training in der Halle, abends Analyse des Videos vom Spiel – ein ganz normaler Wochenbeginn, und trotzdem ist nichts von dem, was Kirchheims Basketballer mit dem 59:76 beim Aufsteiger in Münster am Samstag an Eindruck hinterließen, als Normalität akzeptierbar. Zumindest nicht, wenn man wie Igor Perovic von hohen Standards ausgeht. Kirchheims Headcoach, könnte man sagen, sitzt nach erst zwei Spieltagen in der Falle. Gefangen zwischen Vertrauen, dass jeder Trainer seiner Mannschaft schuldet und der Gewissheit, dass es so nicht weitergehen kann. Nach dem verpatzten Auftakt gegen Tübingen hatte es kaum Kritik an der Mannschaft gegeben. Ein hammerharter Gegner, keine vernünftige Vorbereitung, Ausfälle an zentraler Stelle – die Reifeprüfung kam schlicht zu früh. Nach dem Samstag muss sich eine erneut überfordert wirkende Kirchheimer Mannschaft vor allem an einer Zahl messen lassen: 26:50 Rebounds. Auch einer wie Perovic braucht lange, um sich an eine ähnlich katastrophale Bilanz
Haben die Knights also ein Mentalitätsproblem? Wieder einmal? Wie schon im vergangenen Jahr zur gleichen Zeit? Damals musste nach drei deutlichen Niederlagen die halbe Mannschaft gehen. Parallele am Rande: Auch vergangene Saison hieß der Auftaktgegner Tübingen, wartete am dritten Spieltag Jena als angekündigter Charaktertest, an dem die Knights schließlich krachend scheiterten.
Trotzdem ist Teammanager Chris Schmidt überzeugt, dass das Problem diesmal anders liegt. Der Verdacht, dass es einzelnen Spielern an der nötigen Einstellung fehle, kommt ihm nicht über die Lippen. Der Zusammenhalt in der Mannschaft sei stark. Kein Mangel an Herzblut, eher eine Frage fehlender Abgebrühtheit beim Umgang mit Erwartungsdruck. „Vor allem die jungen Spieler setzen im Moment die falschen Schwerpunkte,“ meint Schmidt. Die beiden Neulinge Michael Flowers und Kayne Henry tun sich jedenfalls schwer, das umzusetzen, was sie in der Pre-Season an Potenzial hatten durchblicken lassen. Flowers liefert wie gegen Tübingen zwar offensiv gute Argumente, wirkt in der Verteidigung jedoch allzu häufig desorientiert. Fallen wie am Samstag die Würfe nicht, bleibt unterm Strich zu wenig.
Igor Perovic stellt sich dennoch mit breitem Rücken vor seine Jungs. „Mike war die ganze Woche über krank“, sagt er. „Das darf keine Entschuldigung sein, lässt sich aber auch nicht leugnen.“ Genauso wie Paul Giese, der am Samstag erst gar nicht mitreiste und der vermutlich auch gegen Jena wegen einer schweren Erkältung fehlen wird. Da mit einer Rückkehr des an Long-Covid erkrankten Besnik Bekteshi so schnell nicht zu rechnen sein wird, fehlen Perovic gleich zwei Deutsche in der Rotation. Opfer der Umstellung war am Samstag Kayne Henry, der in der knappen Spielzeit, die ihm blieb, wenig überzeugen konnte. Ebenso wie Tim Koch. Der stand bei seiner Rückkehr nach Knieproblemen zwar mehr als zwanzig Minuten auf dem Parkett. Groß in Erscheinung getreten ist der 33-Jährige allerdings nicht.
Williams’ Knöchel hält
Die wenigen Lichtblicke, an denen es sich im Moment festzuhalten gilt: Richie Williams führte am Samstag knapp 28 Minuten lang Regie, und der Knöchel hielt. Wie nicht anders zu erwarten, riss auch der Kapitän bei seinem Comeback nach mehrwöchiger Pause keine Bäume aus. Allein, die Tatsache, dass er zurück ist, ist jedoch ein Hoffnungszeichen an die gesamte Mannschaft. Ebenfalls ein positives Signal: Thomas Laerke war in Münster bester Kirchheimer, nicht nur wegen seiner 17 Punkte. Aus dem Kurzfristvertrag des Dänen könnte angesichts der Umsicht und Erfahrung, die er mitbringt, mehr werden, zumindest solange mit Bekteshi nicht zu planen ist. Laerkes größter Nachteil: sein Ausländerstatus, der den taktischen Spielraum in der Rotation massiv einschränkt. Schwer vorstellbar, dass Perovic ohne deutschen Guard, der auf der Eins für Entlastung sorgen kann, in die Rückrunde geht.
Schmidt hat bereits angekündigt, man werde mit nüchternem Blick die Lage analysieren. „Wir müssen aufpassen, dass wir uns angesichts der Vielzahl an Probleme nicht in Erklärungen verheddern,“ lässt der Sportchef keine Ausreden gelten. Man werde genau beobachten, „ob wir auf eine Situation zusteuern, in der wir reagieren müssen.“