Kirchheim. Die Vita der einzigen Frau in der Runde der Kandidaten um die Nachfolge von CDU-Oberbürgermeister Wolfgang Schuster weist viele Stationen auf. Nach einer Ausbildung zur Erzieherin und zwei Studien, gefolgt von einer wissenschaftlichen Tätigkeit, war sie Gleichstellungsbeauftragte in Ludwigsburg. 2006 wurde sie Geschäftskreisleiterin in Kirchheim, seit 2009 ist sie Erste Bürgermeisterin in Schwäbisch Hall. Jetzt will es die parteilose 47-Jährige mit dem Grünen-Kandidaten Fritz Kuhn und dem ebenfalls parteilosen CDU-Kandidaten Sebastian Turner aufnehmen.
„Stuttgart – das ist schon eine Nummer!“ kommentiert Kirchheims Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker das Streben nach dem Chefposten der Landeshauptstadt. Kirchheims Oberbürgermeisterin macht derzeit Skiferien in Graubünden, just da, wo der streunende Bär „M13“ als neuer Urlauberschreck gerade alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Trotz der tierischen Aufregung zeigt sich die Stadtchefin auch von der Nachricht aus dem Ländle durchaus überrascht. Überzeugungskraft im Wahlkampf traut sie ihrer ehemaligen Mitarbeiterin durchaus zu, und dass die SPD angesichts der Kandidatenkonstellation auf eine Frau setzt, hält sie für absolut naheliegend.
Dass Bettina Wilhelm nach oben strebt, vermuteten viele ihrer Kirchheimer Wegbegleiter schon länger. Schließlich war sie „nur“ gut zwei Jahre als Geschäftskreisleiterin in Kirchheim tätig. Während dieser Zeit blieb sie in ihrer Heimat mitten in den Stuttgarter Rebhängen wohnen. Dort ist sie nicht nur selbst aufgewachsen, dort hat sie mit ihrem Mann auch zwei Töchter großgezogen. – Ein biografischer Aspekt, der bei der Stuttgarter OB-Wahl als Pluspunkt gelten soll.
Sozialpolitische Kompetenz attestiert der Sozialpädagogin und Erziehungswissenschaftlerin eigentlich jeder. Doch rückt nun zunehmend die wirtschaftliche Kompetenz in den Fokus. „Der Stuttgarter OB-Posten ist nicht gerade auf Bettina Wilhelms Vita zugeschnitten“, merkt der Kirchheimer CDU-Landtagsabgeordnete Karl Zimmermann an, der von der Kandidatur „ausgesprochen überrascht“ ist. Die Kandidatin verkörpere die moderne Familienfrau, meint er anerkennend, gibt aber zu bedenken, dass Baden-Württemberg als eines der europäischen Wirtschaftszentren einen „echten Wirtschaftsmagneten“ an der Spitze der Landeshauptstadt brauche. Wäre dem nicht so, hätte das verheerende Folgen für Stuttgart und die gesamte Region. Bettina Wilhelm traut Zimmermann einen Stimmenanteil um die 20 Prozent zu – das wiederum sei ja kein Nachteil für den CDU-Kandidaten, ergänzt er verschmitzt.
„Der Wahlkampf wird spannend – vor allem für die CDU“, gibt der Kirchheimer Grünen-Landtagsabgeordnete Andreas Schwarz nicht minder hintergründig zu bedenken. Er verweist auf die ausgesprochen kritische Bürgerschaft in Stuttgart, vor allem in den Reihen der CDU-Anhänger. Andreas Schwarz kennt Bettina Wilhelm aus der Arbeit im Kirchheimer Gemeinderat und räumt ihr große Stärken in Bildungs- und Schulfragen ein – ein wichtiger Bereich, der auch in der Landeshauptstadt zum Tragen kommen muss. Hier dominierten Sachfragen, wobei allerdings Themen wie die Verkehrsproblematik an vorderster Stelle stünden. „Fritz Kuhn hat in sehr vielen politischen Feldern große Erfahrung“, unterstreicht Schwarz die breite Aufstellung des Grünen-Kandidaten, in der ihm keiner der anderen Kandidaten das Wasser reichen könne. Schließlich gehe es in dieser Position vor allem darum, strategische Vorgaben zu machen, außerdem zu repräsentieren und zu delegieren.
Jetzt wird es spannend, wie sich Bettina Wilhelm im Wahlkampf schlägt. – Dass sie mit Menschen leicht ins Gespräch kommt, ist aus ihrer Kirchheimer Zeit bekannt. „Sie hat ein gewinnendes Wesen“, meint Martin Mendler, Pressesprecher der SPD-Landtagsfraktion und Kirchheimer SPD-Vorsitzender. Allerdings werde es bei der Stuttgarter Wahl im Oktober um die Frage gehen: Traut man ihr dieses Amt zu? Fachkompetenz gelte es nun, im Wahlkampf herauszuarbeiten. Für Mendler steht fest: „Die Herausforderung ist groß – Sympathiepunkte reichen nicht.“