Aus dem Karton in Vitrinen: Prähistorische Funde von Pfarrer Karl Gußmann in Gutenberg zu sehen
Die Knochen und Römerfunde sind zurück im Pfarrhaus

Reminiszenz an den einstigen Bewohner: Stolze 38 Jahre wirkte Pfarrer Karl Gußmann in Gutenberg. Neben seiner seelsorgerischen Tätigkeit widmete er sich leidenschaftlich den Schätzen vor der Haustür. Einige Exemplare davon sind nun in Vitrinen in der Gaststätte „Altes Pfarrhaus“ zu sehen.

Lenningen. Das schöne Fachwerkhaus, direkt an der Hauptstraße in Gutenberg gelegen, sticht vielen Reisenden ins Auge. Seit knapp zwei Jahren hat das Ehepaar Hans die Gaststätte wieder zu neuem Leben erweckt und bietet hungrigen Gästen gutbürgerliche Küche mit Pfiff in heimeliger Atmosphäre. Von Anfang an war für die beiden klar, die Erinnerung an den einstigen berühmten Bewohner wachzuhalten. So gibt es ein Gußmannzimmer und auf der Speisekarte findet sich ein Gußmannteller. Doch dem nicht genug: Seit geraumer Zeit bieten zwei Vitrinen einen Überblick über das Wirken des vielseitig interessierten Pfarrers. Sie wurden nun während eines kleines Festakts offiziell eingeweiht. Unter den Gästen war unter anderem auch das Ehepaar Herrmann, dem das historische Gebäude gehört und das die „Glashüllen“ finanziert hat.

Ein riesiger Bärenschädel dominiert eine der Vitrinen. Welch großes, kräftiges Tier einst in den Hangschluchtenwäldern herumstreifte, lässt auch der imponierende Reißzahn erahnen. Nicht minder beeindruckend sind die darunterliegenden Mammutknochen – auch sie stumme Zeugen, dass die vor etwa 20 000 Jahren ausgestorbenen Tiere vor langer Zeit durch das Lenninger Tal gezogen waren. Dass sie vor über hundert Jahren wieder ans Licht kamen, ist Pfarrer Karl Gußmann und seinen Mitstreitern zu verdanken. Einen kleinen Einblick in Leben und Wirken des rührigen Mannes gab Günter Romberg, ehemaliger Rektor der Grund- und Hauptschule in Oberlenningen.

Von 1887 bis zu seiner Pensionierung 1925 war Karl Gußmann Pfarrer in Gutenberg. Schon an seiner vorherigen Stelle in Sindringen interessierten ihn unterirdische Schätze, und er beteiligte sich an Limesausgrabungen. Im neuen Wirkungsort am Fuße der Alb angekommen, widmete er sich zunächst der Burg Hohengutenberg. Bei Grabungen fand er Ofenkacheln und seltene Bronzehahnen von Aquamanilen – dabei handelt es sich um Gefäße zum Händewaschen, denn die Ritter aßen mangels Besteck mit den Fingern. „Weit bekannt wurde Karl Gußmann jedoch durch seine Tätigkeit als Höhlenforscher“, erklärte Günter Romberg. Dieser Passion half der Zufall nach. Zwei Bekannte waren zu Besuch bei einem Freund in Hepsisau, der das Randecker Maar erforschte. Von ihm aus machten sich die zwei zu Fuß auf nach Gutenberg. Dabei führte sie der Weg an der Gutenberger Höhle – damals „nur“ das Heppenloch – vorbei. „Einer von ihnen war Geologe und sagte zu Karl Gußmann ,Da muss was sein‘. Dessen Antwort war: Das habe ich schon lang gesehen“, erzählte Günter Romberg seinen interessierten Zuhörern.

Dies war im Grunde die Geburtsstunde des Schwäbischen Höhlenvereins. Nachdem die Forscher eine Kalksinterwand durchbrochen hatten, stießen sie auf eine große „Bank“ aus Lehm und Schotter, in der sich nach heutiger Schätzung rund 250 000 Jahre alte Knochen von Höhlenlöwe, Nashorn, Waldwisent, Alpenwolf, einer Wildpferdeart und einer mit dem Gibraltaraffen verwandten Affenart befanden. „Das war eine paläontologische Sensation“, so der Heimatforscher. Zu guter Letzt stieß die Abenteurergruppe auf die Gutenberger Höhle, später entdeckten sie dann die Gußmannhöhle.

Als es auf Gutenberger Markung nichts mehr zu finden gab, wandte sich Karl Gußmann der Sibyllenhöhle auf dem Teckberg zu. „Sie ergab über 10 000 Knochenfunde aus der letzten Eiszeit, davon 95 Prozent vom ausgestorbenen Höhlenbär“, erläuterte Günter Romberg. Nach einem Unglücksfall an der Pfulb, bei der ein Ausgräber starb, löste sich der Höhlenverein 1909 auf. Einige Jahre später wurde der rührige Pfarrer in einer Gutenberger Tuffgrube allerdings nochmals fündig und brachte römische Überreste zutage.

„Die bedeutendsten Funde wurden gleich vom Land in Besitz genommen und im Stuttgarter Museum für Naturkunde aufbewahrt“, so der einstige Rektor. Da Pfarrer Gußmann den zahlreichen Höhlenbesuchern vor Ort die Funde jedoch zeigen wollte, richtete er in der Schillerstraße ein Museum ein. Mangels Interesse kam dann aber ein Großteil 1931 in das Heimatmuseum nach Kirchheim, der Rest wurde ins Museum Urach und an die Universität Tübingen verteilt.

Die Privatsammlung von Karl Gußmann hat eine kleine Odyssee hinter sich. Geerbt hat sie sein Sohn Helmuth, der Forstmeister in Gschwend und Lorch war. „Er war auch nach dem Tod seines Vater damit beschäftigt, Tierknochen aus dem Heppenlochgeröll zu präparieren, und er scheint auch paläontologische Funde aus anderen Fundplätzen erworben zu haben, wie ein Backenzahn des Waldelefanten zeigt, der nicht aus Karl Gußmanns Grabungen stammen kann“, führte Günter Romberg aus. Von Helmuth Gußmann ging die Sammlung an dessen Sohn Dr. Hans Ulrich über. „Der heiratete in die saarländische Schwerindustrie ein, und dessen Witwe schenkte 1994 die Sammlung der Gemeinde Len­ningen“, verriet Günter Romberg. So kam es, dass sich Ortsvorsteher Dietmar Jauss mit einem Kleintransporter auf den Weg ins Saarland machte, um 24 Kartons mit interessantem Inhalt abzuholen. Darin verbargen sich neben den Knochenfunden auch Versteinerungen und Mineralien, die lange Zeit im Rathauskeller auf ihre Wiederentdeckung warten mussten. Ein Teil davon ist nun in den beiden Vitrinen im Alten Pfarrhaus zu bestaunen. Im Hauptraum wird das von Karl Gußmann während seiner gesamten Dienstzeit geführte Kirchenbuch gezeigt, ebenso Burg- und Römerfunde sowie wenige Knochen aus den Gutenberger Höhlen. „Vieles ging über die Jahrzehnte verloren“, bedauerte Günter Romberg. Überwiegend Funde aus der Sibyllenhöhle sind im Nebenzimmer zu sehen: der große Bärenschädel, aber auch Exponate, deren Herkunft nicht sicher ist, aber von Karl und Helmuth Gußmann gefunden wurden.