Nach detaillierter Prüfung hat die EVL zurecht den Zuschlag der Stromkonzession bekommen
Die Kuh ist vom Eis

Nun hat es die Gemeinde Lenningen schwarz auf weiß: Die Entscheidung, den Wegenutzungsvertrag Strom an die EVL zu vergeben, war rechtens. Die EnBW hatte deswegen Einspruch bei der Kartellbehörde eingelegt.

Lenningen. Eine ungewöhnliche Szene spielte sich im Lenninger Gemeinderat ab, bevor der Tagesordnungspunkt zwei – Vergabe Wegenutzungsvertrag Strom – aufgerufen wurde. Bürgermeister Michael Schlecht und Gemeinderat Wolfgang Tröscher begaben sich zu den Zuschauerplätzen. Der Grund: Michael Schlecht ist Vorsitzender der Energieversorgung Lenningen (EVL) und Wolfgang Tröscher Mitglied im Aufsichtsrat und somit beide befangen. Karl Sigel übernahm daher als erster stellvertretender Bürgermeister den Vorsitz im Gremium.

Mit großer Mehrheit hatte der Lenninger Gemeinderat Ende Juli 2011 beschlossen, die Stromkonzession an die EVL zu vergeben. Damit war der bisherige Betreiber, die EnBW, nicht einverstanden, und der Konzern schaltete die Kartellbehörde ein. Der Vorwurf: Der Gemeinderat hätte das Angebot der EVL falsch bewertet, beziehungsweise großen Wert auf Dinge gelegt, die mit dem Paragrafen eins des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) nichts oder nur nachrangig zu tun haben. Darin heißt es unter anderem: „Zweck des Gesetzes ist eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung der Allgemeinheit mit Elektrizität und Gas, die zunehmend auf erneuerbaren Energien beruht.“

Lenningen wollte und musste nun Rechtssicherheit haben und beauftrage deshalb die Kanzlei Kehr-Ritz Bock König aus Hannover mit der Bewertung der beiden Angebote. Reinhard Kehr-Ritz stellte in der jüngsten Sitzung das Ergebnis anhand eines 400-Punkte-Katalogs vor. Dabei gab es sechs Hauptkriterien: Netzsicherheit, Versorgungszuverlässigkeit und Investitionen; Preisgünstigkeit und Kosteneffizienz; Verbraucherfreundlichkeit; Umweltverträglichkeit; Einflussmöglichkeiten der Gemeinde zur effektiven Umsetzung der Ziele des EnWG sowie „Weitere Inhalte des Konzessionsvertrags“.

Bereits in der Februar-Sitzung befasste sich der Gemeinderat nicht öffentlich mit dem Thema. Dabei waren noch einige Punkte offengeblieben, die Reinhard Kehr-Ritz nachreichte. „Beide Bieter konnten als zuverlässig und fähig eingestuft werden“, so der Rechtsanwalt. Er hat einen Kriterienkatalog aufgestellt, der sich an den Zielen von Paragraf eins EnWG orientiert und sich mit der Kartellbehörde abgestimmt. „Jetzt haben wir eine solide Grundlage“, sagte Reinhard Kehr-Ritz.

Im Schnelldurchlauf ging er nochmals auf die einzelnen Punkte der Hauptkriterien ein, insbesondere was die Nachfragen aus der nicht öffentlichen Sitzung des Gremiums betraf. Immer wieder erreichten beide Bieter die gleiche Punktzahl, beispielsweise bei der Verbraucherfreundlichkeit oder Umweltverträglichkeit. Es gab aber auch Unterschiede, etwa bei Punkt zwei: Preisgünstigkeit und Kosteneffizienz. „Der Regionalanbieter EVL hat hier klar einen Vorteil“, so Reinhard Kehr-Ritz. Auch bei den Einflussmöglichkeiten der Gemeinde konnte die EVL punkten. Der Rechtsanwalt hob hier deren Transparenz und detaillierte Auflistung als weiteres Plus gegenüber der Konkurrenz hervor. Ein deutlich besseres Angebot hat die EVL bei Punkt sechs. Nach Abwägung all dieser Sachverhalte kam Reinhard Kehr-Ritz zu dem Schluss, der EVL den Zuschlag zu geben.

Kritik vonseiten der Gemeinderäte kam vor allem von Karl Boßler und Kurt Hiller. Letzterer verlas gar einen ganzen Punktekatalog und übte harsche Kritik an der EVL: „Ich kann das rechtlich, technisch und logisch nicht nachvollziehen.“ Unter anderem vermisst er etwa die Verbindlichkeit. „Ich finde nur Absichtserklärung im Vertrag“, erklärte er. Karl Boßler stört vor allem, dass die EVL das Netz ans Albwerk verpachtet. Dieser Einwand irritierte Reinhard Kehr-Ritz: „Da können Sie froh sein, dass dem so ist. Die Gemeinde hat im Gegensatz zum Netzbetreiber keine Ahnung von diesen Dingen. Außerdem steht dieses Thema bei der heute zu treffenden Entscheidung nicht zur Debatte.“

Die große Mehrheit des Gemeinderats zeigte sich jedoch mehr als zufrieden über das Prüfergebnis. Armin Diez freute sich, dass der einst gefasste Beschluss des Gremiums bestätigt wurde. Dass Lenningen nun gesetzeskonform das Netz betreiben kann, erleichtert Georg Zwingmann. „Ich bin sehr froh, dass wir die Dinge nun in die Welt bringen und unsere Philosophie umsetzen können. Das eröffnet Chancen“, erklärte er.

„Seit ich im Gemeinderat bin, haben wir keinen Entscheidungsprozess so detailliert beraten“, sagte Dieter Epple. Er sieht sich in seinem einst gefassten Beschluss nach all den nochmals kritisch hinterfragten Punkten bestärkt. „Wir sollten das Ergebnis respektieren, das sehr objektiv ist. Es hat sich ein klarer Anbieter herausgestellt“, sagte Gunter Berger und erinnerte daran, dass sich der Gemeinderat den ganzen Weg nicht einfach gemacht hat. Auch für Falk Kazmaier ist das Resultat eindeutig. Während ein Anbieter einen Mustervertrag mit ein paar Anlagen zu Lenningen vorgelegt habe, der andere dagegen detailliert auf die Anliegen der Gemeinde eingegangen sei, ist für ihn die Sache klar: „Auch als Privatmann würde ich mich für den entscheiden, der sich Mühe gemacht hat.“

Schließlich stimmte der Gemeinderat bei drei Gegenstimmen dem Beschlussvorschlag der Verwaltung zu: Den Zuschlag für den Wegenutzungsvertrag Strom für die Ortsteile Brucken, Unter- und Oberlenningen, Hochwang, Schlattstall und Guten­berg wird unter Beachtung der Ziele des Paragrafen eins EnWG aufgrund der in der Sitzung des Gemeinderats am 26. Februar 2013 erarbeiteten Angebotsauswertung der Energieversorgung Lenningen erteilt. Nach dem Beschluss des Gemeinderats prüfen jetzt nochmals die Behörden, ob bei dem Verfahren alles mit rechten Dingen zugegangen ist.