Kirchheim. Getunte, tiefer gelegte Autos mit Spoiler und breiten Reifen: Was vor nicht allzu langer Zeit für so manchen Fahranfänger der Traum schlechthin war, ist mittlerweile out. Das Auto gilt bei vielen nicht mehr als Statussymbol; das Handy oder Tablet hat den fahrbaren Untersatz insofern abgelöst.
Der Führerschein und ein Auto kosten viel Geld, das viele junge Erwachsene entweder nicht haben oder lieber für andere Dinge ausgeben. Mobil sein können sie auch mit dem Rad oder über öffentliche Verkehrsmittel. Hier spielt sicherlich auch der S-Bahn-Anschluss in Kirchheim eine große Rolle. Das bestätigt der 25-jährige Peter Schilling aus Weilheim: Mit dem Bus, dem Zug, der S-Bahn und dem Fahrrad könne man jedes Ziel erreichen, sagt er. Billiger sei dies obendrein – und umweltfreundlicher.
„Während der Ausbildung hatte ich wenig Geld. Der Führerschein war mir einfach zu teuer“, erzählt der junge Mann weiter, der in seiner Ausbildung zum Beikoch in der Zähringer Stuben in Weilheim und in der Betriebskantine der Dresdner Bank in Stuttgart tätig war. „Mir hat es nichts ausgemacht, mit dem Zug nach Stuttgart zu fahren. Im Gegenteil: Da konnte man runterkommen.“ Mittlerweile hat Peter Schilling Geld angespart und die Führerscheinprüfung abgelegt; auch viele seiner Freunde würden den Führerschein erst später erwerben. „Gleich mit 18 muss es nicht sein.“
Was der junge Weilheimer schildert, ergibt sich auch mit Blick in die Statistiken des Kraftfahrtbundesamts und des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg: Haben im Jahr 2004 noch rund 30 Prozent der Unter 22-Jährigen aus dem Kreis Esslingen den Führerschein erworben, waren es im Jahr 2012 noch 25 Prozent (siehe Grafik). „Die jungen Leute fahren lieber mit dem Zug. Außerdem ist der Führerschein sehr teuer geworden“, sagt auch Wolfgang Schröder, Leiter der Führerscheinbehörde des Landkreises Esslingen.
Matthias Gastel, Bundestagsabgeordneter der Grünen im hiesigen Wahlkreis und überzeugter Bahnfahrer, bestätigt, dass mit der jungen Generation ein gesellschaftliches Umdenken einsetze. Der Führerschein und das Auto würden – auch im ländlich geprägten Raum – an Bedeutung verlieren. Das Auto bleibe zwar wichtig; es werde aber als ein und nicht mehr zwangsläufig als das Verkehrsmittel betrachtet. Das Mobilitätsbedürfnis der jungen Leute sei hoch, vermutlich sogar höher als früher. Doch wie sie an ihr Ziel kommen, ob mit Bahn, Bus oder Auto, sei zweitrangig. „Mobilität wird vernetzter zwischen unterschiedlichen Verkehrsmitteln gedacht und praktiziert“, erklärt Gastel. Dieser Trend sei im Übrigen nicht nur in Deutschland zu beobachten: „Es gibt vergleichbare Daten in allen Industrieländern.“
Natürlich sei auch der finanzielle Aspekt nicht zu vernachlässigen, betont Gastel und macht eine Beispielrechnung auf: Wenn man 50 Jahre lang ein Auto besitzt, würden sich die monatlichen Kosten von 400 Euro im Laufe der Zeit auf 240 000 Euro summieren. Zu beachten ist allerdings: Auch öffentliche Verkehrsmittel haben ihren Preis.
Weitere Gründe für die Entwicklung sieht Gastel im Ausbau des ÖPNV und im verstärkten Angebot von Leihfahrrädern; aber auch der im vergangenen Jahr liberalisierte Fernbusmarkt spiele eine Rolle. „Dieses unschlagbar günstige Verkehrsmittel ergänzt die Alternativen zum Auto.“ Gerade für junge Menschen sei dies besonders attraktiv.
Die politischen Konsequenzen aus dem Verhalten der jungen Leute liegen für den Grünen-Politiker auf der Hand: Wichtig seien der weitere Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel und der Radwegeverbindungen sowie das Schaffen sicherer Fahrradabstellplätze zum Beispiel an Bahnhöfen. „Die jungen Leute sind auf Alternativen zum Auto angewiesen. Darauf muss die Politik reagieren.“