Holzmaden. „Da ist ganz schön was zusammengekommen“, sagt Michael Thiehoff, Vorsitzender des Vogelschutz- und Naturvereins (VSN) Holzmaden angesichts der Fläche der betreuten Streuobstwiesen. Um insgesamt fast einen Hektar dieser Kulturlandschaft kümmert sich der Verein mittlerweile. Das war nicht immer so: Zwar ist der VSN seit seiner Gründung im Jahr 1992 im Bereich Umwelt sehr aktiv. So betreuen die Mitglieder beispielsweise seit 1993 ein vom Verein erworbenes Grundstück im „Süßen Lau“, wo ein Stillgewässer angelegt wurde, haben 1998 eine Bachpatenschaft über die Fließgewässer auf Holzmadener Gemarkung übernommen und warten im Gemeindewald Nistkästen für Eulen, Kleiber und Baumläufer.
Angefangen hatte es mit dem Thema Streuobstwiese laut Thiehoff „so richtig“ aber erst im August 2000, als erstmals eine ungefähr 2 000 Quadratmeter große Fläche von der Gemeinde Holzmaden gepachtet wurde. „Ziel war damals wie heute, einen Beitrag zur Erhaltung der Kulturlandschaft Streuobstwiese in Holzmaden zu leisten“, erklärt der Vorsitzende.
Das Motto des Ehrenamtspreises 2014 lautet „Heimat – Tradition (er)leben“. Passend dazu gehören für Thiehoff und die rund 150 Mitglieder des Vereins die Streuobstwiesen zum Landschaftsbild des Albvorlandes einfach dazu: „Sie repräsentieren sowohl Heimat als auch Tradition – die Wiesen sind ja nicht von Natur aus da, sondern im Laufe der Jahrhunderte entstanden und kultiviert worden.“ Nach und nach pachtete und erwarb der VSN weitere Streuobstwiesenflächen, pflanzte Walnuss-, Kirsch-, Zwetschgen- und Kirschpflaumenbäume nach und erhielt die bereits bestehenden Obstbäume.
Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Sie sollen auf die Notwendigkeit der Bewirtschaftung der Kulturlandschaft aufmerksam gemacht werden. Angeregt durch die Ergänzungen des Obstbestandes durch die Jugendgruppe findet seit 2006 jedes Jahr im Herbst in Absprache mit Schulleiterin Heike Wannek eine Pflanzaktion mit der jeweiligen ersten Klasse der Holzmadener Grundschule statt. Die Schüler dürfen gemeinsam ein Obstbäumchen pflanzen, angießen und an einen Pfahl binden. Im weiteren Verlauf des Schuljahrs wird das Bäumchen immer wieder besucht. Für die Abc-Schützen ist das ein besonderes Ereignis: „Man merkt, dass die Kinder durch das praktische Erleben einen ganz anderen Bezug zu den Streuobstwiesen bekommen“, freut sich Thiehoff. „Die Rückmeldung der Eltern ist durchweg positiv.“ Gerade jüngere Geschwister sind ganz neugierig und wollen, wenn sie in die erste Klasse kommen, unbedingt auch einen Baum pflanzen. „Die ersten Bäume, die 2006 und 2007 gepflanzt wurden – ein Kirsch- und ein Zwetschgenbaum – werden vielleicht bald Früchte tragen“, hofft Thiehoff.
Früchte getragen hat zumindest die Kooperation mit der Grundschule: Aus der Pflanzaktion heraus sind mit der Zeit weitere Projekte entstanden. Das Thema „Wiese“ beispielsweise ist im Lehrplan der Grundschule verankert, und so gab es etwa eine Wespenaktion mit allen vier Grundschulklassen: „Wir haben mit den Schülern ein Wespennest in den Streuobstwiesen angeschaut und erklärt, wie Wespen fliegen, was sie machen, wie sie ihre Beute fangen – und dabei auch ihre Ängste vor Wespen etwas abgebaut“, berichtet Thiehoff. Auch für weitere anschauliche Beispiele zu anderen Themen haben die Wiesen bereits gesorgt. „Da wird die Streuobstwiese zum Klassenzimmer.“
Die Zukunft der Schüler-Pflanzaktion ist für die nächsten Jahre gesichert; es stehe noch mehr als genug Fläche dafür zur Verfügung, erklärt Thiehoff. Die Wiesen werden komplett vom VSN bewirtschaftet. Schon im ersten Jahr fiel die Ernte gut aus. Spaß, Spiel und Geselligkeit kommen dabei trotz all der Arbeit nicht zu kurz. Die Apfelverkostung und das Ermitteln der schmackhaftesten Äpfel machen Kindern und Jugendlichen mehr Freude als das pure Einsammeln, weiß der Vereinsvorsitzende. Die aufgelesenen Äpfel werden anschließend von den Mitgliedern entweder an die Saft- und Mosterzeuger abgegeben – oder es wird Marmelade gekocht oder Kuchen gebacken.
Für die Bewirtschaftung der Wiesen hat der VSN Obstkisten sowie eine Nuss- und vier Apfelaufleserollen zur Verfügung. Außerdem werden regelmäßig gemeinsam Bäume geschnitten, zweimal im Jahr wird das Gras gemäht. Mit all seinen Aktivitäten rund um die Streuobstwiesen versucht der VSN, der sich fast ausschließlich aus Mitgliedsbeiträgen finanziert, seinen Mitgliedern und der Bevölkerung einen besseren Bezug zur Natur, zu den heimischen Tier- und Pflanzenarten und zum Umweltschutz vor der Haustür zu geben.
Beinahe nebenbei ergeben sich durch die Bewirtschaftung weitere Verknüpfungen zwischen Landschafts-, Arten- und Naturschutz: Das beim Mähen und Schneiden anfallende Reisig etwa wird vom VSN zu Haufen für Igel oder Eidechsen aufgeschüttet. In diesem Jahr ging der Verein erneut unter die „Hotelbauer“ und hat für Wildbienen, Wespen, Hautflügler und weitere Insektenarten über sieben Samstage hinweg ein zweites „Insektenhotel“ gebaut und aufgestellt.
In den Holzmadener Streuobstwiesen wartet und betreut der VSN außerdem 16 Steinkauzröhren und acht Nischenbrüterkästen für Vogelarten wie Goldammer, Halsbandschnäpper, Bachstelze und Gartenrotschwanz. „In den Steinkauzröhren hat sich leider noch kein Kauz angesiedelt“, sagt Thiehoff. Der Verein ist jedoch zuversichtlich, da es in Hattenhofen und Nabern gesicherte Vorkommen gebe.