Seine Destillerie in der Neuen Straße in Owen ist die erste Station des gerade ins Leben gerufenen Ersten Schwäbischen Whisky-Walk in dem malerischer Teckstädtchen, der am Bahnhof beginnt. Während die Gütlesbesitzer im gegenüberliegenden Raiffeisenmarkt ihre reifen Äpfel abliefern, sammelt sich ein Grüppchen Neugieriger, um mehr über das auch in Deutschland immer beliebter werdende hochprozentige Getränk zu erfahren. Erster Halt ist die Wanderkarte neben den Schienen. Angela Weis, Botschafterin des schwäbischen Whiskys, erklärt die Route, die etwa fünf oder sechs Stunden dauert. „Der Begriff Whisky stammt aus dem gälischen und bedeutet soviel wie Wasser des Lebens – lateinisch könnte man auch Aquavit sagen“, erzählt sie augenzwinkernd. Auch den Streit „Wer hat‘s erfunden?“ zwischen Schotten und Iren verschweigt sie nicht.
Immanuel Gruel ist Juniorinhaber der Whisky-Destillerie Gruel. Die Begeisterung für sein Handwerk ist dem jungen Brenner anzumerken. Er erklärt die Zusammenhänge und geht bereitwillig auf jede Frage ein. Gerade entsteht aus 80 Prozent Biolandweizen und 20 Prozent Gerstenmalz und dem Zusatz von Enzymen ein klarer Brand. „Mindestens drei Jahre muss das hundertprozentige Getreidedestillat in Holzfässern lagern“, sagt Immanuel Gruel. Schon die Wahl der Fässer ist eine Wissenschaft für sich. Er schwört auf großporige amerikanische Eiche. „Sauerstoff ist entscheidend, dass das Destillat reift und milder wird – es bedeutet aber auch, dass der Fassinhalt verdampft“, erläutert der Brenner. Mit bis zu 40 Prozent Verlust bei solch einem Verfahren zu rechnen. Außerdem kommen bei Immanuel Gruel Bourbonfässer zum Einsatz, die schon mit Jack Daniel‘s oder Jim Beam belegt waren. Zur Abrundung des Geschmacks füllt er seinen „Tecker“ auch in ausgebrauchte Sherryfässer. Drei Sorten samt passender Schokolade bietet er seinen Gästen zur Verkostung an, ehe die sich derart gestärkt an den einzigen steilen Abschnitt Richtung Maienwasen aufmachen.
In lockerer Runde gibt es weitere Informationen zu Hochprozentigem und schöner Landschaft. Von Angela Weis erfahren die Teilnehmer, dass die gesamte Markung Owens zum Biosphärengebiet Schwäbische Alb gehört. Dann geht es auch schon wieder weiter in Richtung der seit 1958 bestehenden Berghöfe. Erster Halt ist auf dem Bellerhof. „Immanuels Opa hat alles ins Rollen gebracht. Eine Reise nach Schottland war die Initialzündung, Korn in Weinfässer zu füllen“, erzählt Thomas Dannenmann. Seit 1990 ist das bei ihm Fall. Damit ein Getreidedestillat als Whisky in den Handel gebracht werden darf, muss es mindestens drei Jahre reifen. Gleich mit seinem ersten „Versuch“ ging er zur Prämierung und bekam prompt eine Auszeichnung. Seine Spezialität: Er mischt den in der Verarbeitung heiklen Roggen in seinen „Dannes“. Unbegrenzt wird das flüssige Gold bei ihm jedoch nicht gebrannt. Wie die meisten bäuerlichen Brennereien darf er nur 300 Liter Alkohol im Jahr herstellen.
Nach der Verkostung und einem Happen Schmalzbrot ist der Hof von Nachbar Thomas Rabel das Ziel. Die schönen, kupfernen Brennkessel sind schon von weitem durch die großen Glasfenster zu sehen. Bierbänke stehen bereit, um den launigen Ausführungen des Hausherrn entspannt lauschen zu können. Schnell wird klar, dass jeder der drei Brenner seine Eigenheiten hat – egal ob beim Herstellen des Whiskys oder bei ihrer Präsentation. Auch Thomas Rabel erläutert geduldig seine Anlage. So sind beispielsweise beim Öffnen der Plomben der Verschlussbrennerei stets zwei Zollbeamte zugegen. Der unbrauchbare Vor- und Nachlauf wird unter Aufsicht weggeschüttet, der wertvolle Mittellauf genau bemessen – damit er exakt versteuert werden kann. Dann kommt der Korn in neue 220 Liter-Fässer aus schwäbischer Kalkeiche, denn schließlich legt Thomas Rabel bei seinem „Owen“ großen Wert auf die konsequent eingehaltene schwäbische Komponente. „Jeder Whisky schmeckt a bissle anders“, meint er verschmitzt. Für eine Sorte verwendet er Dinkel und aus einem Destillat stellt er Whiskylikör her. „Das wird von vielen zwar milde belächelt – andern schmeckt‘s aber prima“, so Thomas Rabel. Nicht zu vergessen ist auch die leckere Whiskymarmelade von Melanie Rabel
Der Whisky-Walk ist zu Ende, nun wird es offiziell. Landrat Heinz Eininger kommt gut gelaunt und mit einem lockeren Spruch auf den Lippen – „Der Tag geht und Johnnie Walker kommt“ – in die Destillerie. Er hat die freudige Pflicht, die neue Attraktion mit einem Branding einzuweihen. Gemeinsam mit Owens Bürgermeisterin Verena Grötzinger greift er zum Brenneisen und drückt den ersten hölzernen Whisky-Kisten den heißen Stempel auf. Er lobt den Mut der Whisky-Pioniere und hofft, dass sich das Label etablieren wird. Vor Selbstbewusstsein strotzt auch Hans-Peter Schwarz von Silberburg am Markt in Tübingen, dem Büro das für regionale Produkte die Werbetrommel rührt und den Schwäbischen Whisky-Walk mitinitiiert hat: „Außerhalb von Schottland ist Owen der einzige Flecken unter der Sonne, in dem es drei Whiskybrenner gibt – willkommen in der Whisky-Hauptstadt Deutschlands.“
Zuerst war Verena Grötzinger als bescheidene Schwäbin ob dieses Superlativs leicht erschrocken, doch mittlerweile ist sie stolz auf dieses besondere touristische Angebot. Sie freut sich über das Miteinander der drei Whiskybrenner, die ohne Berührungsängste und Konkurrenzneid zusammenarbeiten. Insgesamt gibt es in Owen 30 Brennereien. „Auf 100 Einwohner kommt eine Brennerei“, verdeutlicht Owens Bürgermeisterin Verena Grötzinger die stattliche Zahl.