Der Fotograf und Tierbeobachter Rolf Müller dokumentiert die Artenvielfalt der Bürgerseen in einer Broschüre
Die wilde Natur fängt gleich hinter Kirchheim anInfo

Die Bürgerseen kennt in der Region nahezu jeder. Welch vielfältige Tierwelt sich in und um die Seen tummelt, ahnen dagegen wohl die wenigsten. Damit diese Wissenslücke geschlossen werden kann, hat Fotograf Rolf Müller ein Büchlein herausgegeben, das all die tierischen Bewohner des Gebietes zeigt.

Kirchheim. Seit 20 Jahren wohnt Rolf Müller in Kirchheim und seit dieser Zeit ist er ständiger Besucher der Bürgerseen – nicht ohne seine Kamera, versteht sich. Zwei Leidenschaften gehen bei Rolf Müller eine nahezu perfekte Symbiose ein: Tierbeobachtung und Fotografie. „Ich fotografiere seit 55 Jahren“, erzählt er. Damals wurde in der Grundschule in Mettingen ein Labor für Schwarz-Weiß-Fotografie eingerichtet und der Achtjährige war mit Feuereifer dabei.

Gleichzeitig interessierte den Schüler aber auch die Natur mit all ihren Bewohnern. „Ich wollte die Verhaltensweise der Tiere kennenlernen und kam so schon früh zur Tierbeob­achtung – daraus entstehen dann die Fotos“, zeigt Rolf Müller die logische Konsequenz auf. Dabei ist für ihn das Fotografieren sozusagen die Krönung. Denn nur, wer weiß, wo ein Zaunkönig lebt und welche Verhaltensweise er an den Tag legt, bekommt den kleinen Piepmatz auch vor die Linse. Ein Exemplar dieser Spezies mit weit aufgerissenem Schnabel findet sich so auch in der Broschüre, auf der gleichen Seite friedlich vereint mit Motiven von Rotkehlchen, Schwanzmeisen, Mittelspecht und der unvermeidlichen Stockente.

Doch nicht nur Wasservögel leben im kühlen Nass der Bürgerseen. Ein ganz heimlicher Bewohner ist der Bisam, wie in dem Büchlein nachzulesen ist. Deshalb ist Rolf Müller auch gerne frühmorgens, im Sommer schon mal um 3 Uhr, an den Seen anzutreffen. „Da ist kein Mensch da. Wenn später alles voller Leute ist, ziehen sich die Tiere zurück. Auch vom Licht her ist es tagsüber für mich uninteressant“, sagt Rolf Müller. Um ein gutes Foto schießen zu können, kennt er fast keine Grenzen. So hat er sich gar bis zur Unterhose ausgezogen, damit er nah genug an eine Schlangenhochzeit auf der Insel im mittleren See herankam – und dabei war es ihm völlig egal, was mögliche andere Besucher von dieser Aktion halten könnten.

Dank des Büchleins erfährt der Leser, dass Ringelnattern recht gesellige und harmlose Schlangen sind. Dicht an dicht sonnen sie sich direkt neben dem Fußweg, von nur wenigen Menschen entdeckt. Berührungs­ängs­te mit anderen Arten haben sie ebenfalls nicht, wie eine Aufnahme zeigt: Ringelnatter und Zauneidechse liegen beim gemeinsamen Sonnenbad friedlich beieinander. Auch ausgesetzte Exoten wie die scheue Rotwangenschildkröte, von der es schon stattliche Exemplare gibt, fühlen sich in den Bürgerseen wohl. Grasfrösche und Erdkröte dokumentiert Rolf Müller in sämtlichen Entwicklungsstadien, ebenso die bunte Vogelwelt von Eisvogel und Goldammer über Teichhuhn und Kleiber bis zu Fischreiher und Rotmilan. Die Säugetiere kommen ebenfalls nicht zu kurz. Großes Wiesel, Dachs, Reh, Feldhase und andere statten dem Naherholungsgebiet regelmäßig ihre Besuche ab. Insekten wie Schmetterlinge, Libellen, Gefleckter Schmalbock, Wespenspinne oder der anatomisch interessante Haselnussbohrer zeigen ihre Schönheit dank der schönen Nahaufnahmen auch denjenigen, die nicht mit dem Blick fürs Detail an den Seen spazieren gehen.

„Ich möchte unverfälscht die Natur erleben. Das Foto ist nur das Ergebnis“, sagt Rolf Müller über seine Arbeit. Im Tarnzelt kann er schon mal mehrere Stunden sitzen, um Eisvögel abzulichten. Das sei vom Prinzip her relativ einfach – wenn man das Verhalten kennt und Glück hat, dass der Vogel auch tatsächlich vorbeikommt. „Wenn ich weiß, wo ein Eisvogel lebt, brauche ich in der Regel nur einen Stecken ins Gewässer stecken, und schon wird er von dort nach Fischen Ausschau halten“, verrät der Fotograf. Eines seiner Lieblingstiere ist die Wasseramsel. „Ihr ganzes Verhalten und ihr mitunter recht unwirtlicher Lebensraum ist unglaublich interessant: Sie taucht, lebt auch im Winter im Wasser und kann unter Wasser sogar gehen“, beschreibt er diesen ungewöhnlichen, dunkelgrau gefiederten Vogel mit weißem Brustfleck und braunem Köpfchen. Ihn vor die Linse zu bekommen ist wesentlich schwieriger, als den ebenfalls am Wasser lebenden Eisvogel, denn die Wasseramsel lässt sich mit keinem Ast anlocken.

Der 63-Jährige genießt seinen „Unruhestand“. Lange Jahre war er Meister „beim Daimler in Hedelfingen“ und vor seinem Umzug nach Kirchheim in Notzingen zu Hause. Dort kennt er sich auch weiterhin aus wie in seiner Westentasche. „Notzingen hat eine unglaublich vielseitige und schöne Markung zu bieten mit Streuobstwiesen, Äckern und Wald“, kommt er ins Schwärmen. Viele Motive hat er seiner alten Heimat zu verdanken.

Die Pläne für die Zukunft gehen Rolf Müller nicht aus. So will er die „Bürgerseen-Geschichte“ als etwa 25-minütige Diaschau mit Musikuntermalung auf DVD pressen. Weil ihm die Arbeit an der Bürgerseen-Broschüre so viel Spaß gemacht hat und das Werk auch auf Interesse stößt, will er ein Büchlein über die Tierwelt rund um Kirchheim in Angriff nehmen. „Das wäre die Krönung für mich. Ich habe zigtausend Fotos im Archiv, die ich so auch anderen zeigen kann“, verrät er seine Zukunftspläne.

Dazu spukt ihm auch noch der Rosensteinpark in Stuttgart durch den Kopf, wo er ebenfalls regelmäßiger Gast ist. „Man glaubt nicht, was es dort alles gibt. Hinter den Gelbkopfamazonen bin ich seit sechs Jahren her“, erzählt er. Die Vögel stammen aus Mexiko und fühlen sich zum Erstaunen von Experten in der Landeshauptstadt recht wohl, wobei niemand weiß, welche Exemplare diese schwäbische Linie begründet haben. „Außerdem verfügt der Park mit knapp hundert Hasen pro hundert Hektar über die größte Hasendichte in ganz Deutschland“, weiß der Fotograf. Diese Tatsache dürfte auf das dort bestehende Jagdverbot zurückzuführen sein.

Außerdem ist er auch von der Natur Nordeuropas fasziniert. Vor allem in Schweden ist er auf Fotopirsch, um Elche und andere Tiere in ihrem Lebensraum abzulichten und mit einem reichen Fundus nach Kirchheim zurückzukommen. „Das Bild ist das Zeichen, dass ich alles richtig gemacht und das Tier nicht gestört habe“, sagt Rolf Müller.  

Die 28-seitige und reich bebilderte Broschüre „Naherholungsgebiet Bürgerseen – Tierwelt rund um die Seen“ gibt es im örtlichen Buchhandel und kostet 2,50 Euro.