Die Regale in der Schlecker-Drogerie sind leergeräumt, seit Samstag ist die Filiale geschlossen. Drei Mitarbeiterinnen stehen ein wenig verloren zwischen den traurigen Resten ihres Arbeitsplatzes. Was aus diesen Schlecker-Frauen wird, weiß der Schlecker-Mann Jürgen Paukner nicht. Er muss sich um seine eigene Zukunft kümmern. Vorgestern hat er sich für den Gang in die Transfergesellschaft entschieden. Dort sollen die ehemaligen Schlecker-Mitarbeiter 80 Prozent ihres Nettolohns erhalten und gleichzeitig fortgebildet werden. Wie die Transfergesellschaft zustande kommt beziehungsweise ob sich der Weg für ihn lohnt, weiß er noch nicht. Nicht hineinzugehen und gegen seine Kündigung zu klagen, ist ihm jedoch zu unsicher. „Wo nichts ist, bekommt man auch nichts“, sagt er.
Dass das Unternehmen, für das er seit über einem Vierteljahrhundert arbeitet, pleite ist, hat Jürgen Paukner vor einigen Wochen aus den Medien erfahren. „Wer Zeitung gelesen hat, war vermutlich besser informiert als wir Mitarbeiter“, sagt er. Bis vor drei Wochen hatte er noch die Hoffnung, dass die Fleischabteilung offen bleibt. Vor etwa zwei Wochen kam die traurige Nachricht: Der Insolvenzverwalter schließt alle Schlecker-Fleischabteilungen, auch die in Kirchheim. „Da hat‘s uns schon den Boden unter den Füßen weggezogen“, sagt der Metzgermeister. Warum die Filiale geschlossen wird, weiß Jürgen Paukner nicht. Eine Begründung hat er nicht erhalten. Das hat ihn enttäuscht. „Es wäre schön gewesen, zu erfahren, warum wir zugemacht werden“, sagt er. Immerhin hat ihm sein Betriebsleiter ein gutes Zeugnis ausgestellt.
Die Filiale in der Alleenstraße war für Jürgen Paukner nicht irgendein Arbeitsplatz. Nachdem er bei Riethmüller in die Lehre gegangen war, wechselte der junge Mann 1986 in die Schlecker-Metzgerei, wo sein Vater Filialleiter war. „14 Jahre arbeiteten Vater und Sohn zusammen, bevor der alte Herr in Rente ging und sein Sohn die Filiale übernahm. Auch Jürgen Paukners Bruder war bis zuletzt in der Filiale tätig, außerdem zwei langjährige Mitarbeiterinnen. „Obwohl Schlecker darüberstand, hat es sich angefühlt wie ein Familienbetrieb“, sagt der Metzgermeister.
Von schlechten Arbeitsbedingungen, von denen in den vergangenen Jahren bei Schlecker immer wieder die Rede war, will Jürgen Paukner zumindest in seiner Metzgerei nichts hören. „Da musste sich keiner benachteiligt fühlen“, sagt er. Alle Mitarbeiter seien gern zur Arbeit gekommen und hätten sich immer eingesetzt.
Dieses Engagement lässt sich unter anderem an den Urlaubstagen ablesen, die der Filialleiter in den letzten Jahren angehäuft hat. Rechnet er den Urlaub dieses Jahres dazu, sind es fast 100 Tage, die er auf seinem Konto hat. Sie dem Unternehmen zu schenken, sieht er nicht ein. Deshalb will er klagen. „Diese Tage sind angearbeitet“, sagt Jürgen Paukner. „Mit dem Kopf unter dem Arm“ sei man noch zur Arbeit gegangen, um für die Kunden da zu sein. Bei seinen Mitarbeitern war es ähnlich. Krank sei fast nie einer gewesen. „An uns liegt es sicher nicht, dass die Filiale geschlossen werden muss“, sagt Jürgen Paukner.
Obwohl seit einiger Zeit bekannt ist, dass die Schlecker-Filialen in Kirchheim dicht gemacht werden, gehen in der Alleenstraße immer noch Bestellungen ein. „Es ist deprimierend, wenn man den Kunden sagen muss, dass wir nichts mehr liefern können“, sagt Jürgen Paukner. 38 Gaststätten hat die Filiale zuletzt mit Fleisch und Wurst beliefert. Auch viele Stammkunden seien in den letzten beiden Wochen vorbeigekommen, um sich zu verabschieden. Bei ihnen will Jürgen Paukner sich bedanken. „Die Leute sind immer gern hierhergekommen, weil wir gute und günstige Ware hatten“, sagt er. Allerdings habe der Umsatz in den letzten Jahren schon ein bisschen nachgelassen. Jürgen Paukner schiebt es auf die Konkurrenz. „An jeder Tankstelle kann man ja inzwischen Wurst und Fleisch kaufen“, sagt er.
Gegen Anton Schlecker, den einstigen Herrscher über das Imperium, hege er keinen Groll, sagt Jürgen Paukner. „Ich sehe das Ganze als Abschnitt in meiner Biografie“, sagt der Metzgermeister. „Das war Schlecker, und jetzt kommt was Neues.“