Zur Volksfestzeit ist Trachtenmode auch in und um Kirchheim gefragt
Dirndl haben Hochkonjunktur

Allein die Vorstellung, in Dirndl oder Lederhose ins Bierzelt zu gehen, hätte jungen Leuten zur Jahrtausendwende noch die Schamesröte ins Gesicht getrieben. Das hat sich geändert: Zur Volksfestzeit sind Trachten mittlerweile der Renner – auch in Kirchheim und Umgebung.

Kirchheim. Wenn die Wasenzeit naht, tauchen sie überall auf: In Werbeanzeigen, Prospekten und Schaufenstern von Modegeschäften. Die Rede ist von Dirndln und Lederhosen, von weißen Rüschenblusen und rot karierten Hemden. Die einst als altbacken geltende Tracht boomt und gewinnt mit jeder Volksfestsaison neue Anhänger dazu – auch in Kirchheim. „Wir haben dieses Jahr zum ersten Mal Dirndl und Lederhosen ins Sortiment aufgenommen“, sagt Kristina Kemives, stellvertretende Geschäftsführerin von Eck am Markt in Kirchheim. Eine Entscheidung, die jede Menge Kunden ins Haus treibt: „Die Resonanz ist gigantisch“, freut sich Kemives, die im Haus für den Einkauf zuständig ist. Immer wieder habe sie Dirndl in großer Zahl nachbestellen müssen.

Die Kundschaft, die sich für Trachten interessiert, ist bunt gemischt: „Von Jung bis Alt ist alles dabei“, sagt Kristina Kemives. Das beobachtet auch Dominik Henne, der zusammen mit seinem Vater und seinem Bruder die Mode Manufaktur Krüger Dirndl mit Sitz in Wernau führt. „Zur Volksfestzeit kommen durch die Bank alle Altersklassen zu uns“, weiß er. „Und die junge Klientel wird immer stärker.“

Zu spüren sei die Renaissance der Trachten bereits vor vier Jahren gewesen. „2009 und 2010 ging es dann richtig los“, sagt Dominik Henne. Mittlerweile muss Krüger Dirndl sein Verkaufspersonal zu Wasenzeiten verdoppeln, um den Ansturm bewältigen zu können. Außerdem hat das Unternehmen zur Entlastung des Outlets in Wernau neue Außenverkaufsstellen eingerichtet.

Nach Ansicht von Dominik Henne ist der Trachtenboom im Schwabenland auf eine Marketingstrategie des Cannstatter Volksfests zurückzuführen: Einzelne Festwirte hätten den Trend angeheizt, indem sie für die stets überfüllten – und dann auch geschlossenen – Zelte die Devise ausgegeben hätten: „Wer in Tracht kommt, darf rein.“

Mittlerweile ist die Tracht für Trendsetter auf dem Wasen quasi Pflicht – und nicht nur dort kommen Dirndl und Lederhosen zum Zug: Auch diverse Motto-Partys und Hochzeiten bieten Gelegenheiten, sich in die Traditionskleider zu schmeißen. Bei Eck am Markt trägt an den Samstagen zur Wasen-Zeit die ganze Belegschaft Dirndl und Lederhosen. „Allerdings wird die Tracht eine Eventbekleidung bleiben“, ist Dominik Henne überzeugt. „Im Alltag wird sie sich kaum durchsetzen.“

Dass das einstige Magdgewand dennoch längst zum Lieblingsstück vieler modebewusster Frauen avanciert ist, hat noch andere Gründe: „Ein Dirndl schmückt jede Frau“, sagt Kristina Kemives: „Bei uns haben Kundinnen mit Kleidergrößen von 32  bis 46 Dirndl gekauft – und alle sahen klasse aus.“ Oder wie es Dominik Henne formuliert: „Das Dirndl verdeckt und pusht an den richtigen Stellen.“

Allerdings sind es bei Weitem nicht nur die Frauen, die ein Faible für Trachten entwickeln. „Zu uns kommen oft auch Paare oder Familien und kleiden sich ein“, sagt Kristina Kemives. „Sie kauft ein Dirndl, er eine Lederhose mit Hemd.“ Die passenden Schuhe, Jacken und Strümpfe wandern meistens gleich mit über den Ladentisch.

Auch wenn es immer mehr ausgefallene Dirndl gibt, bei der Tracht bevorzugen die meisten Kunden Althergebrachtes: „Richtig gut laufen bei uns die ganz traditionellen Modelle – allerdings mit kurzen Rocklängen“, sagt Dominik Henne. „Bei den Mustern sind Karos unangefochten, gefolgt von Tupfen.“ Farblich haben unterdessen die Standardfarben rot, blau und grün die Nase vorn.

Was die Rocklänge angeht, scheinen sich die Kundinnen in Kirchheim dagegen etwas zurückzuhalten. „Die Tendenz geht bei uns zu längeren, knieumspielenden Röcken“, sagt Kristina Kemives. „Die kürzeren werden weniger nachgefragt.

Ob kurzer oder langer Rock – wer ein Dirndl trägt, ohne sich über die Bindetechniken der Schürze zu informieren, kann schnell mal in eine unangenehme Situation geraten. „Ist der Knoten rechts, bedeutet das: Die Frau ist verheiratet“, erläutert Kristina Kemives, was alle ihre Dirndl-Kundinnen mit auf den Weg bekommen: „Wer den Knoten links hat, ist Single, wer ihn in der Mitte trägt, ist Jungfrau.“