Hoch oben über der Stadt Plochingen und am Rande des Schurwaldes gibt es seit diesem Frühling ein neues Freizeitangebot für Familien und Jugendliche: Ein Kletterwald mit zehn Parcours auf bis zu 20 Metern Höhe und einer Kletterwand.
Pablo Lawall
Anfang April hat Helmut Wackenhut mit seinem Kletterwald Eröffnung gefeiert. Fertig ist aber noch längst nicht alles: Bauarbeiten an der Betriebshütte, in der später Toiletten und ein Kiosk Platz finden sollen, und an der Kletterwand sind noch in vollem Gange.
Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreist, muss sich auf einen Fußmarsch einstellen. Knapp 200 Höhenmeter trennen den Bahnhof und den hoch gelegenen Stadtteil Stumpenhof, in dem sich der Waldseilpark befindet. Als ich auf dem Gelände ankomme, werkelt Helmut Wackenhut, Betreiber des Kletterwaldes, noch an der Fassade der Hütte, an der auch schon die geplante Kletterwand zu erahnen ist. Die restliche Anlage habe schon seit Dezember TÜV. Noch sieht man keine Besucher im Wald. „Die kommen erst später, gegen Nachmittag.“ Nur Kletter-Trainer Christoph Leibe hangelt sich von Plattform zu Plattform, um jedes Seil und jeden Klotz nochmals genau unter die Lupe zu nehmen. „Das wird jeden Morgen gemacht. Alle Plattformen und Seile sind an die Baumstämme gespannt. Nichts in die Bäume geschraubt. Da muss ständig geschaut werden, ob auch nichts verrutscht ist“, erzählt der Sportlehrer aus Plochingen.
Sicherheit wird im Waldseilpark großgeschrieben. Stolz erzählt der Betreiber vom neuen Karabinersystem: kommunizierende Karabiner, sogenannte Smart Belays, liebevoll „Smarties“ genannt. „Bei vielen anderen Betreibern gibt es so etwas nicht. Da kann es schnell passieren, dass ein Kind in 20 Metern Höhe auf einmal beide Karabiner in der Hand hält und komplett ungesichert ist.“ Ein „Smartie“ lässt sich dagegen nur öffnen, wenn der andere geschlossen ist. Beim Wechsel von einem Sicherungsseil zum nächsten kann also der zweite Karabiner erst aus dem alten Seil entfernt werden, wenn der andere Smartie schon sicher am nächsten Seil hängt. Zum Üben muss jeder einmal in den Einweisungsparcours und Klettercoach Christoph Leibe demonstrieren, dass er das System verstanden hat. Anschließend klettert man die anderen Parcours alleine und auf eigene Gefahr.
Dann geht es in die Höhe. Ich stelle fest, dass ich keine Höhenangst habe – nur Respekt vor den geschätzten zehn Metern Nichts unter meinen Füßen. Mit viel Vertrauen in den deutschen TÜV stürze ich mich dennoch wagemutig in den Hindernisparcours. Die ganze Angelegenheit ist sehr wackelig. Nachdem ich mich ein paar Mal überschätzt habe, halte ich mich doch lieber seitlich am Seil fest. Alle Parcours sind für jede Altersgruppe und in verschiedenen Schwierigkeitsstufen machbar. Man kann freihändig über die Hindernisse gelangen, sich seitlich festhalten oder sich in den Gurt hängen und über das Drahtseil zur nächsten Plattform rollen. „So können auch Sechsjährige mit ihren Eltern den schwarzen Parcours durchlaufen“, erzählt Helmut Wackenhut und fügt hinzu: „Unser Park ist sehr familienfreundlich.“ Trainer Leibe erzählt von einer Teilnehmerin, die mit großer Höhenangst zum ersten Mal in den Park kam, diese überwunden hat, und sich jetzt sogar als Trainerin bewerben will.
Am Schluss wollen mir die Kletterprofis noch demonstrieren, wie eine Höhenrettung vonstatten geht. „Solche Rettungen dauern keine zwei Minuten und sind bei den Trainern sehr beliebt. Oft wird im Ernstfall noch schnell ausgeknobelt, wer retten darf“, scherzt Wackenhut. Ich will den Kletterwäldlern den Spaß nicht verderben und stimme zu. Kühn sause ich den sogenannten Flying Fox, eine gut 50 Meter lange Seilbahn, hinab, komme auf halber Strecke zum Stillstand und muss gerettet werden. Wackenhut spielt den Überraschten, holt die Seilwinde und den Rettungssack. Ich hänge jetzt 20 Meter über dem Boden und schaue mir den Schurwald von oben an. Unter mir schlägt ein Hase seine Haken durch den Kletterwald – ich kann ihm noch lange hinterherschauen. Die Lage ist recht unkomfortabel, der Klettergurt ist nicht der bequemste. Doch da kommt auch schon mein Retter angeschwebt – wie in einem Hollywood-Streifen. Mein Gurt wird an der Seilwinde befestigt und ich werde langsam zu Boden gelassen – ein wahrer Drahtseilakt. Blöd nur, dass ich direkt durch dichtes Geäst abgeseilt werde. Ich hätte mir einen strategisch günstigeren Ort für meine Rettung aussuchen sollen. Wohlbehalten komme ich am Boden an und werde von den inzwischen eingetroffenen Besuchern diskret belächelt.
Fotos: Jörg Bächle/privat