Ein dreimonatiges Praktikum im Schwabenländle gehört bald fest zur Ausbildung in Pécs
DRK kooperiert mit ungarischer Schule

Internationales Flair weht künftig verstärkt durch die DRK-Seniorenzentren des Kreisverbandes: Das DRK kooperiert mit einer ungarischen Pflegeschule. Praktika im Land um Teck und Limburg sollen bald Standard sein, auch längerfristige Arbeitsverhältnisse sind denkbar.

Kirchheim/Weilheim. Die deutsch-ungarische Freundschaft boomt landauf, landab. Kontakte in ungarische Städte pflegen Städte und Gemeinden wie Kirchheim oder Dettingen auf allen Ebenen. Jetzt hat auch das Deutsche Rote Kreuz eine Partnerschaft ins Leben gerufen: Künftig werden regelmäßig Krankenpflegeschüler aus dem ungarischen Pécs für einige Monate im Rahmen ihrer Ausbildung in einem der sieben DRK-Seniorenzentren arbeiten.

Durch die neue Kooperation kommt nicht nur verstärkt internationales Flair in die Seniorenhäuser, vor allem verbirgt sich dahinter ein kreativer Weg, dem Pflegenotstand entgegenzutreten. Dass es schwer ist, qualifizierte Kräfte für Pflegeheime zu finden, weiß längst jeder in Deutschland. Dabei stehen die hiesigen Heime meist noch recht gut da.

Ganz anders sieht es dagegen in Ungarn aus. Die Arbeitslosenquote liegt im zweistelligen Bereich. „In Ungarn schließen viele Heime aus finanziellen Gründen, und die Fachkräfte verlieren ihre Arbeit“, erzählt DRK-Kreisgeschäftsführer Klaus Rau. Als ehemaliger Bürgermeister von Neckartenzlingen, dessen Partnerstadt Komló ist, kennt er die dortigen Verhältnisse durch zahlreiche persönliche Besuche bestens.

Gemeinsam mit anderen führenden DRK-Köpfen wurde vor wenigen Monaten die Idee geboren, eine Kooperation auf Ausbildungsebene anzustreben. „Ziel ist, ein dreimonatiges Praktikum in der dreijährigen Ausbildung zu verankern“, berichtet DRK-Abteilungsleiter Stefan Wiedemann und ergänzt: „Das hat unter anderem den Vorteil, dass wir dann die Leute kennen und ihnen gezielt anbieten können, mal bei uns zu arbeiten.“

Von bürokratischen Hürden ließ man sich nicht lange aufhalten. Die ersten Erfahrungen wurden längst gesammelt, erste Freundschaften geknüpft: Insgesamt sieben Pflegeschüler aus dem Land der Magyaren haben sich bereits im Arbeitsalltag in Kirchheim und im Haus Kalixtenberg in Weilheim bewährt.

Das Haus Kalixtenberg bot sich geradezu an, experimentierfreudige „Versuchskaninchen“ aufzunehmen. Schließlich ist Pflegedienstleiterin Elisabeth Huttmann selbst in Rumänien geboren und spricht fließend Ungarisch. Die Unterbringung bot ebenfalls Familienanschluss, denn die Praktikantinnen kamen bei ungarischen Verwandten von DRK-Mitarbeitern unter. Dass hier auch in der Freizeit eine Menge Abwechslung und Spaß geboten waren, liegt auf der Hand.

Doch das stand natürlich nicht im Mittelpunkt. „Der Austausch eröffnet den Blick auf neue Aspekte der Altenpflege“, freut sich Sandra Mayer, die die Häuser Kalixtenberg und Fickerstift leitet. Auf Unterschiede zu ungarischen Heimen angesprochen, nennen die ungarischen Praktikantinnen als allererstes das hohe technische Niveau der Pflegearbeit. Betten, die hydraulisch verstellbar sind, gehören beispielsweise in Ungarn längst nicht zum Standard. Auf den jeweiligen Stationen sind nicht selten nur halb so viele Pflegekräfte wie hier anzutreffen, und in den Zimmern geht es deutlich enger zu.

Elisabeth Huttmann freut sich, dass sich ihre ungarischen Schützlinge gleich gut in die Arbeit eingefunden haben: „Sie gehen sehr respektvoll mit den alten Leuten rum“, lobt sie. Bei manch einem Bewohner kamen plötzlich ungarische Wurzeln zutage, von denen noch niemand etwas wusste. Längst verschüttete Erinnerungen wurden geweckt.

Die Erfahrungen der Ungarinnen sind positiv. Gerne würde beispielsweise Erzsébet Szaszkó wieder einmal hier arbeiten. Doch das muss natürlich auch mit ihrem Umfeld abgeklärt werden, denn sie hat einen Mann und drei kleine Kinder in Ungarn. Fast alle, die bisher als Praktikanten in der Region waren, hatten bereits einen anderen Beruf erlernt, bevor sie sich für die zweijährige Schule anmeldeten. Meist gab der Verlust des Arbeitsplatzes den Ausschlag für diesen Schritt.

Zumindest monatsweise werden Einzelne wieder nach Schwaben kommen. Vorerst aber sind alle wieder zu Hause. Am Mittwoch haben sich nämlich Klaus Rau, Stefan Wiedemann und Sandra Mayer vom DRK auf den 950 Kilometer weiten Weg nach Südungarn gemacht, gemeinsam mit den Praktikantinnen Ani Öri, Edina Várda, Irma Zsibók und Erzsébet Szaszkó. Beim aktuellen Besuch geht es vor allem darum, mit der Leitung der Pflegeschule Bilanz zu ziehen. Erste Konsequenzen hat die neue Kooperation mit dem DRK-Kreisverband dort schon hervorgerufen: Ab sofort gehört Deutsch zum Lehrplan. Einem Teil der Schüler ist die Sprache immerhin nicht ganz fremd, liegt Pécs, früher als „Fünfkirchen“ bekannt, doch in einem Gebiet mit einst hoher deutscher Besiedlung.

Möglich, dass der Austausch schon bald auch andersherum funktioniert. „Diese Kontakte sind auch für unsere Mitarbeiter hier befruchtend, vielleicht will der eine oder andere mal für ein paar Wochen in Ungarn arbeiten“, kann sich Stefan Wiedemann gut vorstellen. Sie können dann die Gründe für das Boomen der deutsch-ungarische Freundschaft allerorten erforschen, die unter anderem in der dortigen Gastfreundschaft liegen.