Wernau. Dass die Vermieterinnen abspringen, kann sich Bürgermeister Armin Elbl nicht vorstellen. Diese hätten andere Interessenten zurückgestellt, weil sie am liebsten an die Bürgerdrogerie vermieten wollen. Beide Schlecker-Filialen seien für Wernau „sehr wichtig“ gewesen, sagt der Rathauschef, denn in der Innenstadt gebe es keinen Lebensmittelmarkt. Und ein Drogerie-Großmarkt kann sich nicht ansiedeln. Es fehlt ein passendes Grundstück. Die Bevölkerung dürfte also interessiert sein an der Mini-GmbH von Nuray Sipahi, Hanka Emric und Elfriede Wais.
Etwa 120 000 Euro seien wohl nötig, um das Wernauer Geschäft zum Laufen zu bringen, vermutet Emric. Die Zahlen der Schlecker-Filiale an der Ortsdurchfahrt waren sehr gut: „Der Umsatz war top“, weiß Wais. Im Vergleich zu Ruit sei das Wernauer Geschäft mit seinen 250 Quadratmetern sogar größer. Die Ladeneinrichtung haben sie bereits gekauft. Ein Schnäppchen im Internet – ulkigerweise aus der Schlecker-Insolvenzmasse. In Weiß und Apfelgrün wollen sie ihr Geschäft gestalten. „Wenn das aussieht wie bei Schlecker im Endstadium, bringt es nichts“, sagt Wais, die im Scharnhauser Park wohnt und gerade ihren 60. Geburtstag gefeiert hat. Dennoch wagt sie den Neuanfang: „Ich will nicht daheim sitzen, ich fühle mich fit.“ Nuray Sipahi aus Altbach war in Ruit Filialleiterin. Die 29-Jährige sagt über ihre langjährige Kollegin: „Sie ist so fit wie ich“. Alle miteinander loben die äußerst engagierte Verdi-Gewerkschaftssekretärin Christina Frank. Diese betreut den Großraum Stuttgart, in dem 650 Beschäftigte in 280 Filialen von der Insolvenz betroffen waren. Die erste Bürgerdrogerie wurde im November in Erdmannhausen (Kreis Ludwigsburg) eröffnet. „Zwölf Läden machen in nächster Zeit auf“, sagt Emric. Beliefert werden die Filialen von der neuen Rewe-Sparte „Für Sie“. Das Gute: „Wir können künftig auf Kundenwünsche eingehen. Das durften wir früher nicht.“ Dem Trio schwebt sogar vor, bei Nachfrage eine Bio-Ecke einzurichten.
Von Franks Betreuung schwärmen alle. Jede der drei Neu-Unternehmerinnen muss 100 Euro zahlen, um die Unternehmergesellschaft (UG) mit beschränkter Haftung zu gründen. Damit das Projekt zum Laufen kommt, sind Spenden an den Trägerverein „Verein für Nahversorgung“ nötig. Außerdem sollten die Bürger so viele „Stützlis“ wie möglich kaufen. Zwei der großen Münzen, die von der Bundesbank gepresst wurden, liegen silbern glänzend bei der Pressekonferenz im Quadrium auf dem Tisch. Der Wert: 50 und 100 Euro. „Das ist ein zinsloses Darlehen für uns“, erklärt Wais. Nach zwei Jahren kann man damit im „Drehpunkt“ einkaufen. Falls etwas schief geht, bekommt man sein Geld zurück. Oder besser: Man kauft in einer der anderen Bürgerdrogerien ein. Spenden und „Stützlis“ werden bei Weitem nicht für den Start reichen. Das fehlende Geld – vermutlich um die 90 000 Euro – müssen die Betreiberinnen per Kredit finanzieren. „Wir sind positiv gestimmt“, sagt Emric. „Man kann es besser machen als unser ehemaliger Arbeitgeber.“
Die Stadt plant einen Informationsabend über die Bürgerdrogerie „Drehpunkt“ und die Stützlis am Mittwoch, 20. Februar, 19 Uhr, im Quadrium.