In der Beurener Ortsmitte werden derzeit zwei 600 Jahre alte Häuser saniert
Durchweht vom Hauch der Jahrhunderte

„In Beuren tut sich was“, freut sich Bürgermeister Erich Hartmann. Derzeit werden gleich zwei der Gebäudeveteranen, an denen im Kurort erkennbar kein Mangel herrscht, von Grund auf saniert. Hartmann erhofft sich davon einen Motivationsschub für die Besitzer anderer, ebenfalls leer stehender Häuser.

Beuren. Der malerisch gelegene Ort am Fuße der Alb hat, was andere nicht haben: einen stattlichen Bestand an historisch bedeutsamen alten Häusern, der im Land seinesgleichen sucht. Das hat zum einen seinen Grund darin, dass das Dorf aus dem Dreißigjährigen Krieg unbeschadet hervorgegangen ist, zum anderen die Ortsdurchfahrt nie verbreitert wurde – sprich: Es wurden keine Häuser dem Verkehr geopfert. Das allerdings hatte zur Folge, dass sich der Verkehr schließlich nur noch quälend langsam durch die schmalen Straßen wand. Abhilfe schuf der Umfahrungstunnel, der im Februar 2005 eingeweiht wurde.

Alle Probleme des Dorfes waren damit allerdings noch nicht gelöst. Denn Beuren hat zwar viele alte, denkmalgeschützte Häuser – unter anderem laut Landesdenkmalamt das älteste Gebäude im ländlichen Raum aus dem Jahr 1386. Allerdings sind diese zum großen Teil in einem erbarmungswürdigen Zustand; einige stehen leer, besonders in der Ecke um das Rathaus herum. Hartmanns Hoffnung, dass durch den Rückbau der Ortsdurchfahrt ein Sanierungsschub einsetzen würde, erfüllte sich nicht. „Man muss Glück haben, Leute zu finden, die bereit sind, so eine Sanierung zu machen und die wissen, um was es dabei geht“, sagt er rückblickend.

Dieses Glück scheint der Gemeinde nun doch noch zugelächelt zu haben. Gleich zwei steinalte Immobilien aus Gemeindebesitz fanden restaurierungswillige Käufer. Dabei handelt es sich um zwei historische Kostbarkeiten: Die eine ist das Haus Linsenhofer Straße 4 und 6, das im Kern aus dem Jahr 1397 stammt und somit als zweitältestes Haus im ländlichen Raum gilt. Die andere ist das stattliche Gebäude Hauptstraße 10 und 12, das älteste bekannte First­ständerhaus im Land aus den Jahren 1411/12.

Restauriert werden beide Gebäude von der auf derartige Objekte spezialisierten Firma JaKo Baudenkmalpflege aus Rot an der Rot. Geschäftsführer Bernd Jäger hat seine eigene Philosophie, wie man eine solche behutsame Restaurierung angehen sollte: „Wir versuchen, das Gebäude zu verstehen und uns darauf einzulassen.“ Daraus werde dann ein auch wirtschaftlich sinnvolles Konzept entwickelt. Darüber hinaus gelte es, möglichst frühzeitig alle am Projekt Beteiligten – Bauherr, Gemeinde, Zuschussbehörde, Landesdenkmalamt – zusammen und die Interessen in Einklang zu bringen. Auf dieser Basis will Jäger auch die Gebäude Hauptstraße 6 (das ehemalige Bürgermeisterhaus) und 8 (beide denkmalgeschützt) sowie das nicht unter Denkmalschutz stehende Haus Hauptstraße 2 sanieren. Auch diese Gebäude gehörten der Gemeinde und sollen in absehbarer Zeit Wohnungen (zum Teil seniorengerecht) sowie einen ausgesuchten Gewerbebetrieb (in der Hauptstraße 2) beherbergen. Die Projekte sollen Ende Oktober in den Verkauf gehen. „Wir gehen von einem relativ großen Interesse aus“, so Jäger.

Das Ehepaar Knüppel hat das Haus Linsenhofer Straße 4 und 6 – ein Doppelhaus – von der Gemeinde gekauft. Seit jeher seien sie an historischen Gebäuden interessiert gewesen, sagt Veronika Knüppel. Auf das Haus in Beuren seien sie aufmerksam geworden, als es vor zwei Jahren von der Gemeinde öffentlichkeitswirksam an sanierungswillige Interessenten verschenkt werden sollte. Verschenkt wurde es dann aber doch nicht. Denn die neuen Eigentümer hatten die Wahl und wollten lieber Sanierungszuschüsse für ein gekauftes Haus als ein geschenktes Haus, für das es keinerlei Zuschüsse gegeben hätte.

Die Idee mit dem geschenkten Haus, so Hartmann, sei damals aufgekommen, als das Sanierungsprogramm II ausgelaufen sei und weitere Sanierungsprogramme noch nicht in Sicht gewesen seien. Die Schenkung sei als Anreiz gedacht gewesen. Bedingung war, dass der neue Besitzer das Haus restauriert, ohne dafür Zuschüsse zu bekommen.

Nun gibt es wieder Zuschüsse für sanierungswillige Eigentümer oder Käufer von alten Häusern. Denn unlängst ist in Beuren das Sanierungsprogramm III angelaufen – „eine Seltenheit“, wie Martin Keller von der STEG (Stadtentwicklungsgemeinschaft GmbH) erklärt. 35 bis maximal 50 Prozent der Baukosten könnten als Zuschuss erstattet werden. Die Fördermittel kommen zu 60 Prozent vom Land und zu 40 Prozent von der Gemeinde. Das Sanierungsprogramm III, so Keller, laufe bis 2022, der Förderrahmen betrage derzeit 2,3 Millionen Euro.

Die Fördermittel kann das Ehepaar Knüppel für sein Sanierungsvorhaben Linsenhofer Straße 4 und 6 gut gebrauchen. Schließlich soll die noch reichlich vorhandene Bausubstanz aus dem späten Mittelalter bei der Restaurierung so weit wie möglich erhalten werden und trotzdem nach der Fertigstellung in einem Jahr in zwei getrennten Haushälften komfortables Wohnen möglich sein.

Hans und Christine Heitmann haben das Haus Hauptstraße 10 und 12, ebenfalls ein Doppelhaus, komplettiert durch eine große Scheune, von der Gemeinde gekauft. Auch die Heitmanns, seit geraumer Zeit auf der Suche nach einem passenden Objekt, hat das Angebot vom geschenkten Haus nach Beuren gelockt. Hans Heitmann hat sich dann im Ort eine Reihe anderer Häuser angeschaut und sich für das Ensemble in der Hauptstraße entschieden. Eine Haushälfte wollen sie selbst bewohnen, die andere soll ein inklusives Wohnprojekt aufnehmen, in der


„Ohne die Zuschüsse hätten wir‘s nicht 
gemacht“

Scheune soll ein Atelier für Christine Heitmann entstehen. Dort könnten auch, so die stolzen Eigentümer, kleinere kulturelle Veranstaltungen stattfinden. Im August nächsten Jahres soll alles fertig sein. „Ohne die Zuschüsse hätten wir’s nicht gemacht“, räumt Hans Heitmann ein. Auch die derzeit niedrigen Zinsen seien ein Entscheidungskriterium gewesen.

Etwa 20 alte Häuser in der Beurener Ortsmitte, die ebenfalls dringend saniert werden müssten, befinden sich in Privatbesitz. Hartmann: „Das hat die Gemeinde leider nicht im Griff“. Er hofft, dass es noch einen Ruck gibt, wenn die jetzt saniert werdenden Häuser fertiggestellt sind. „Es muss deutlich werden, dass man sich nicht die Finger verbrennt, wenn man sich auf eine Sanierung einlässt.“

Einen Eindruck davon, wie eine Sanierung durch die Firma JaKo Baudenkmalpflege vonstatten geht, kann man sich am Tag des Denkmals am Sonntag, 14. September, verschaffen. Dann werden beide Baustellen bei stündlich von 11 bis 16 Uhr angebotenen Führungen begehbar sein (nach vorheriger Anmeldung am Infostand).