Kirchheim. Die Welt am Albtrauf präsentiert sich grau in grau. Das Thermometer zeigt gerade mal zwei Grad plus auf dem Hörnle. Da taucht eine knallrote Limousine mit Rainer Stephan im Nebel auf. Zum fröhlichen Rot passt zwar nicht die Gesinnung, aber die Stimmung des FDP-Kandidaten im Wahlkreis Kirchheim. Ziel ist an diesem Tag ein beliebter Rückzugsort des 55-Jährigen: die Teck. „Die Teck liegt zwar auf Owener Markung“, schmunzelt der gebürtige Holzmadener: „Aber sie ist ein Wahrzeichen für die ganze Region!“ Außerdem hat die Teck im Leben Rainer Stephans schon immer eine große Rolle gespielt: Als junger Bursch wanderte er mit seinen Freunden nach der Maiennacht hoch auf die Burg. Als Familienvater sorgten die Übernachtungen mit den Kindern im zünftigen Mehrbettzimmer für bleibende Eindrücke. Heute vergisst Rainer Stephan den Alltagsstress gern bei sonntäglichen Wanderungen mit seiner Frau Doris. Was er an der Teck besonders liebt, ist der freie Blick: „Man sieht das Dach des Holzmadener Wasserturms und die Stadt Kirchheim. - Die beiden wichtigsten Stationen in meinem bisherigen Leben.“
An diesem Tag sieht man allerdings gar nichts. Kein Mensch ist im Burghof, der Blick reicht gerademal bis zum nächsten Baumwipfel. Genüsslich packt der FDP-Kandidat, der auch Weinseminare veranstaltet und sich gelegentlich als Hobbykoch versucht, den Rucksack aus. Ein zünftiges Vesper ist angesagt. Rainer Stephan ist einer, der den Augenblick genießen kann, und der nicht in die Ferne schweifen muss, um das Besondere zu erleben. „Natürlich will man auch mal was anderes sehen“, verwahrt sich der Protestant und regelmäßige Kirchgänger gegen ideologische Fixierung. Er berichtet von Kreuzfahrten und Italienurlauben, aber auch von Wanderungen durch den Schwarzwald und von dem Plan, ausführlich Wein, Wandern und Wellness in Südtirol genießen zu wollen.
Der FDP-Mann ist einer, der den Wohlstand im Ländle zu schätzen weiß. „So gut wie jetzt ging es den Deutschen noch nie, trotzdem wird lautstark geklagt“, wundert er sich und verweist darauf, dass die Wirtschaft nach der Krise hier wieder schnell Tritt gefasst habe. Der langjähriger Lokalpolitiker hat aus der Historie von Stuttgart 21 einiges gelernt: Er plädiert grundsätzlich für eine frühzeitige Bürgerbeteiligung bei Großprojekten. Allerdings müssten dabei Vorhaben ausgenommen sein, die zur Grundversorgung gehören, von der Schule bis zur Kläranlage.
Politik hat den Holzmadener, der 25 Jahre lang im örtlichen Gemeinderat saß, schon immer interessiert. Zur FDP kam er dennoch relativ spät. Als dann ein Nachfolger für den verstorbenen Frank Schweizer für die Landtagskandidatur gesucht wurde, zögerte der Kreisrat nicht lange. „Im Wahlkreis fest verankert, der Region durch und durch verpflichtet und bürgernah, das alles bin ich auf jeden Fall“, nennt er eine Reihe von Pfunden, mit denen er im Rennen um die Wählerstimmen wuchert. „Man kann die Menschen nicht ändern, und wenn man jeden so nimmt, wie er ist, kommt am meisten für unser Land dabei raus“, erläutert er seine Philosophie. Zwar saß der Hobbymusiker in seiner Jugend mehrere Jahre am Schlagzeug, dennoch bevorzugt er jetzt im Umgang mit anderen Menschen eher die leisen, rücksichtsvolleren Töne.
Dass sich dies in der Politik nicht immer durchziehen lässt, ist dem Mitarbeiter des Regierungspräsidiums klar. Auch dass der Landes-FDP mitunter mancher Ärger angelastet wird, für den die Regierungskoalition in Berlin verantwortlich ist, musste er nun schon des Öfteren erfahren. Dennoch lässt er sich nicht aus der Ruhe bringen: „Wahlen haben ihre eigene Dynamik“, betont er und setzt auf die Masse der schweigsamen Beobachter, die am Baden-Württembergischen Wahlsonntag ihr Kreuzchen an der richtigen Stelle machen. Seine Partei stehe für Freiheit und Vernunft - Themen, die im Ländle durchaus Gewicht hätten. Und was könnte dies für den Kandidaten aus Kirchheim bedeuten? „Abwarten“, meint er gelassen. Die Änderung des Wahlrechts kommt ihm auf jeden Fall entgegen. Abgesehen von den Direktmandaten haben nun diejenigen Kandidaten gute Chancen, die eine hohe Prozentzahl im Wahlkreis erhalten. Bislang war die absolute Stimmenzahl entscheidend, was aufgrund der unterschiedlich großen Wahlkreise nach Meinung vieler mehr Ungerechtigkeit barg.
Wie auch immer - auf der Teck erhebt Rainer Stephan schon mal das Glas auf liberales Gedankengut und auf die Region. Passend dazu gluckert köstliches Zwetschgenwasser aus dem Flachmann. „Selbst geernet im Holzmadener Gewann Hufäcker und selbst eingemaischt beim Vater im Keller“, schwärmt der Kandidat und genießt die entspannende Stimmung an seinem Rückzugsort auf 775 Meter Höhe.
Geburtsdatum: 20. Mai 1955
Wohnort: Holzmaden
Beruf: Diplom-Verwaltungswirt (FH)
Parteieintritt: 2000
Politische Ämter: 1984 bis 2009 Gemeinderat und stellvertretetender Bürgermeister, Leiter der Holzmadener Bürgerliste.
Seit 2009 FDP-Kreisrat in Esslingen. Seit 2009 Mitglied der Vereinigung liberaler Kommunalpolitiker
Politische Schwerpunkte: Bildung und Familie; Ehrenamt in Gesellschaft und Verein; Wirtschaft, Soziales und Ländlicher Raum; Bürokratieabbau
Familie: verheiratet seit 1979, eine Tochter und einen Sohn, einen 90-jährigen Vater, drei Brüder