Kirchheim. Etwas zu kurz gekommen ist bei der Stadtführung von Andreas Schwarz und Andreas Kenner das zweite Thema: die Straßennamen im Steingau-Quartier. Rosa Heinzelmann, Carl Mayer, Otto Mörike und Paul Schempp sind Kirchheimer, die aus ihrer demokratischen oder religiösen Überzeugung heraus den Nationalsozialismus ablehnten. Sie erlitten dadurch große Nachteile - nicht zuletzt auch beruflich, in jeder Hinsicht aber existenziell - und mussten teilweise auch um Leib und Leben fürchten.
Etwa hundert Jahre vor ihnen lebte Friedrich Tritschler, der als wesentlicher Kirchheimer Akteur in den Revolutionsjahren 1848/49 Bedeutung erlangte. Als gewählter Abgeordneter der württembergischen Landesversammlung war er gewissermaßen ein Vorläufer von Andreas Schwarz und Andreas Kenner. Und doch gab es einen großen Unterschied: Tritschler konnte sein Mandat nie ausüben, weil er sich der drohenden obrigkeitlichen Verfolgung nur durch Flucht ins Ausland entziehen konnte. Die Immunität für Abgeordnete konnte er seinerzeit nicht für sich in Anspruch nehmen.
Jetzt gibt es die Tritschler-Straße
Andreas Kenner erinnerte am provisorischen Schild der „Friedrich-Tritschler-Straße“ im Steingau-Quartier an einen Artikel, den der Kirchheimer Journalist Joachim Mohr vor sieben Jahren in einer Ausgabe von „Spiegel Geschichte“ über Tritschler und die Revolution „in der württembergischen Kleinstadt Kirchheim unter Teck“ geschrieben hatte. Am Schluss habe es geheißen, dass nach wie vor keine Straße in Kirchheim nach Friedrich Tritschler benannt ist. „Das haben wir jetzt geändert“, freute sich Andreas Kenner.
So ernst das Thema ist, wenn es um Menschen geht, die sich unter Einsatz von Leib und Leben für die Demokratie einsetzen, so sehr reizte es Andreas Kenner, auch in diesem Fall noch leicht ironische Kommentare abzugeben: „Andreas Schwarz und ich werden es nicht erleben, dass nach uns eine Straße in Kirchheim benannt wird. Das kann aus gutem Grund erst dann passieren, wenn man schon mindestens 20 Jahre tot ist.“
Zu einem Kirchheimer Revolutions-Manifest, das zuletzt ein Jahr lang in Trier zu sehen gewesen sei - in der Ausstellung zum 200. Geburtstag von Karl Marx -, bemerkte Andreas Kenner: „Da heißt es, ein freier Mann dürfe überall frei reden. An den Rand hat einer geschrieben: ,Gilt das auch bei mir daheim?‘“ Das ist eine Frage der Basisdemokratie. Andreas Volz