Die Stadt Kirchheim verleiht zum 13. Mal die Bürgermedaille an ehrenamtlich Engagierte
Ehrung für stille Helden

Hugo Carrle, Ewald Seher und die Grünen Damen und Herren des Kirchheimer Krankenhauses haben eines gemeinsam: Sie setzen sich in ihrer Freizeit in besonderem Maße für andere Menschen ein. Deshalb hat die Stadt Kirchheim ihnen eine herausragende Ehrung zukommen lassen: die Bürgermedaille.

Kirchheim. Mit der Bürgermedaille ehrt die Stadt Kirchheim seit 1996 Menschen, die stille Wohltäter sind. Still sei einer der Geehrten, das Jesinger Original Hugo Carrle, zwar rein akustisch überhaupt nicht, sagte Kirchheims Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker bei der Verleihung der Bürgermedaille im Manfred-Henninger-Saal der Kreissparkasse, und hatte die Lacher auf ihrer Seite. Mit „stillen Wohltätern“ seien aber auch vielmehr Menschen gemeint, die sich ohne viel Aufhebens, aber aus eigenem Antrieb und mit dem Gefühl der Selbstverständlichkeit für ihre Mitmenschen einsetzen und ihnen Gutes tun.

Der Kirchheimer Gemeinderat hat entschieden, die Bürgermedaille in diesem Jahr an Menschen zu verleihen, die sich in besonderem Maße für Familien einsetzen. „Nicht erst, seit die Politik den demografischen Wandel als eine der größten Herausforderungen unserer Gesellschaft ausgemacht hat, wissen wir um die Bedeutung der Familien“, sagte Angelika Matt-Heidecker. Familie sei der Ort, an dem Liebe und Solidarität gelebt und erfahren werden könne. Wer Schutz und Hilfe brauche, werde beides zunächst in der Familie suchen.

Familien seien jedoch vor viele Herausforderungen gestellt, die kommunale Familienpolitik nur teilweise lösen könne. „Wir brauchen eine neue Kultur der Solidarität und gemeinsamen Verantwortungsübernahme für Kinder und Jugendliche.“ Vieles davon geschehe schon heute in Kirchheim. Angelika Matt-Heidecker bedankte sich bei den Gästen, von denen viele sich als bürgerschaftlich Engagierte für Familien einsetzen. „Damit machen Sie Kirchheim zu einer familienfreundlichen Stadt“.

Bevor Hugo Carrle, Ewald Seher und die Grünen Damen und Herren des Kirchheimer Krankenhauses die Bürgermedaillen überreicht bekamen, stellte Angelika Matt-Heidecker sie in kurzen, aber sehr persönlichen Ansprachen vor. Hugo Carrle stand lange Jahre der Jesinger Abteilung der Freiwilligen Feuerwehr vor. Er war Gemeinderat, nach der Eingemeindung Ortschaftsrat. Hugo Carrle sei ein „Jesinger Urgestein“, das ortsspezifische Traditionen pflege. Angelika Matt-Heidecker nannte beispielhaft das „Jesinger Heimatlied“, das anlässlich der 1 200-Jahr-Feier entstanden und von Hugo Carrle vertont worden sei. „Damit haben Sie sich bereits zu Lebzeiten ein Denkmal gesetzt. Außerdem wurde durch dieses Lied das Gemeinschaftsgefühl der Jesinger gestärkt und intensiviert.“

Als Sprecher der Jesinger Alterswehr gründete Hugo Carrle das Netzwerk „Jesingen über 70“, einen Verein mit lockerer Mitgliederstruktur, der regelmäßig zu Treffen einlädt. „Für die Vereinsmitglieder ist der Besuch dieser Treffen ein Stück Lebensqualität, gibt neuen Lebensmut und -zuversicht“, sagte Angelika Matt-Heidecker. In einer alternden Gesellschaft gewinne die eigenverantwortliche Selbstorganisation der Senioren zunehmend an Bedeutung. Hugo Carrle habe in diesem Bereich als Pionier Maßstäbe gesetzt und Erfolge erfahren. Außerdem begleitet Hugo Carrle seit jeher die Seniorennachmittage beziehungsweise -ausfüge der Ortschaftsverwaltung. „Es wird erzählt, dass bei Ausflügen die Augen der Seniorinnen und Senioren zu leuchten beginnen, sobald Hugo Carrle nach seiner Quetschkommode langt“, sagte Angelika Matt-Heidecker. Der „fröhliche Alleinunterhalter“ stecke andere Menschen mit seiner Fröhlichkeit an.

Ewald Seher ist als Spätaussiedler nach Deutschland gekommen. Nach seiner Ankunft 1999 sah er sich zunächst zur Untätigkeit verdammt. Er schaffte für sich Abhilfe, indem er anderen half. Seher gab seinen Landsleuten Sprachkurse, begleitete sie auf Ämter, dolmetschte und unterstützte sie beim Gang durch den Behördendschungel. „Ohne Menschen wie Sie wäre es niemals möglich gewesen, 3 000 Menschen im Kirchheimer Übergangswohnheim zu betreuen“, sagte Angelika Matt-Heidecker.

Ewald Seher habe als Deutschstämmiger in Russland bittere, persönliche Erfahrungen gemacht, sei jedoch selbst nicht verbittert. „Im Gegenteil, es ist eine Wohltat, Herrn Seher zu begegnen.“ Er sei ein immer freundlicher, offener, hilfsbereiter Mensch, ein Bürger dieser Stadt, der sich mit all seiner Kraft für andere einsetze. Ewald Seher gebe vielen Russlanddeutschen, die aufgrund ihrer Erlebnisse ängstlich und misstrauisch gegenüber staatlichen Organen seien, Vertrauen in die demokratische Gesellschaft. „Sie formulierten es einmal für sich selbst, endlich zu Hause zu sein. Mit Ihrem unermüdlichen Einsatz tragen Sie dazu bei, dass viele Ihrer Zöglinge in unserer Stadt nach Hause finden.“ Zahlreiche Spätaussiedler, aber auch diejenigen, die diese Spätaussiedler als Schützlinge anvertraut bekamen, seien Ewald Seher zu großem Dank verpflichtet.

Die Grünen Damen und Herren besuchen im Kirchheimer Krankenhaus Patienten. Sie nehmen sich die Zeit, die Ärzte und Pfleger häufig nicht haben, sprechen mit den Menschen und stehen ihnen in Sorgen und Ängsten bei. „Ich war krank, und ihr habt mich besucht“: Dieses Wort aus dem Matthäus-Evangelium fasst zusammen, worum die Grünen Damen und Herren sich bemühen. „Jeder ehemalige Patient, der sich schon einmal mit geringer oder gar keiner Vorwarnzeit in stationäre Krankenhausbehandlung begeben musste, weiß besonders gut, wie wertvoll ein Besuch am Krankenbett ist“, sagte Angelika Matt-Heidecker.

Gerade bei alleinstehenden Menschen könne eine stationäre Einlieferung ins Krankenhaus eine Katastrophe bedeuten. Allein schon ein Gesprächsangebot sei für einen Patienten ein unschätzbarer Anker. „Denn während eines Krankenhausaufenthalts ist das unter Umständen die einzig verbliebene Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe“. Wenn möglich, würden die Damen und Herren in Grün kleinere Aktivitäten mit den Patienten unternehmen. „So wie es im Straßenverkehr die ‚Gelben Engel‘ gibt, sind es eben im Kirchheimer Krankenhaus die ‚Grünen Engel‘“, sagte Angelika Matt-Heidecker.

Initiiert wurde der Besuchsdienst 2002 von Beate Wirth. „Wir machen diese Arbeit aus freien Stücken. Wir tun sie gern, sie macht uns Freude“, sagte Beate Wirth. Die Bürgermedaille wurde jedoch nicht nur an sie, sondern an alle Grünen Damen und Herren verliehen. Umrahmt wurde die Feierstunde von den Gitarristen Roman Hernitscheck und Kristjan Tamm.